Die Offenbarung des Johannes scheint gerade ziemlich aktuell

Apocalypse now

Haken dran ans Seuchen-Jahr 2020. Vielleicht läuft's ja 2021 etwas besser. Ein schummriges Gefühl bleibt allerdings. Und ein Begriff aus der Bibel, der das Unbehagen an der Gegenwart in ein Wort fasst: Apokalypse.

Autor/in:
Joachim Heinz
 (DR)

Ein siebenköpfiger Drache, Hagel- und Feuerstürme, dazu Sterne, die vom Himmel fallen. Was nach dem Drehbuch eines neuen Rammstein-Videos klingt, ist tatsächlich fast 2.000 Jahre alt. In der Offenbarung des Johannes, dem letzten Buch des Neuen Testaments, fährt der Verfasser so ziemlich alles auf, was zu einem zünftigen Weltuntergang gehört. Das griechische Wort für "Offenbarung", "Apokalypse", steht seither sinnbildlich für Situationen, die dem Menschen Angst und Schrecken einjagen.

Katastrophen und Beginn einer neuen Zeit

Und damit versorgt uns die Gegenwart gerade nicht zu knapp: Corona, Klimakrise, Kriege, Katastrophen heißen die vier apokalyptischen Reiter, die in unseren Tagen eine Spur des Todes und der Verwüstung hinter sich herziehen. "Wer die Johannesoffenbarung liest, watet knöcheltief durch Blut", schreibt der Trierer katholische Theologe Hans-Georg Gradl in einem Beitrag für die Zeitschrift "Communio" - und betont zugleich, dass die Apokalypse des Johannes ein "spezielles und herausforderndes Buch" sei, das sich gegen ein "allzu oberflächliches Verständnis" sperre.

Gradls Erfurter Kollege Thomas Johann Bauer stößt ins gleiche Horn. Manche Begriffe und Bilder kämen uns vertraut vor. Die TV-Serie "Babylon Berlin" spielt auf die "Hure Babylon" an, die bei Johannes als Inbegriff für Unzucht steht. Hollywood-Regisseur Francis Ford Coppola nannte seinen Film über den Wahnsinn des Vietnamkriegs "Apocalypse Now". Und in "Armageddon - das Jüngste Gericht" kämpft ein Trupp verzweifelter Erdenbürger um Bruce Willis und Ben Affleck gegen einen drohenden Asteroiden-Einschlag; eine Entscheidungsschlacht biblischen Ausmaßes.

Aber, so betont Bauer: "Mit dem Inhalt des Buches hat das alles nichts zu tun." In der Johannesoffenbarung gehe es gar nicht darum, irgendwelche Katastrophen aufzuhalten. Denn mit ihnen beginne eine neue Zeit, die schließlich Gottes Heil für alle Christen bereithalte. Davor jedoch stellt der Allmächtige seine Anhänger auf die Probe und rechnet mit seinen Feinden ab.

Eine heutzutage eher schwer zu vermittelnde Botschaft, die allerdings einen ganz konkreten Sitz im Leben der damaligen Christen hatte. "Der Text spiegelt die theologischen Auseinandersetzungen in den damaligen christlichen Gemeinden wider", erläutert Bauer. "In einem heidnischen Umfeld stellte sich die Frage, wie weit man gehen durfte, um seinen Glauben nicht zu verraten. Isolation und Abschottung hatten auch handfeste wirtschaftliche Folgen." Eine Assimilation wiederum "drohte nach Ansicht von Hardlinern den Glauben zu verwässern". Johannes, so viel dürfte klar sein, setzte eher auf Abstand zu der von den Römern beherrschten Gesellschaft.

Perspektive für die Zukunft

Was den Seher weiter umtrieb, entzieht sich weitgehend den Kenntnissen der Wissenschaft. Mit dem Verfasser des Johannes-Evangeliums oder der drei Johannesbriefe hat er jedenfalls nichts zu tun, sagt Bauer. "Einen solchen Schluss lassen Stil, Sprache und Theologie nicht zu." Ergiebiger bleibt die Beschäftigung mit einem Text, dessen Lektüre auch Nichtchristen eine Ahnung vom weit gespannten religiösen und kulturellen Horizont eines Wanderpredigers im ersten Jahrhundert nach Christus gibt.

Nur ein Beispiel: die reiche Zahlensymbolik. Die 7 als Sinnbild für Vollendung und Vollkommenheit taucht immer wieder auf. Aus der 10 und der 12 für das Gottesvolk macht Johannes eine ganz eigene Rechnung auf. Die Zahl der Geretteten beziffert er auf 144.000. Das sind: 12 mal 12 multipliziert mit 10 hoch 3. Am Schluss blickt der Leser mit Johannes auf das himmlische Jerusalem und seine 144 Ellen hohe, aus zwölf Edelstein-Arten errichtete Stadtmauer. "Die Straße der Stadt ist aus reinem Gold, wie aus Glas." Das Grauen der Apokalypse hat sich in Wohlgefallen aufgelöst. Nicht die allerschlechteste Perspektive für den Start in ein neues Jahr.


Quelle:
KNA
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