Ein letztinstanzliches Urteil des Obersten Kassationsgerichts in Sofia über die Anerkennung der "Orthodoxen Kirche Alten Kalenders von Bulgarien" fordert die Spitzen von Staat und Kirche heraus. Die Gerichtsentscheidung fordert die Möglichkeit der Eintragung einer parallelen "orthodoxen Kirche" neben der bulgarisch-orthodoxen Kirche (BOK). Dabei wendet sich das Gericht gegen das Votum der bulgarischen Regierung, die die Anerkennung der "Altkalendarier" verworfen hat.
Das letzte, nun übergangene Gutachten stellte heraus, dass nach der bulgarischen Verfassung "die traditionelle Religion in der Republik Bulgarien die östlich-orthodoxe" sei, und das Religionsgesetz präzisiere zudem, dass "ihr Ausdruck und Repräsentant die selbstverwaltete bulgarisch-orthodoxe Kirche ist (...). Sie wird vom Heiligen Synod geleitet und vom bulgarischen Patriarchen vertreten, der auch Metropolit von Sofia ist".
Die staatliche Stelle sieht die «altkalendarische Kirche» mit ihren Statuten und ihrem Namen im Widerspruch zur Verfassung. Doch folgte das Gericht dieser Position nicht, sondern berief sich auf allgemeines EU-Recht, das auch für Minderheitskirchen gleiche Rechte - einschließlich einer freien Namenswahl - vorsehe. Das bulgarische Patriarchat äußerte sofort seine Besorgnis über die Auswirkungen auf die Einheit der bulgarischen Orthodoxie und ihre Rolle in der Gesellschaft. Man müsse eine Zersplitterung der Kirche befürchten, erklärten die Synodalen der BOK bei einer kurzfristig angesetzten Sitzung mit dem bulgarischen Staatspräsidenten Rumen Radev.
"Immer eine geistige Stütze"
Auch aus Radevs Sicht ist die BOK eine "einzige und unteilbare Kirche", die in der jahrhundertelangen Geschichte Bulgariens "immer eine geistige Stütze" gewesen sei. "Daher sollte jede Gefahr für sie als Bedrohung unserer nationalen Einheit und Souveränität betrachtet werden", sagte der Präsident weiter. Der Staat müsse trotz scharfer politischer Spaltungen durch seine Institutionen die Bedingungen für die Einheit der BOK sicherstellen.
Patriarch Daniel dankte dem Staatspräsidenten für dessen Unterstützung: "Wir sind dankbar, dass der bulgarische Staat nach einer Zeit der atheistischen Herrschaft die historische Rolle unserer orthodoxen Kirche bei der Erziehung und Bewahrung unseres Volkes, ihren Beitrag zur Staatlichkeit und ihre heutige Bedeutung für das nationale Leben anerkannt und dieses Verständnis in der Gesetzgebung verankert hat". Die vom Gericht zugelassene Registrierung der "Bulgarischen Altkalendarischen Kirche" könne schwerwiegende Konsequenzen nicht nur für den orthodoxen Glauben im Land haben, so der Patriarch, sondern würde auch zu gesellschaftlichen Spaltungen führen: "Diese Entscheidung ermöglicht die Vermischung oder Duplizierung von juristischen Personen im rechtlichen Bereich, was auch die Vermischung von religiösen Institutionen in der Gesellschaft zur Folge hat."
Die Entscheidung des Gerichts eröffne die Möglichkeit, auch andere ähnliche religiöse Gruppen zu registrieren, die in Zukunft gleiche Rechte wie die BOK in ihren Beziehungen zu staatlichen Institutionen fordern könnten, kritisierte Daniel. «Sie werden noch sehen, welches Durcheinander diese Entscheidung im Volk verursachen wird. Der Staat selbst ist in einen Zustand der Verwirrung versetzt, unfähig zu unterscheiden, welche dieser registrierten Gruppen tatsächlich die Orthodoxe Kirche ist», betonte der Patriarch.
Ökumenische Bestrebungen hinter Reform
"Die Orthodoxe Kirche Alten Kalenders von Bulgarien" ist eine erzkonservative Splittergruppoe. Sie distanziert sich generell von Reformen in der Orthodoxie und von einer Öffnung gegenüber ökumenischen Bestrebungen, in denen sie eine "Pan-Häresie" oder "Ultra-Häresie" sieht. Auch hinter der 1968 durchgeführten Kalenderreform stehen für sie ökumenische Bestrebungen, die die liturgische Einheit der Ortskirchen im 20. Jahrhundert zerrüttet hätten und ein Instrument des totalitären kommunistischen Staates in Bulgarien gewesen sei, "um die Verbindung zwischen den festlichen Bräuchen und Traditionen unseres Volkes und der kirchlichen Liturgie zu zerschlagen".
Die Altkalendarier in Bulgarien unterstehen dem 1956 geborenen Metropoliten Fotij (Siromahov) von Triadica. Ihr gehören 20 Geistliche an, davon 3 im Mönchstand und 17 im weltlichen Klerus. Neben einer Kathedrale gibt es 14 Pfarrkirchen und Kapellen, sowie eine klösterliche Bruderschaft und ein Frauenkloster mit gut 20 Nonnen und Novizinnen. Nach eigenen Angaben gehören ihr 70.000 Gläubige an. Die bulgarische altkalendarische Kirche steht in Kirchen- und Eucharistiegemeinschaft mit der altkalendarischen Kirche Rumäniens und der "Kirche der wahren Christen Griechenlands" (Chrysostomos-Synode). 1990 wurde sie als eine eigene Eparchie Sofia gebildet. 1993 entstand aus dieser die eigenständige bulgarische altkalendarische Kirche. Von 1994 bis 2006 bestand auch eine Kirchengemeinschaft mit der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland.
