Altenheim-Seelsorger sieht Senioren an der Kirche zweifeln

“Das erfüllt schon mit Schmerz“

Die Kirchenkrise nimmt immer größere Dimensionen an. Die Austrittszahlen sind so hoch wie nie. Selbst fest verwurzelte Katholiken kehren ihrer Kirche den Rücken. Sogar die Älteren hadern, berichtet Pastoralreferent Elmar Trapp.

 © Harald Oppitz (KNA)
© Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Sie sind viel unterwegs und besuchen ältere Menschen in den Altenheimen. Was bekommen Sie da zurzeit mit?

Elmar Trapp (Pastoralreferent und Beauftragter für Altenheimseelsorge im Dekanat Köln): Ich bekomme mit, dass die Menschen in den Heimen genauso fassungslos und entsetzt sind wie viele andere, wie ich selbst natürlich auch. Teilweise sind sie schlicht und ergreifend verzweifelt über das was da passiert, von dem was sie mitkriegen und was da aufgedeckt wird.

Elmar Trapp / © Chrobok (Erzbistum Köln)

Eine Frau hat das neulich auf den Punkt gebracht. Die Menschen docken mit dem an, was sie früher selbst in Kirche erlebt haben, erinnern sich an ihre rigide katholische Erziehung. Viele sagen mir: "Mit dieser Kirche habe ich gebrochen. Das kann ich nicht mehr nachvollziehen. Da läuft einiges schief und ich möchte damit nichts mehr zu tun haben."

So etwas zu hören, erfüllt eigentlich schon mit Schmerz und lässt einen manchmal auch verbittert zurück.

DOMRADIO.DE: Was fasst die Menschen, mit denen sie zu tun haben, denn besonders an?

Trapp: Das ist eine gute Frage. Erst mal ist der Missbrauch als solcher nicht zu greifen. Das kann man fast gar nicht fassen, nicht nachvollziehen. Für den normalen Menschen ist das irgendwo nicht verstehbar.

Eine andere Sache ist dann aber der Umgang. Das ist auch das, was über die Medien rüberkommt, was berichtet und kommentiert wird und worüber dann vielleicht auch von oder mit den Angehörigen gesprochen wird. Der Eindruck ist, dass die Konsequenzen fehlen und es kommt so rüber, dass wir als Kirche nicht zu dem stehen, was wir da verbockt haben beziehungsweise was vertuscht worden ist. Es ist eben noch nicht gescheit aufgearbeitet.

Die bisherigen Konsequenzen kommen nicht rüber und das lässt die Leute verzweifeln. Die denken: "Meine Güte, ich habe so lange der Kirche die Treue gehalten. Ich bin so intensiv dabei gewesen. Mir war der Glauben wichtig, aber da kann ich nicht mehr mitmachen."

DOMRADIO.DE: Religion und der eigene Glauben sind etwas zutiefst Persönliches. Wenn die sich die Leute im Gespräch ihnen gegenüber so öffnen, wie reagieren Sie darauf?

Trapp: Mittlerweile anders als noch vor ein paar Jahren. Ich hatte da ein einschneidendes Erlebnis. Ein schwer dementer Mann, den ich besucht habe, hat auf meine Vorstellung als Pfarrer der katholischen Kirche spontan mit dem Satz reagiert: "Der Pfarrer hat mich immer geschlagen." Ich war so, so perplex, dass ich dann gar nichts mehr sagen konnte.

Mittlerweile kann ich darauf versuchen einzugehen. Die Menschen, mit denen ich zu tun habe, sind überwiegend Menschen, die noch an der Kirche orientiert sind. Heute versuche ich erst einmal zuzuhören. Ganz einfach zuhören, da bleiben, nicht flüchten und mit denen ins Gespräch zu kommen.

Danach sage ich dann: "Ja, da müssen wir ran. Wir müssen darüber reden. Wir müssen aufdecken." Was auch immer das heißt. Wir müssen die entsprechenden Konsequenzen ziehen. Aber da habe ich natürlich auch keine Patentlösung. Ich versuche, mit den Leuten im Gespräch zu bleiben und ihnen weiterhin meine Besuche anzubieten. Ich bedanke mich natürlich auch dafür, dass die Menschen mir solche persönlichen Dinge anvertrauen.

DOMRADIO.DE: Haben Sie trotz alledem noch Argumente für die Menschen, um auch etwas Gutes in dieser Kirche zu sehen?

Trapp: Unbedingt, allein die Frohe Botschaft. Die ist nun mal etwas fantastisch Gutes. Damit kann ich schon bei den Menschen bleiben, um sie eben als solche, als Menschen zu sehen. Ich erkläre dann, dass ich da bin, weil ich sie als Menschen sehen möchte, sie besuchen möchte, sie wertschätzen möchte. Ich als Seelsorger, wir als Seelsorgerinnen und Seelsorger möchten ihnen mit unserem Dasein ausdrücken, dass sie wertvoll sind, geliebt sind, Gottes Kind sind. Das versuche ich mit meinem bescheidenen Beitrag rüberzubringen.

Wenn das gelingt, dann bekomme ich in diese Spannung vielleicht so eine kleine Balance in diese Ambivalenz rein: Einerseits Gottes geliebtes Kind, andererseits verzweifelt von dem, was die Realität abbildet.

Das Interview führte Martin Mölder.

Das Erzbistum Köln

Ende 2021 gehörten 1.805.430 Katholiken zum Erzbistum Köln. Das sind 63.137 weniger als im Jahr davor. Der Rückgang setzt sich im Vergleich zum Corona-Jahr 2020 zusammen aus 40.772 Kirchenaustritten (2020: 17.281) sowie der Differenz zwischen den Sterbefällen (27.503) und den Taufen (10.286), die gegenüber 2020 (7.845) angestiegen sind. 

Blick auf den Kölner Dom / © Harald Oppitz (KNA)
Blick auf den Kölner Dom / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
DR