Anglikaner suchen in der Bibel Ausweg aus der Spaltung - Kardinal Kasper wünscht "Hilfe Gottes"

Die Heilige Schrift soll´s richten

Die anglikanische Weltgemeinschaft sucht in einheitlichen Regeln zur Bibelauslegung einen Ausweg aus der drohenden Spaltung. Darüber berieten die 670 zur Lambeth-Konferenz in Canterbury versammelten anglikanischen Bischöfe am Mittwoch. Gemeinsame hermeneutische Prinzipien sollen nun zur Lösung der elementaren Streitfragen wie etwa Homosexualität beitragen. Zu Gast war auch Kurienkardinal Walter Kasper, er sieht die Ökumene in Gefahr.

 (DR)

Der neuseeländische Erzbischof David Moxon hatte zuvor den Bischöfen einen entsprechenden Entwurf präsentiert. Bislang verfügen die 38 unabhängigen Provinzen der anglikanischen Gemeinschaft über keine gemeinsamen Prinzipien über die Auslegung der Heiligen Schrift. Ob Moxons Vorschlag eine Mehrheit findet, steht noch nicht fest.

Der Erzbischof schlug vier gemeinsame Prinzipien vor: Jesus Christus, der durch die Bibel offenbart werde, bilde das Fundament des «Hauses der Bibelauslegung». Der Entstehungskontext der Schriften sei als Eingang und die Herausforderungen der heutigen Zeit als Wände zu verstehen. Das schützende Dach bilde die Kirche, die mit ihrer Tradition die Kontinuität garantiere. Die Ergebnisse der Beratungen sollen in das Abschlussdokument der Lambeth-Konferenz einfließen.

Härteres Vorgehen gegen Abweichler wird erwägt
Anglikanische Kirchen, die weiterhin Homosexuelle zu Bischöfen weihen, müssen sich auf härtere Konsequenzen seitens der Kirchengemeinschaft gefasst machen. Eine hochrangige Arbeitsgruppe der Kirche schlug am Mittwoch in Canterbury vor, in einem solchen Fall «keine Strafen, aber doch wirksame Maßnahmen» zu erlassen.

Dies könne etwa bedeuten, dass die betreffende Mitgliedskirche Mitspracherechte in internationalen Gremien einbüße, erläuterte der Vorsitzende Bischof Clive Handford. «Wir wollen eine strukturelle Lösung, die die Gemeinschaft so eng zusammenhält, wie es eben möglich ist», sagte Handford.

Die Arbeitsgruppe hatte Anfang der Woche vorgeschlagen, die umstrittensten Praktiken einzelner Mitgliedskirchen bis auf weiteres zu stoppen. Neben der Bischofsweihe für Schwule betrifft das auch öffentliche Segensfeiern für homosexuelle Paare.

Außerdem soll es Kirchen untersagt werden, ohne Erlaubnis auf dem Gebiet anderer Kirchen tätig zu werden. Diese Moratorien waren schon öfter gefordert worden, hatten sich jedoch nicht durchgesetzt. Auch jetzt ist nicht klar, ob die Vorschläge die Zustimmung der gesamten Konferenz finden. Insbesondere Bischöfe aus Nordamerika sind skeptisch.

Das Ehrenoberhaupt der Kirche hatte bereits am Dienstag alle Seiten zu mehr Kompromissbereitschaft aufgerufen. «Jeder ist gefordert», sagte Erzbischof Rowan Williams von Canterbury in einer Plenarrede vor den Bischöfen. Die «gegenseitige Großzügigkeit» sei der richtige Weg. Williams sprach sich erneut für die Schaffung eines zusätzlichen internationalen Beratungsgremiums aus.

Vatikan: Frauen-Bischofsweihe wirft Ökumene enorm zurück
Auch der für die Ökumene zuständige Kurienkardinal Walter Kasper war am Mittwoch zu Gast bei der Lambeth-Konferenz. Er beklagte in seiner Rede, dass die Bischofsweihe von Frauen in der anglikanischen Gemeinschaft für die katholische Kirche einen ernsten Rückschritt im ökumenischen Dialog bedeute. Auch wenn es in den vergangenen Jahren etliche Fortschritte zwischen beiden Kirchen gegeben habe, «blockieren diese Bischofsweihen substanziell und definitiv eine mögliche Anerkennung anglikanischer Weihen seitens der katholischen Kirche», sagte Kardinal Walter Kasper am Mittwoch bei der anglikanischen Lambeth-Konferenz in Canterbury.

Zwar hoffe er auf eine Fortsetzung des katholisch-anglikanischen Dialogs; aber mit der jüngsten Entwicklung ändere sich dessen Ebene. Dennoch hoffe er, «dass ihr mit der Hilfe Gottes noch einen Ausweg findet», betonte Kasper in dem am Mittwochabend im «Osservatore Romano» publizierten Redetext.

«Es scheint, dass die volle sichtbare Gemeinschaft als Ziel unseres Dialogs einen Schritt rückwärts gemacht hat, dass unser Dialog niedrigere Ziele hat, und dass sich sein Charakter geändert hat», so der Präsident des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen. Für die katholische Kirche sei die Priesterweihe ausschließlich Männern vorbehalten; diese Tradition hätten auch die Ostkirchen bewahrt.

Auch kritisierte Kasper die Haltung der anglikanischen Gemeinschaft zur Homosexualität. Nach katholischer Auffassung sei homosexuelles Handeln moralisch ungeordnet. Außerdem verwies er auf ein unterschiedliches Verständnis vom Bischofsamt: Während in der anglikanischen Gemeinschaft die Teilkirchen und ihre Hirten selbstständig und unabhängig seien, seien sie in der katholischen Kirche aufeinander bezogen und bildeten eine Einheit.

Zugleich würdigte der Kurienkardinal die Fortschritte im katholisch-anglikanischen Dialog im Verlauf der vergangenen 40 Jahre. Insbesondere lobte er die Arbeit internationaler anglikanisch-katholischer Kommissionen. Dieser Dialog müsse weitergehen, allerdings werde er sich vor dem Hintergrund der Entwicklung auf einer anderen Ebene vollziehen.

Das wichtigste Beratungsgremium der Anglikaner, das nur alle zehn Jahre tagt, ist noch bis Sonntag in Canterbury versammelt. In diesem Jahr steht das Treffen unter dem Vorzeichen einer Spaltung über Streitfragen wie der Weihe von Homosexuellen und Frauen zu Bischöfen. Etliche Bischöfe, zumeist aus afrikanischen Ländern, boykottieren die Konferenz aus Protest gegen eine ihrer Ansicht nach zu starke Liberalisierung der anglikanischen Kirche.