Antisemitische Einstellungen unter Muslimen mehr verbreitet

Untersuchung nach "Extremistischen Kern"

Antisemitische Aussagen werden laut einer Umfrage von der großen Mehrheit abgelehnt. Zustimmung kommt am ehesten von Extremisten, Verschwörungstheoretikern und AfD-Wählern. Auch unter Muslimen sind problematische Haltungen verbreitet.

Demonstration gegen Judenhass und Antisemitismus / © Christoph Soeder (dpa)
Demonstration gegen Judenhass und Antisemitismus / © Christoph Soeder ( dpa )

Antisemitische Einstellungen sind unter Muslimen stärker verbreitet als im Rest der Bevölkerung. Zu diesem Ergebniskommt eine Studie der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung, die dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt. Demnach stimmen im Bevölkerungsschnitt vier Prozent der Aussage zu, dass Juden "hinterhältig" seien. Unter Musliminnen und Muslimen lag die Zustimmung bei zwölf Prozent.

Rund ein Viertel (26 Prozent) der Muslime bejahen demnach die Aussage, dass reiche Juden "die eigentlichen Herrscher der Welt" seien (Bevölkerungsdurchschnitt: sechs Prozent). Sieben Prozent akzeptieren Gewalt gegen Juden (Bevölkerungsdurchschnitt: zwei Prozent).

Gründe vielschichtig 

Die Gründe für diesen Befund könnten vielschichtig sein und seien vermutlich so heterogen wie die Gruppe selbst, heißt es im Fazit der Studie. Sie regt darin für eine sachliche Debatte weiterführende Analysen unter Berücksichtigung von Sozialisation, Lebensrealität und Herkunftsregion an.

Symbole für die drei Religionen Islam, Judentum und Christentum / © Vladimir Melnik (shutterstock)
Symbole für die drei Religionen Islam, Judentum und Christentum / © Vladimir Melnik ( shutterstock )

Für die Studie wurden zwischen Ende 2021 und im Frühjahr 2022 rund 5.500 Menschen ab 16 Jahren in Deutschland befragt. In der Stichprobe sollten mindestens 500 Personen islamischen Glaubens enthalten sein. Konfrontiert wurden die Befragten nach Angaben der Studie anders als bei ähnlichen Studien mit bewusst harten Aussagen, um den "extremistischen Kern" der Bevölkerung zu messen. Gefragt wurde etwa nach der Zustimmung zu der Aussage "Juden müssen sich nicht wundern, wenn sie einen drauf bekommen". Zustimmung wurde dabei als Akzeptanz antisemitischer Gewalt gewertet.

Große Mehrheit lehnt antisemitische Aussagen ab

Insgesamt lehne eine große Mehrheit der deutschen Bevölkerung antisemitische Aussagen entschieden ab, schreibt Studienautor Dominik Hirndorf mit Blick auf die Werte des Bevölkerungsdurchschnitts. Zugleich bedeuteten die Ergebnisse im Bereich der Gewaltakzeptanz eine nicht zu unterschätzende Zahl von potenziellen Gefährderinnen und Gefährdern. "Jedes Prozent ist eins zu viel", sagte Hirndorf dem epd.

Hirndorf analysierte auch, wie andere extremistische Einstellungen, demografische Faktoren, Bildungsniveau und Parteienpräferenz mit antisemitischen Einstellungen zusammenhängen. Dabei zeigte sich nach Angaben seiner Studie, dass judenfeindliche Aussagen auch bei Personen mit niedrigem formalen Bildungsabschluss, Migrationshintergrund und innerhalb der AfD-Anhängerschaft stärker auf Zustimmung stoßen.

Extremisten und Verschwörungstheoretiker 

Jeder fünfte AfD-Sympathisant stimmt demnach der Aussage zu, dass Juden "die eigentlichen Herrscher der Welt" seien. Bei Anhängern von SPD, Union und FDP liegen den Angaben zufolge die Zustimmungswerte im Bevölkerungsdurchschnitt. Potenzielle Wählerinnen und Wähler von Grünen und Linken stimmen antisemitischen Aussagen seltener zu als der Durchschnitt.

Auch Personen mit rechts- oder linksextremistischen Einstellungen stimmen antisemitischen Aussagen häufiger zu, wobei der Studiezufolge der Effekt bei Rechtsextremen größer ist. Auch Menschen, die einem Verschwörungsglauben anhängen, bejahen antisemitische Aussagen demnach stärker.

Antisemitismus

Antisemitismus nennt man die offen propagierte Abneigung und Feindschaft gegenüber Juden als Volksgruppe oder als Religionsgemeinschaft. Der Begriff wird seit dem 19. Jahrhundert gebraucht, oft als Synonym für eine allgemeine Judenfeindlichkeit. Im Mittelalter wurden Juden für den Kreuzestod Jesu verantwortlich gemacht und als "Gottesmörder" beschuldigt. Während der Kreuzzüge entlud sich die Feindschaft in mörderischen Ausschreitungen, Vertreibungen und Zwangsbekehrungen.

Teilnehmende einer Demonstration zur Solidarität mit Israel / © Michael Kappeler (dpa)
Teilnehmende einer Demonstration zur Solidarität mit Israel / © Michael Kappeler ( dpa )
Quelle:
epd