Ethiker zu Corona-Tests und Kosten nach Reisen in Risikogebiete

"Alarmstufe Dunkelgelb"

Sollen Reisende, die aus Risikogebieten zurückkehren, Corona-Tests machen müssen? Und wer trägt die Kosten? Der Ethikexperte Peter Dabrock mahnt zu einer differenzierten Sichtweise.

Coronatest in einer Corona-Teststation für Urlaubsrückkehrer / © Jan Woitas (dpa)
Coronatest in einer Corona-Teststation für Urlaubsrückkehrer / © Jan Woitas ( dpa )

Auf der Liste stehen momentan Staaten wie Afghanistan, Argentinien, Israel, Luxemburg, Südafrika, Türkei, USA und die Zentralafrikanische Republik. Das Robert-Koch-Institut veröffentlicht regelmäßig eine Übersicht zu internationalen Risikogebieten, in denen eine erhöhte Gefahr für eine Infektion mit dem Coronavirus besteht.
Die Liste spielt eine Rolle für Menschen mit Urlaubsplänen. Und auch in der aktuellen Diskussion über verpflichtende Corona-Tests für Rückkehrer aus Risikogebieten und mögliche Kosten dafür.

Es geht also darum, ob ein Test für Rückkehrer aus den etwa 130 Staaten weltweit, die derzeit als Risikogebiete ausgewiesen sind, verpflichtend sein darf. Und zusätzlich steht die Frage im Raum, ob die Tests an Flug- und Seehäfen für Reisende kostenlos sein oder von den Betroffenen übernommen werden sollen.

Verhältnis zwischen Gemeinwohl und individueller Freiheit

Erneut tritt in der Pandemie das Spannungsverhältnis zwischen Gemeinwohl und individueller Freiheit zutage, wie es bereits während der Kontakteinschränkungen und in der Debatte um Abstands- und Maskenpflicht der Fall war. Hier kam es zu heftigen Debatten bis hin zu abstandsfreien Demos.

Der frühere Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Peter Dabrock, sieht zunächst die Frage der Definition des Risikos. Ist es zum Beispiel tatsächlich ein höheres Risiko, in eine relativ abgeschiedene Region in Luxemburg zu reisen als an den Wolfgangsee mit seinem aktuellen Corona-Ausbruch? Österreich steht derzeit nicht auf der Liste - das Robert-Koch-Institut notiert jedoch, dass die Übersicht immer den aktuellen Entwicklungen angepasst werde.

Freiheiten müssen abgewogen werden

Dabrock betont: "Wir haben einen Vorrang der Freiheit, aber keine grenzenlose Freiheit." Denn dagegen müsse der Gesundheitsschutz der Allgemeinheit wie die Freiheitsgefährdung anderer abgewogen werden.
Wer aus einem Risikogebiet zurück nach Deutschland reise, trage das Risiko für die eigene Gesundheit - könne im Fall einer Infektion aber auch eine Belastung für die Stabilität des Gemeinwesens werden. Denn sollten wegen stark erhöhter Coronafälle hierzulande erneut zwischenmenschliche Kontakte und die Wirtschaft eingeschränkt werden müssen, sei das "erheblich und freiheitsgefährdend".

Verpflichtung zu Tests verhältnismäßig

Aus Sicht des evangelischen Theologen ist Deutschland auf "Alarmstufe Dunkelgelb." Da ein erneutes Herunterfahren des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens verhindert werden müsse, sei eine Verpflichtung zu Tests für Reisende aus Risikogebieten verhältnismäßig.

Was die Übernahme der Kosten angeht, sagt Dabrock: "Auf den ersten Blick scheint es ungerecht, wenn die Allgemeinheit Reisenebenkosten tragen soll. Andererseits ändert sich die Zuordnung zu Risikogebieten gegenwärtig derartig schnell, dass nicht alle Reisenden vorsätzlich eine Gefährdung des Gemeinwesens in Kauf genommen haben." Gerade Familien hätten bereits vor einem Jahr Urlaub in Gegenden gebucht, die heute als Risiko eingestuft würden - ihnen dürfe keine Leichtsinnigkeit vorgeworfen werden. "Gesundheitsschutz für alle ist eine Aufgabe von allen. Er darf nicht am Geldbeutel hängen."

Erreichte nicht achtlos aufs Spiel setzen

Wichtig ist für Dabrock, dass die Einsicht um sich greife, dass als Folge des berechtigten Bedürfnisses nach den ersten anstrengenden Monaten der Pandemiebewältigung das Erreichte nicht achtlos aufs Spiel gesetzt werde. "Leidtragende wären dann nicht nur die Hochrisikogruppen und die Wirtschaft, sondern vor allem auch Kinder, Jugendliche und Familien." Und: "Eine ganze Generation könnte in ihren Bildungs- und Karriereplanungen schwer geschädigt werden, weil man die Sommerzeit zu sehr genießen wollte und danach den Ausbildungsbetrieb herunterfahren müsste."

Politik: Verpflichtende Tests sollen durch Staat finanziert werden

Die Politik ist sich nicht ganz einig. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zufolge sind verpflichtende Tests durch das Infektionsschutzgesetz gedeckt. Eine Verordnung soll wahrscheinlich nächste Woche in Kraft treten.

Zur Frage der Kostenübernahme wird Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) zitiert: "Wenn der Staat etwas anordnet, dann kann er das nicht auch noch zulasten desjenigen tun." Wie genau die Kosten gegenfinanziert werden, werde noch festgelegt, heißt es. An einer möglichen Übernahme durch den Steuerzahler regt sich in der Politik auch Kritik: Reisende müssten sich über Konsequenzen bewusst sein, wenn sie in Risikogebiete führen.

Es dürfte sich noch eine andere Frage stellen: Kommen die Tests und die Debatte zur richtigen Zeit? Zahlreiche Menschen waren längst im Urlaub - und in einigen Bundesländern startet die Schule bereits Anfang August.


Peter Dabrock / © Axel Schmidt/Reuters-Pool (dpa)
Peter Dabrock / © Axel Schmidt/Reuters-Pool ( dpa )
Quelle:
KNA