Amalfi gibt eine Andreas-Reliquie an Konstantinopel zurück

Ökumene der Gesten

Ökumene vollzieht sich nicht nur in großen Dokumenten und Konferenzen. Dass kleine Gesten oft viel mehr in den Köpfen und Herzen bewegen können, haben Päpste wie Paul VI. und Johannes Paul II. oft gezeigt.

 (DR)

Am Wochenende, am Rande des kirchlichen Friedenstreffens in Neapel, steht wieder eine solche Geste an. In einem feierlichen Gottesdienst gibt die Gemeinde von Amalfi eine Reliquie des heiligen Andreas an den Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, Bartholomaios I., zurück.

Ziemlich genau 800 Jahre ist es her, dass die Gebeine des Apostels den umgekehrten Weg nahmen. Andreas, im griechischen Patras als Märtyrer gestorben, wurde im vierten Jahrhundert in die Reichshauptstadt Konstantinopel als dem würdigsten Aufbewahrungsort überführt. Und vom verhängnisvollen Vierten Kreuzzug, dem 1203/1204 das christliche Konstantinopel zum Opfer fiel, brachte Kardinal Petrus von Capua den Leichnam des Heiligen mit - um ihn vor den Muslimen in Sicherheit zu bringen, so die offizielle Begründung.

Am 8. Mai 1208 fanden die Gebeine des älteren Petrus-Bruders im Dom von Amalfi eine neue Ruhestätte; die bevorstehenden 800-Jahr-Feiern sind auch ein Anlass für das Geschenk an Bartholomaios I. Die vordere Kopfpartie des Heiligen befindet sich schon wieder in orthodoxem Besitz. Sie wurde 1462 abgetrennt und in den Vatikan transferiert - als Vorsichtsmaßnahme, damit im Fall einer Plünderung der Stadt nicht der ganze Patron verloren gehe. Diese Reliquie übereignete Paul VI. bereits 1964 als konziliaren Akt der Ökumene der griechisch-orthodoxen Kirche von Patras.

Die in der Krypta von Sant' Andrea in Amalfi verbliebenen Gebeine schwitzen alljährlich am 29. November eine ölige, angeblich wundertätige Flüssigkeit aus, im Volksmund "Manna des heiligen Andreas" genannt. Der Dom ist auch Ausgangs- und Schlusspunkt für ein Brauchtumsspektakel besonderer Art. Auch wenn die Überführung der Reliquien für den 9. Mai, das Mannawunder auf den 29.
November und der Festtag des Heiligen im Kirchenjahr auf den 30.
November festgelegt sind, feiern die Amalfitaner "ihren" Andreas am 27. Juni. Denn an diesem Tag im Jahr 1544 soll er es gewesen sein, der die Stadt aus den Fängen des Freibeuters Kairud-Din, auch Ariadeno Barbarossa genannt, befreit haben soll.

Mit Festkomitee, Blaskapellen und einem pompösen Umzug gedenkt Amalfi bis heute dieser wundersamen Rettung. Unter Jubel, Böllerschüssen und heftigem Glockengeläut wuchtet ein Dutzend erprobter Männer die 800 Kilo schwere Silberbüste die 62 Stufen hinab. Fast eineinhalb Stunden dauert der Zug bis hinunter zum Strand, wo die Fischerboote des Ortes den symbolischen Segen des Heiligen erhalten.

Die Reliquien sind der ganze Stolz des verschlafenen Küstenstädtchens zwischen Sorrent und Salerno mit seinen heute rund 6.500 Einwohnern. Einst war Amalfi einmal eine Supermacht des Mittelmeeres. Zwischen etwa 950 und 1073 war es die erste der vier italischen Seerepubliken, die die byzantinische Herrschaft abschüttelte mit überlegener Flotte, kluger Diplomatie und weit verzweigten Handelsbeziehungen bis nach Byzanz, in den Orient und die Levante.

Doch die Blüte war kurz. Schon Mitte des elften Jahrhunderts sank Amalfis Stern. Andere Seerepubliken nahmen ihren Platz ein: Pisa, Genua, schließlich Venedig. Dass es nach seinem Abstieg aus der Erstklassigkeit dennoch eine stolze und lange Zeit auch wohlhabende Stadt blieb, verdankte Amalfi auch dem unrühmlichen Diebstahl von 1208. Woher nun also der Sinneswandel?

Die Idee, einen Teil der verehrten Reliquie zu verschenken, entstand nach Aussage von Bischofssekretär Giacchino Lanzillo in der Diözese selbst. Die Gläubigen seien glücklich, ein Opfer für die Ökumene bringen zu können. Katholiken und Orthodoxe dürften sich nun noch mehr als geeinte Familie fühlen, da sie einen großen Patron teilen - buchstäblich. Allerdings räumte Lanzillo ein, man werde dem Patriarchen nur eine kleine Reliquie übergeben, in einem kostbaren Schaugefäß aus Silber. Der Verlust wird also zu verschmerzen sein. Aber in der Ökumene zählen eben auch die kleinen Gesten.

Von den KNA-Redakteuren Alexander Brüggemann und Burkhard Jürgens