Pflege-Studie: Zu wenig Personal und Angst vor Infektionen

Am Limit

Altenpflegekräfte stehen seit Beginn der Pandemie besonders im Fokus der Öffentlichkeit. Nicht immer aufgrund der Leistungen, die sie erbringen. Vielfach sind es Vorurteile und Mängel, mit denen die Branche kämpft.

Autor/in:
Anna Mertens
Altenpflege in Corona-Zeiten / © Olena Yakobchuk (shutterstock)
Altenpflege in Corona-Zeiten / © Olena Yakobchuk ( shutterstock )

Angela Noack spricht es offen an. Die Pflegedienstleiterin in der Diakonissenanstalt Emmaus in der Oberlausitz hat in den vergangenen Monaten Unvorstellbares erlebt. Die Corona-Pandemie sei nicht nur eine extreme Herausforderung für Pflegekräfte und Heimbewohner; auch Mitarbeiter und sogar deren Angehörige würden mit Vorurteilen und größter Skepsis behandelt. In ihrem Heim seien viele Bewohner an Covid-19 gestorben. Und immer sei die Schuldfrage mitgeschwungen, wer das tödliche Virus eingeschleppt habe.

Eine Belastungsprobe

Für Pflegekräfte ist die Corona-Pandemie eine Belastungsprobe. 85 Prozent der Beschäftigten in den Einrichtungen der Altenhilfe empfinden sie als große Belastung. Zu diesem Ergebnis kommt eine am Mittwoch veröffentlichte repräsentative Umfrage der Diakonie und midi, der Zukunftswerkstatt von Diakonie und der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), unter Diakonie-Mitarbeitenden in der Altenhilfe. Dabei treibt die Mitarbeitenden vor allem die Sorge um, sie könnten die ihnen anvertrauten Menschen, Familie oder ihre Freunde anstecken. Ihr eigenes Risiko spielt eine deutlich geringere Rolle.

An der Erhebung nahmen 1.735 Mitarbeitende in stationären, teilstationären Einrichtungen, ambulanten Diensten und Hospizen der Diakonie bundesweit vom 2. bis 30. Oktober teil. Die Diakonie Deutschland ist für die Sozialarbeit der evangelischen Kirchen zuständig - mit fast 600.000 hauptamtlichen Mitarbeitern in über 30.000 ambulanten und stationären Diensten in Pflegeheimen und Krankenhäusern. 60 Prozent der Befragten lassen sich dabei dem stationären Bereich der Altenhilfe, 28 Prozent den ambulanten Diensten, sieben Prozent dem teilstationären Bereich und fünf Prozent den Hospizen zuordnen.

Forderung nach Verbesserungen der Arbeitsbedingungen

Besonders der Personalmangel ist dabei für die Befragten ein großes und wachsendes Problem. Zwei Drittel gaben an, dass der durch Corona bedingte Personalausfall nur durch Mehrarbeit und eine Umverteilung von Personal innerhalb ihrer Einrichtung kompensiert werden kann. Rund zwei Drittel der Befragten fordern daher strukturelle Verbesserungen der Arbeitsbedingungen und Bezahlung - akut und langfristig.

Für Diakonie-Präsident Ulrich Lilie ist es längst fünf nach zwölf: Es brauche eine Pflegereform, gute Arbeitsbedingungen und verlässliche Personalschlüssel. Das Anwerben von Pflegekräften im Ausland sei ein Element, aber keine Lösung des Problem. Die Arbeitsbedingungen hätten sich in der Pandemie zudem weiter verschlechtert. "Die Menschen sind müde, zum Teil richtig sauer", viele fühlten sich überfordert. Lilie forderte auch verstärkte Anstrengungen bei der Testung von Pflegebedürftigen und Pflegepersonal.

Probleme mit der Schutzausrüstung

Im Frühjahr war der Mangel an Schutzausrüstung nach Aussage der Pflegenden das größte Problem. Ein Viertel der Befragten gab an, dass Kollegen mit Corona infiziert waren. 70 Prozent zufolge mussten Kollegen in ihrer Einrichtung wegen eines Corona-Verdachts in Quarantäne, was die Personallage zusätzlich erschwerte. Pflegedienstleiterin Noack berichtet zugleich, dass die Schutzausrüstung Fluch und Segen sei. Das Arbeiten in einer vollen Schutzmontur sei enorm anstrengend. "Mitarbeitern floss der Schweiß aus den Ärmeln." Für die Pflegebedürftigen sei es zudem nicht einfach, wenn die Betreuungsperson vermummt vor sie trete. Manche hätten Angst bekommen.

Die Pflegenden und Bewohner sehen sich der Studie zufolge seit Ausbruch der Pandemie - trotz aller Widrigkeiten - als "Schicksalsgemeinschaft". So gaben 63 Prozent der Befragten an, dass der Austausch untereinander intensiver war als vor der Pandemie, obgleich weniger Zeit zur Verfügung stand. Zugleich gaben 61 Prozent der Mitarbeitenden an, dass ihre Familie durch ihre berufliche Tätigkeit Nachteile in Kauf nehmen musste. Für die weite Mehrheit war dabei der Austausch mit der Familie und dem Partner eine große Stütze in dieser Zeit.


Diakonie-Präsident Lilie / © Norbert Neetz (epd)
Diakonie-Präsident Lilie / © Norbert Neetz ( epd )
Quelle:
KNA
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