Die Tatsache, dass die nun anstehende staatliche Registrierung einer alles in allem doch relativ marginalen Gruppierung - die BOK umfasst demgegenüber 75 Prozent der knapp 8 Millionen Bewohner Bulgariens sowie außerdem etwa 1,5 bis 2 Millionen über die Balkanhalbinsel, das übrige Europa und den Rest der Welt verteilte Mitglieder - eine solche Aufregung verursacht, lässt allerdings vermuten, dass auch in Bulgarien die Kalenderfrage bis heute ihre Brisanz nicht verloren hat und dass die innere Einheit der BOK immer noch nicht ganz gefestigt zu sein scheint.
Möglichkeit verhindern
So sehen das offensichtlich auch zahlreiche Abgeordnete des bulgarischen Parlaments, denn sie verabschiedeten in erster Lesung gleich mehrere Gesetzentwürfe zur Änderung des Religionsgesetzes, die alle bekräftigen, dass die BOK die einzige Vertreterin der östlichen Orthodoxie in Bulgarien ist. Der von Kostadin Kostadinov und seiner Gruppe von Abgeordneten vorgelegte Gesetzentwurf der Partei "Wiederbelebung" betont die Notwendigkeit, die zugelassene Möglichkeit der Eintragung von mehr als einer Kirche als juristische Person zu verhindern, die in ihrem Namen die Bezeichnung "orthodox" verwenden würde.
Der von Bojko Borissow und einer weiteren Gruppe von Abgeordneten vorgelegte Gesetzentwurf erkennt ebenfalls nur die BOK an. Sie sei gemäß den Kanones allein der traditionelle orthodoxe Glaube, den die Verfassungsnorm des Artikel 3 berücksichtigt. Eingetragene Konfessionen könnten zwar ihre Namen frei wählen, müssten sich dabei aber deutlich von der gesetzlich anerkannten BOK unterscheiden.
Der Gesetzentwurf von Kostadinov wurde mit 140 Ja-Stimmen bei 26 Nein-Stimmen und keiner Enthaltung angenommen, der zweite Gesetzentwurf sogar mit 176 Ja-Stimmen, keiner Gegenstimme und drei Enthaltungen. Dies ist übrigens das erste Mal in der bulgarischen Gesetzgebung, dass ein Verweis auf das kanonische Recht der Kirche ausdrücklich in einen säkularen Rechtstext mit der entsprechenden Verbindlichkeit aufgenommen wird.
Artikel 15 des Religionsgesetzes berücksichtigen
Religiösen Bekenntnissen steht es somit zwar weiterhin frei, sich registrieren zu lassen, sie müssen jedoch bei der Festlegung ihrer Namen die Norm von Artikel 15 des Religionsgesetzes berücksichtigen, um "die Möglichkeit einer falschen Anwendung und/oder Auslegung auszuschließen und die Integrität des Namens zu wahren".
Religionsgemeinschaften, die sich in einem anhängigen Registrierungsverfahren befinden oder bisher schon registriert sind, wird eine zweimonatige Frist eingeräumt, um ihren Namen gemäß den Anforderungen des Religionsgesetzes zu ändern. Dabei handelt es sich um die erwähnte Kirche der Altkalendarier mit Sitz in Sofia, eine weitere "Wahre Orthodoxe Kirche" mit Sitz in Plovdiv und die Armenisch-Apostolische Orthodoxe Kirche, die zu den traditionellen Konfessionen des Landes gehört.
Da in der ersten Abstimmung mehr als ein Gesetzentwurf zum gleichen Thema verabschiedet wurde, wird der zuständige Ausschuss unter Beteiligung der Befürworter der in der ersten Abstimmung verabschiedeten Gesetzentwürfe innerhalb von vierzehn Tagen einen einzigen Gesetzentwurf ausarbeiten, der dann dem Präsidenten der Nationalversammlung und den Mitgliedern der Nationalversammlung zur Unterbreitung schriftlicher Vorschläge vorgelegt wird.
Armenische Beziehungen
Reagiert hat darauf schon mit dem Segen von Katholikos Karekin II., dem Patriarchen aller Armenier, die Armenisch-Apostolische Kirche mit einem Brief von Bischof Datev Hagopian an den bulgarischen Patriarchen Daniel: "Wir wenden uns an Sie, um unseren Respekt und unsere Unterstützung für die kanonische BOK - das bulgarische Patriarchat - zum Ausdruck zu bringen und unsere historischen freundschaftlichen und herzlichen Beziehungen zwischen den beiden Kirchen zu bekräftigen".
Der armenische Bischof erklärt, "dass wir die vorgelegten Gesetzentwürfe unterstützen, die die Einheit der BOK - Bulgarisches Patriarchat - als einzigen Ausdruck des traditionellen östlich-orthodoxen Glaubens im Sinne der bulgarischen Verfassung gewährleisten", und versichert, "dass diese Gesetzesänderungen den Status der Armenisch-Apostolischen Orthodoxen Heiligen Kirche, die in Bulgarien gemäß dem Religionsgesetz registriert ist, nicht beeinträchtigen würden, da wir nicht behaupten, ein Ausdruck des traditionellen orthodoxen Glaubens in Bulgarien im Sinne der bulgarischen Verfassung zu sein, dessen einziger Ausdruck gemäß Artikel 10 des Religionsgesetzes die bulgarische-orthodoxe Kirche - Bulgarisches Patriarchat ist".