Am Sonntag sollen die Rebellen im Kongo ihre Waffen abgeben

Der verfluchte Frieden

Seit mehr als einem Jahrzehnt leiden die Menschen im Kongo unter Konflikten und Kriegen. Daran wird wohl auch das "Abkommen von Nairobi" wenig ändern: Am Sonntag läuft ein Ultimatum ab, das unter anderem auf die Entwaffnung der Hutu-Milizen im Land abzielt.

Autor/in:
Joachim Heinz
 (DR)

Vor kurzem erst sind sie wieder gekommen. Eine Gruppe bewaffneter Männer, am hellichten Tag. Ihre Attacke galt dem Flüchtlingscamp Kinyandoni im Osten der Demokratischen Republik Kongo. Rund 5.000 Menschen leben dort, betreut von Mitarbeitern des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen UNHCR sowie kleinerer Partnerorganisationen. Nachdem die Milizen den Helfern Handys und Bargeld abgenommen hatten, begannen sie plötzlich, auf eine Gruppe spielender Kinder zu schießen. Die Bilanz des "Zwischenfalls": neun Tote und zahlreiche Verletzte. Zu wenig, um es in die internationalen Schlagzeilen zu schaffen. Zu viel, um die Illusion eines baldigen Friedens in den beiden Provinzen Nord- und Süd-Kivu zu nähren.

Seit mehr als einem Jahrzehnt leidet die Region der Großen Seen unter Konflikten und Kriegen. Daran dürfte nach Einschätzung westlicher Beobachter auch das "Abkommen von Nairobi" zwischen dem Kongo und seinem östlichen Nachbarn Ruanda vorerst wenig ändern. An diesem Sonntag läuft ein Ultimatum ab, das unter anderem auf die Entwaffnung der FDLR (Forces Democratiques de Liberation du Rwanda) abzielt. Die Hutu-Milizen der FDLR werden für den Überfall auf das Lager von Kinyandoni verantwortlich gemacht. Und für den Völkermord an der Tutsi-Minderheit in Ruanda.

Komplexe Gemengelage
Dem Genozid von 1994 sollen bis zu eine Million Menschen zum Opfer gefallen sein. Die blutigen Unruhen machten vor staatlichen Grenzen nicht halt und griffen unter anderem auf den Kongo über, wo ebenfalls Angehörige der beiden verfeindeten Völker siedeln. Die Folgen hat das Land bis heute nicht verwunden. Allein in den beiden besonders betroffenen Kivu-Provinzen leben schätzungsweise 1,6 Millionen Binnenflüchtlinge. Zugleich sind dort außer der FDLR zahlreiche weitere Rebellengruppen aktiv, die teilweise von Uganda und Burundi aus gesteuert werden.

Laut Afrika-Experte Helmut Asche lässt sich die "komplexe Gemengelage" im wesentlichen auf zwei Faktoren reduzieren: den Kampf um Land und den Handel mit Rohstoffen. Aufgrund der Vielzahl an Konfliktparteien plädiert der geschäftsführende Direktor des Instituts für Afrikanistik an der Universität Leipzig für ein dezentrales Krisenmanagement. Solche Ansätze habe man bislang vernachlässigt, kritisiert er. Vielleicht, weil einzelne Staaten wie Frankreich, Großbritannien, die USA oder auch China eigene Interessen in der Region verfolgen. "Warum", so fragt Asche, "übernimmt nicht beispielsweise Deutschland eine Patenschaft über die Kivu-Provinzen?"

Weiter Weg
Unabhängige Vermittler sind auch direkt vor Ort gefragt, wie das von der internationalen Staatengemeinschaft geförderte "Programme Amani" zeigt. Leiter der Versöhnungsinitiative ist der kongolesische Menschenrechtler Apollinaire Muholongu Malumalu. Unter dem Motto "sehen, urteilen, handeln" treffen sich seit kurzem Regierung und Rebellen am Verhandlungstisch, um in den kommenden sechs Monaten einen Stabilitätsplan für die Kivu-Provinzen zu erarbeiten. Dabei, so betont der 47-jährige katholische Geistliche, könnte auch die Kirche eine wichtige Rolle spielen. Sie verfüge mit ihren Pfarreien über geeignete Strukturen, um die zentralen Anliegen der Initiative umzusetzen.

Doch bis dahin ist der Weg noch weit, weiß auch Christof Ruhmich, Projektleiter von Malteser International im Süd-Kivu. Das katholische Hilfswerk gehört zu den wenigen Hilfsorganisationen, die seit Jahren in den schwer zugänglichen Gebieten der Krisenregion tätig sind. 2,8 Millionen Menschen haben seit 2004 von der Arbeit der Helfer profitiert. Ruhmich befürchtet, dass es noch mehr werden könnten - vor allem dann, wenn es nach dem Ultimatum vom Sonntag zu neuen Spannungen kommt. Ein Erfolg wäre schon, wenn die Attacken auf die Zivilbevölkerung endlich spürbar zurückgingen.