Anschläge auf Kirchen in Nigeria überschatten erneut das Fest

Blutige Spur von Weihnachtsfest zu Weihnachtsfest

Bei Anschlägen auf zwei Kirchen in Nigeria sind am ersten Weihnachtstag mindestens 20 Menschen ums Leben gekommen. Ein Sprengsatz detonierte vor einer katholischen Kirche am Rand der Hauptstadt Abuja kurz vor Beginn des Weihnachtsgottesdienstes - nicht das erste Attentat 2011.

Autor/in:
Katrin Gänsler
 (DR)

Gäbe es in Nigeria das "Unwort des Jahres", hätte Boko Haram die besten Chancen darauf. Noch nie zuvor haben die Aktionen der islamistischen Sekte so viele Todesopfer gefordert wie 2011. Experten vermuten, dass sie auch hinter dem neuesten Bombenanschlag auf eine katholische Kirche in der Kleinstadt Madalla unweit der Hauptstadt Abuja steckt. Bei einer Explosion während des Weihnachtgottesdienstes am Sonntag hatte es dort mindestens zwanzig Tote und zahlreiche Verletzte gegeben. Schon im Vorfeld hatten viele Christen im Land neue Anschläge befürchtet.



Boko Haram hatte sich bereits in den vergangenen Tagen zu verschiedenen Anschlägen in Nordnigeria bekannt, bei denen 46 Menschen ums Leben gekommen waren. Ein Ende von Terror und Einschüchterung ist trotz einiger Verhaftungen in jüngster Zeit noch längst nicht in Sicht. Es scheint, als setze die Gruppe ihren Kampf für einen Staat auf Grundlage der Scharia und ohne westlich geprägte Demokratie ungebrochen fort.



Schon zum Weihnachtsfest 2010 hatte es mehrere Anschläge auf christliche Einrichtungen in Nigeria gegeben. In der Stadt Jos etwa, drei Autostunden von Abuja entfernt, waren auf dem Markt eines christlich geprägten Viertels fast zeitgleich vier Bomben explodiert und hatten 37 Menschen getötet.



Die Anschläge, zu denen sich die bis dahin völlig unbekannte Gruppe bekannte, waren der Auftakt eines wahren Terrorjahres in Nigeria. Im Februar warnte die Polizei - auch mit Blick auf die bevorstehenden Wahlen - vor der Gefahr der islamistischen Organisation, deren Name übersetzt bedeutet: "Westliche Bildung ist Sünde". Boko Haram sei das größte Sicherheitsrisiko, das es in dem afrikanischen Riesenstaat gebe.



Und die Polizei sollte Recht behalten. Bislang hatten die Anhänger ausschließlich im Bundesstaat Borno im Nordosten des Landes operiert. Ende Juni änderte sich das, und das Hauptquartier der Polizei in Abuja wurde zum Ziel der Islamisten. Sie ließen die Regierung spüren, wie verwundbar sie ist - und wie schlecht die Sicherheitsmaßnahmen sind. Es folgten weitere Anschläge auf Lokale, Kirchen, Polizeistationen und Banken.



Endgültig ins internationale Bewusstsein rückte Boko Haram am 26. August. An jenem Freitagmittag griffen Selbstmordattentäter das Gebäude der Vereinten Nationen im belebten Diplomatenviertel von Abuja an. Mehr als 20 Menschen starben. Seitdem hat sich der Druck auf Präsident Goodluck Jonathan extrem erhöht - und in Nigeria vergeht kaum ein Tag, an dem nicht jemand dem Staatsoberhaupt eine neue Lösung für das Problem Boko Haram anbietet.



Am meisten gestritten wird allerdings darüber, ob mit Terroristen verhandelt werden dürfe oder nicht. Gesprächsangebote der Regierung gab es in den vergangenen Monaten immer wieder; wohl auch, weil die Spezialeinheit "Joint Task Force" mehr Unheil anrichtete, als sie für Sicherheit sorgte. Der Menschenrechtler und Boko-Haram-Experte Emmanuel Onwubiko ist fassungslos, wenn er nur an einen Dialog denkt. "Die Gruppe hat Tausende unschuldiger Menschen auf dem Gewissen. Mit ihr verhandelt man nicht", sagt er. Eine schnelle Lösung hat freilich auch er nicht parat.



Erschüttert haben in diesem Jahr nicht nur die Anschläge von Boko Haram; für Angst sorgten auch die Unruhen nach den Wahlen. Anfangs gingen die Anhänger der beiden Spitzenkandidaten aufeinander los. Vor allem im Bundesstaat Kaduna wurden im Verlauf der Ausschreitungen auch gezielt Kirchen und Moscheen niedergebrannt.  Misstrauen und Angst vor neuer Gewalt sind dort stärker als je zuvor. Und das ist eine Stimmung, von der am Ende auch Boko Haram profitiert.