US-Bischöfe zum Pflichtbesuch beim Papst

"Amerikanische Wochen" im Vatikan

Es sei eine Ehre, wenn die Amerikaner ihn angriffen, so Franziskus einmal flapsig. Derzeit haben beide Seiten die Ehre, sich besser kennenzulernen: Fast 470 US-Bischöfe pilgern gruppenweise an die Gräber der Apostel in Rom.

Autor/in:
Roland Juchem
Papst Franziskus und US-amerikanische Bischöfe / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Papst Franziskus und US-amerikanische Bischöfe / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )

Im Vatikan haben dieser Tage "amerikanische Wochen" begonnen. Bis Mitte Februar werden mit Ausnahme der engeren Weihnachtszeit 15 Gruppen katholischer Bischöfe aus den USA anreisen, um Papst und Kurie zu berichten. Den Auftakt machten vergangene Woche die Bischöfe aus Neu-England um Bostons Erzbischof Kardinal Sean O'Malley.

Zuletzt waren die US-Bischöfe 2011/2012 bei Benedikt XVI. Doch allein, was in den 18 Monaten der engeren Vorbereitung auf die Ad-limina-Besuche in USA und der Weltkirche geschehen ist, liefert Stoff für ausgiebigste Beratungen. 

Das Hin und Her zwischen der US-Bischofskonferenz (USCCB) und dem Vatikan zum Kampf gegen Missbrauch und Vertuschung, politische Entwicklungen in USA insbesondere um das Thema Migration, Franziskus' salopper Satz: "Es ist eine Ehre, wenn die Amerikaner mich angreifen" sowie anhaltende Skepsis in der weltweit drittgrößten Bischofskonferenz gegenüber dem Papst aus Argentinien.

Papst nimmt sich Zeit für Gespräche

Erstmals logieren die Amerikaner nicht im eigenen Haus, dem noblen North American College auf dem Gianicolo-Hügel, sondern im nüchtern-schlichten Gästehaus Santa Marta. Dort wohnt bekanntlich auch Franziskus. Die eine oder andere Begegnung am Frühstücksbuffet oder in der Mittagskantine könnte dem besseren Kennenlernen dienen.

Dass dies möglich scheint, twitterte begeistert Bischof Frank Caggiano aus Bridgeport: Anfangs sei er sehr nervös gewesen. "Nach wenigen Minuten aber merkte ich: Ich saß vor einem geistlichen Vater, der keine andere Agenda hatte, als uns bei unserer Aufgabe zu helfen." Er habe ihnen sogar gesagt, wo die Toiletten sind, verriet Caggiano.

Für die Gespräche nimmt der Papst sich zweieinhalb Stunden Zeit, mehr als sonst oft üblich. Das mag auch dem Dolmetscher geschuldet sein; Franziskus spricht und versteht nur wenig Englisch. Man sitzt im Halbkreis, der Papst mittendrin. Nach einer kurzen Vorstellrunde werden Fragen gestellt, persönliche Erfahrungen ausgetauscht und wird dem Rat des Papstes gelauscht.

Gespanntes Verhältnis?

Dass der auch harsch sein kann, wurde dieser Tage durch das Buch des britischen Vatikan-Experten Austen Ivereigh bekannt. Bei einem Treffen mit der USCCB-Spitze im September 2018, als es um Missbrauch, Vertuschung und die Wiedergewinnung von Glaubwürdigkeit ging, soll Franziskus gesagt haben: "Euch fehlt es an Glaubwürdigkeit, weil ihr gespalten seid." 

Zudem riet er den verblüfften Bischöfen um Kardinal Daniel DiNardo, ihre für November geplante Vollversammlung abzublasen und sich stattdessen in gemeinsame Exerzitien zu begeben. Zum öffentlichen Affront kam es, als DiNardo bei der nicht abgesagten Vollversammlung verkünden musste, auf Drängen des Vatikan werde man nicht wie geplant über verschärfte Maßnahmen gegen mangelnde bischöfliche Aufsicht abstimmen. 

Was die US-Experten ausgearbeitet hatten, widerspreche in Teilen dem allgemeinen Kirchenrecht, ließ Kurienkardinal Marc Ouellet seine Amtsbrüder wissen. Zudem sollten sie abwarten, was beim Anti-Missbrauchsgipfel im Februar 2019 im Vatikan herauskomme.

Ivereigh deutet das damals geplante Vorgehen der USCCB-Spitze auch als Affront gegen den Papst. Diesen habe man, getrieben vom öffentlichen Druck und aus PR-Gründen, vor vollendete Tatsachen stellen wollen. Eine Deutung, die ein Konferenz-Sprecher umgehend zurückwies. Aber auch andere Medienmeldungen sorgen für schräge Begleitmusik der US-Besuche in Rom.

Thema McCarrick

Es geht wieder einmal um Ex-Kardinal Theodore McCarrick, um Spendenanträge der Kurie bei der "Papal-Foundation" zur Finanzierung dubiöser Sanierungsmaßnahmen, um Carlo Maria Vigano, den früheren US-Nuntius. 

Zudem brachte die "New York Times" am Wochenende ein ausführliches Interview mit US-Kurienkardinal Raymond Burke, in dem dieser noch einmal seine Bedenken gegenüber Franziskus formuliert. Eine Reihe von US-Bischöfen dürfte Burkes Bedenken teilen.

Um Gräben theologischer Auffassung und kultureller Mentalität zum Papst wie innerhalb der Bischofskonferenz zu schließen, könnte kommende Woche bei der Vollversammlung in Baltimore erstmals ein Latino zum neuen Vorsitzenden gewählt werden: Los Angeles' Erzbischof Jose Horacio Gomez. Geboren in Mexiko und Mitglied des Opus Dei wäre er jemand, der vermitteln könnte.

Unter den Namen möglicher Kandidaten für Vorstandsaufgaben fehlen indes profilierte Franziskus-Leute: etwa die Kardinäle Blase Cupich aus Chicago und Joseph Tobin aus Newark. Weil die Hirten der acht New Yorker Diözesen kommende Woche in Rom weilen, werden sie aus der Ferne an den Personalwahlen in Baltimore teilnehmen.

Päpstliche Kinderschutzkommission

Stattdessen begeben sie sich zumindest zu den vorgesehenen Ad-limina-Pflichtgesprächen: zu den Kongregationen für die Glaubenslehre, für die Bischöfe, den Klerus und Erziehung. Neu im Pflichtprogramm ist die Päpstliche Kinderschutzkommission. Bei diesem Thema indes hätte die Kurie sicher Gelegenheit, von den Erfahrungen der US-Kirche zu lernen.

Der Papst selber, so ist zu hören, habe sich dieses Mal nicht nur mittels der offiziellen Dossiers auf seine Gespräche vorbereitet. Er habe sich bei Vertrauten in den USA eigens erkundigt, was er sagen solle. Dienen Ad-limina-Besuche doch dem Verständnis auf beiden Seiten der Schwellen der Apostelgräber.

Ad-limina-Besuch

Alle fünf bis sieben Jahre sind die katholischen Bischöfe aus aller Welt laut dem Kirchenrecht zu einem sogenannten Ad-limina-Besuch im Vatikan verpflichtet. Zweck ist es, dass die Bischöfe eines Landes den Papst über die jeweilige Situation in ihren Diözesen informieren.

Deutsche Bischöfe / © Julia Steinbrecht (KNA)
Deutsche Bischöfe / © Julia Steinbrecht ( KNA )
Quelle:
KNA