Am 1. April darf hemmungslos gelogen werden

"April, April"

Von der Schummelei bei der Steuererklärung bis zur Korruption - immer wieder lügen Menschen, um sich Vorteile zu verschaffen. Aprilscherze sind meist harmloser. Seit wann es dieses Brauchtum gibt, ist unklar.

Am 01. April jemanden "in den April schicken" (KNA)
Am 01. April jemanden "in den April schicken" / ( KNA )

Lügen haben kurze Beine, sagt der Volksmund. Lügen ist eine Sünde, sagt die Kirche. Für die diesjährige Fastenzeit hat die evangelische Aktion "Sieben Wochen ohne" zum bewussten Verzicht auf Lügen aufgerufen - eine fast unmögliche Aufgabe, wenn Wissenschaftler Recht haben mit der Beobachtung, dass Menschen bis zu 200 mal am Tag lügen.

Doch einmal im Jahr gibt es eine Ausnahme: Am 1. April darf offensiv gelogen werden. Mit mehr oder weniger lustigen Falschmeldungen und Täuschungen schicken Menschen einander in den April und testen, was ihre Mitmenschen bereit sind zu glauben.

Das ganze Jahr 1. April?

Doch in Zeiten von "Fake News", Shitstorms und Debatten um "Political Correctness" hat der Schabernack an Humorwert verloren. Bei denen, die bewusst gefälschte Nachrichten verbreiteten, sei gewissermaßen das ganze Jahr über 1. April, meint der Bayreuther Soziologe Georg Kamphausen.

Eine starke Veränderung der Scherzkultur sieht der Regensburger Volkskundler Gunther Hirschfelder. Mit platter Comedy und zotigen Witzchen werde die Gesellschaft heutzutage praktisch rund um die Uhr überfüttert. "Wir haben den Humor an die Medien delegiert", sagt er. Das private Verulken sei aus der Mode gekommen.

Studie: Männer lügen mehr als Frauen

Für den Hamburger Psychologen Philipp Gerlach gibt es große Unterschiede zwischen Aprilscherzen und Lügen. Zum einen stehe am 1. April nicht der persönliche Profit, sondern die Schadenfreude im Vordergrund, erklärt der Dozent an der Hochschule Fresenius in Hamburg. Zudem würden Aprilscherze vom Lügner selbst aufgelöst ("April, April"). "Eine solche Auflösung geschieht bei den üblichen Lügen meist nicht durch den Lügner selbst und eher unfreiwillig."

Gerlach war Mitautor einer Studie des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung in Berlin und israelischer Wissenschaftler mit über 44.000 Teilnehmern und vielen Experimenten. Dabei haben die Autoren herausgefunden, dass Männer tendenziell mehr lügen als Frauen. Oft aus Höflichkeit und aus Diplomatie, was Gerlach als "weiße Lügen" bezeichnet. Aber auch, weil sie sich Vorteile verschaffen wollen; das sind dann "schwarze Lügen".

Redensart gibt es wohl seit 1618

Der Brauch des "in den April Schickens" fällt da heraus. Verbreitet ist er vor allem in christlich geprägten Ländern und in Indien. Im Islam und im Judentum gibt es keine solche Tradition. Wissenschaftlich gesichert ist, dass die Redensart "in den April schicken" 1618 in Bayern erstmals auftaucht.

Volkskundler sehen mehrere mögliche Ursprünge für die Tradition, die den vom Wetter her oft launischen April einleitet: So sollen die Römer am 1. April zu Ehren der Venus rauschende Feste gefeiert haben, derbe Scherze inklusive.

Auch das Herumschicken Jesu nach seiner Verhaftung "von Pontius zu Pilatus" soll am 1. April stattgefunden habe.

1. April als Geburtstag Judas

Der Tag habe frühen Christen auch als der Geburtstag des Judas gegolten, schreibt der Theologe und Brauchtumsforscher Manfred Becker-Huberti. Er sieht zudem Zusammenhänge mit dem germanischen Frühjahrsbrauchtum: Bei den Germanen habe der in den April geschickte Narr den machtlosen Winter verkörpert, der geneckt wurde, damit er sich möglichst schnell verzieht.

Als besonders plausibel gilt unter Volkskundlern aber die Theorie, dass der 1. April auf das Pech von Spekulanten im Jahr 1530 zurückgeht. Auf dem Reichstag zu Augsburg wollte Kaiser Karl V.

während einer Finanzkrise das Münzwesen neu regeln. Zahlreiche Spekulanten investierten daraufhin ihr Erspartes in der Hoffnung, am sogenannten Münztag große Gewinne zu erzielen. Als dieser dann aber gar nicht wie vorgesehen am 1. April stattfand, verloren sie ihr Geld und wurden zudem noch als "Narren" ausgelacht.

Vielleicht ist Karl IX. Schuld

Eine weitere, häufig angeführte Erklärung ist nach Darstellung Hirschfelders die Durchführung einer Kalenderreform in Frankreich in der Mitte des 16. Jahrhunderts. Karl IX. von Frankreich verlegte demnach 1564 den Jahreswechsel, der bis dahin am 1. April stattfand, auf den 1. Januar. Damit brachte er nicht nur die Tradition durcheinander, am 1. April Geschenke zu verteilen, sondern narrte auch diejenigen, die der neuen Regel nicht folgen wollten oder aus Unwissen weiterhin am 1. April Neujahr feierten.


Papst Franziskus scherzt mit einem Paar am Ende seiner wöchentlichen Generalaudienz / © Osservatore Romano (dpa)
Papst Franziskus scherzt mit einem Paar am Ende seiner wöchentlichen Generalaudienz / © Osservatore Romano ( dpa )

Was den Papst wohl so erheitert? / © Evandro Inetti (dpa)
Was den Papst wohl so erheitert? / © Evandro Inetti ( dpa )
Quelle:
KNA