Anekdoten um Papst Johannes XXIII.

"Wenn die Pferde nicht mehr können, nimmt man Esel"

Die Anekdoten um und von Johannes XXIII. füllen ganze Bücher. Ein Überblick über einige Erinnerungen an den Konzilspapst, die durch seine lebenslangen Tagebuchaufzeichnungen oder durch seinen langjährigen Sekretär überliefert sind.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
Audienz mit Papst Johannes XXIII. auf dem Petersplatz im Jahr 1961 (KNA)
Audienz mit Papst Johannes XXIII. auf dem Petersplatz im Jahr 1961 / ( KNA )

Manche Zeitgenossen, die zuvor den aristokratischen Hofstaat Pius XII. (1939-1958) gewohnt waren, hielten die Äußerungen des humorvollen Bauernsohns Angelo Giuseppe Roncalli für platt und peinlich. Doch manche erkannten darin schon damals ein Stilmittel des Seelsorgers und Kirchendiplomaten, um Kritiker zu entwaffnen und ihnen den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Pferde und Esel

Auf die große diplomatische Bühne berief Pius XII. den altgedienten Nuntius Roncalli erst zu Neujahr 1945: Bereits 63 Jahre alt, wurde er überraschend zum Papstbotschafter in Paris ernannt. Doch Roncalli war bewusst: Nach den Verwerfungen des Krieges war er nun vor allem eine "schwarze Soutane mit weißer Weste", die politisch unbelastet die Aufarbeitung kirchlicher Kollaboration mit dem Vichy-Regime in Frankreich angehen konnte. Später meinte er ironisch: "Wenn die Pferde nicht mehr können, nimmt man Esel."

Seltsame Wahrheit

Mit seiner unkonventionellen Diplomatie hatte Roncalli in Paris Erfolg. Doch Lob dafür wies er als unverdient zurück. "All das kommt daher, dass sich meine Freunde in der Regierung an diplomatische Winkelzüge gewöhnt haben. Und wenn ich schlicht die Wahrheit sage, meinen sie: Wie geschickt der Mann doch ist."

Die Qual der Wahl

Zum Konklave nach dem Tod des Asketen Pius XII. hielt man im Vatikan kein Gewand für eine gedrungene Statur wie die Roncallis bereit – worauf dieser in seinem Behelfsgewand gestöhnt haben soll: "Alle wollten mich, nur der Schneider nicht."

Nur Stellvertreter

Der Papst besuchte das römische Ordenskrankenhaus "Zum Heiligen Geist". Die Leiterin stellte sich artig vor und sagte: "Heiliger Vater, ich bin die Oberin vom 'Heiligen Geist'". Darauf der Papst: "Da haben Sie aber Glück! Ich bin nur der Stellvertreter Christi auf Erden."

Vorzeigbar

Johannes XXIII. spazierte gern spontan in den Vatikanischen Gärten, so dass die Kuppel des Petersdoms nicht rechtzeitig für Besucher gesperrt werden konnte. "Warum die Kuppel sperren?" fragte der Papst. – "Weil all die Leute Sie sehen könnten, Heiligkeit." Johannes XXIII. stutzte und versicherte den besorgten Beamten: "Keine Sorge – ich verspreche, nichts Anstößiges zu tun."

"Josef, euer Bruder"

Besonders lag dem Papst die Aussöhnung mit dem Judentum am Herzen. Eine jüdische Delegation besuchte den Vatikan, und Johannes ging freudig auf sie zu, das Zeremoniell missachtend, gab ihnen die Hand und sagte: "Herzlich willkommen. Ich bin Josef, euer Bruder." Eine Anspielung nicht nur auf seinen eigenen Vornamen Giuseppe, sondern vor allem auf die biblische Geschichte, in der sich der lange verschollen geglaubte Josef in Ägypten seinen Brüdern mit diesen Worten zu erkennen gibt.

Andachtsbildchen

Roncalli zeigte sich Zeit seines Lebens großzügig gegenüber kleinen Leuten und den eigenen Mitarbeitern. Sein Sekretär versuchte, die Freigiebigkeit in geordnete Bahnen zu lenken. Und so sagte der Papst zuweilen zu Capovilla, ohne das Wort "Trinkgeld" zu verwenden: "Geben Sie dem Mann ein Andachtsbildchen – aber eines, mit denen man seiner Frau einen Strauß Blumen kaufen kann."

Rückkehr zu Maria

Unmittelbar vor Beginn des Konzils reiste Johannes XXIII. in den Wallfahrtsort Loreto – die erste Zugfahrt eines Papstes seit vielenJahrzehnten. Er wollte dort für das Gelingen der Kirchenversammlung beten – und zugleich ein 62 Jahre altes Gelübde brechen. Im Jahr 1900 war Roncalli als junger Seminarist nach Loreto gepilgert, dort aber von Freimaurern so übel geschmäht worden, dass er abends empört in sein Tagebuch schrieb: "Gebenedeite Madonna von Loreto! Ich verehre und liebe dich von Herzen. Ich will auch versprechen, dir als guter Seminarist in Rom immer treu zu sein. Allerdings bedauere ich, dir sagen zu müssen, dass du mich hier nie wieder sehen wirst."

Der Papst und die Anekdoten

Dem Papst wurde ein Anekdotenband über ihn geschenkt. Später befragt, ob ihm die Lektüre Freude bereitet habe, antwortete er: "Doch, sicher – aber ich kannte sie schon von Benedikt XV. und Pius IX."

Ausgeschlafen

Ein neu geweihter Bischof klagte Johannes XXIII., dass ihm die Last seines Amtes den Schlaf raube. Der beruhigte ihn und sagte, das sei ihm nach seiner Papstwahl auch so gegangen. Doch dann sei ihm sein Schutzengel im Schlaf erschienen und habe ihn gefragt: "Wer regiert denn die Kirche: du oder der Heilige Geist? Angelo, nimm dich nicht so wichtig." Seitdem, so der Papst, "schlafe ich wieder".

Mit Maß

Im Zuge des Konzils las Johannes XXIII. einen Entwurf der Kurie für ein Dokument, das besonders scharf gegen moderne theologische Strömungen zu Felde zog. Der Papst nahm ein Lineal zur Hand und sagte zu seinem Sekretär: "Schauen Sie: 30 Zentimeter Verurteilungen."

Quelle:
KNA