Anne Will fordert Reform der katholischen Sexualmoral

Überlege mir jeden Tag, aus Kirche auszutreten

Anne Will fordert Reformen in der katholischen Kirche. Am Rande der Verleihung des Katholischen Medienpreises in Bonn sagte die prominente TV-Moderatorin, dass sie täglich über einen Kirchenaustritt nachdenke.

Autor/in:
Raphael Rauch
Anne Will, Journalistin und Moderatorin, hält eine Laudatio beim Katholischen Medienpreis 2022 / © Julia Steinbrecht (KNA)
Anne Will, Journalistin und Moderatorin, hält eine Laudatio beim Katholischen Medienpreis 2022 / © Julia Steinbrecht ( KNA )

KNA: Frau Will, in der ARD-Doku "Wie Gott uns schuf - Coming-Out in der katholischen Kirche" haben sich über 100 Mitarbeitende der katholischen Kirche als queer geoutet. Warum haben Sie zugesagt, die Laudatio des Katholischen Medienpreises zu halten?

Anne Will (TV-Moderatorin): Mir war es ein Anliegen, diesen herausragenden Film auszuzeichnen. Ich finde, er verdient den Hauptpreis. Und mir war es ein Anliegen, darauf aufmerksam zu machen, dass die katholische Kirche dringend ihre Sexualmoral ändern muss - und das Klima der Angst aufhören muss. Es gibt viele Menschen, die der katholischen Kirche positiv gegenüberstehen. Doch wenn sie für die Kirche arbeiten, dürfen sie sich nicht zu ihrer Sexualität und zu ihrer sexuellen Identität bekennen. Das finde ich ganz falsch. Und ich finde es ein Unding, dass es so etwas wie ein kirchliches Arbeitsrecht gibt. Das ist eine klare Diskriminierung.

KNA: Haben Sie das Gefühl, die katholische Kirche kann sich in Deutschland Dinge erlauben, die der Islam beispielsweise nicht dürfte?

Katholischer Medienpreis

Die Deutsche Bischofskonferenz, gemeinsam mit der Gesellschaft Katholischer Publizisten (GKP) und dem Katholischen Medienverband, vergibt seit 2003 jährlich den "Katholischen Medienpreis", der in der Nachfolge des seit 1974 verliehenen "Katholischen Journalistenpreises" steht. Der Preis soll Journalistinnen und Journalisten zu qualitäts- und werteorientiertem Journalismus motivieren.

Symbolbild Kirche und Medien / © Harald Oppitz (KNA)
Symbolbild Kirche und Medien / © Harald Oppitz ( KNA )

Will: Ja klar! Beim Islam ist der Aufschrei immer groß. Unsere Gesellschaft ist kulturhistorisch stark von der katholischen Kirche geprägt. Vieles ist historisch gewachsen. Das lässt hoffen, dass man es auch verändern kann.

KNA: Sie sind Mitglied der katholischen Kirche. Haben Sie schon einmal an Austritt gedacht?

Will: Jede und jeder überlegt sich das fortdauernd mit jedem weiteren Verbrechen, das im Namen der Kirche und von kirchlichen Würdenträgern verübt worden ist. Gerade was sexualisierte Gewalt angeht. Mich bestürzt, wie sehr die katholische Kirche die Aufarbeitung behindert, Fälle vertuscht, Priester versetzt, sie wieder mit Kindern zusammenarbeiten lässt und zulässt, dass sich Priester wieder an Kindern vergreifen und ihnen sexualisierte Gewalt antun. Das ist alles furchtbar. Und da habe ich jetzt noch gar nicht über "Out In Church" gesprochen - und wie die Kirche mit queeren Menschen umgeht.

Ja, man kann eigentlich nicht zahlendes Mitglied der katholischen Kirche sein - und trotzdem hält mich noch etwas in der Kirche.

KNA: Sie sind lesbisch. Was hält Sie in der Kirche?

Will: Ich komme aus einer katholischen Familie und habe in der Kirche auch Schönes erlebt. Ich denke, das hält mich noch. Aber ich überlege mir wirklich jeden Tag, ob ich nicht austreten soll.

KNA: Der Essener Bischof Overbeck hat 2010 in Ihrer Sendung gesagt, Homosexualität sei Sünde und widerspreche der menschlichen Natur. Daraufhin hat er viele Protestbriefe erhalten und Gespräche geführt. Mittlerweile hat er seine Meinung geändert. Freut es Sie, dass Ihre Sendung den Anfang eines Lernprozesses markiert?

Will: Das freut mich immer. Wann immer jemand etwas dazulernt, ist das eine große Sache. Ich weiß auch von Bischof Overbeck, dass er nach der Sendung viele Gespräche geführt hat. Er musste sich ständig erklären und ist ein bisschen in Not gekommen. Wenn ein katholischer Bischof dann sagt "Ich ändere meine Meinung", dann verdient das Respekt. Aber das reicht natürlich noch nicht.

Quelle:
KNA