Afghanistan-Konferenz in der Kritik von Pax Christi

Fortsetzung eines blutigen Krieges befürchtet

Zur heutigen Afghanistan-Konferenz in Bonn mehren sich die kritischen Stimmen. Die katholische Friedensbewegung Pax Christi spricht von der Planung der "Fortsetzung eines blutigen Krieges". Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen ruft die internationale Staatengemeinschaft auf, humanitäre Hilfe nicht als Teil einer militärisch-politischen Strategie zu "missbrauchen".

 (DR)

"Dies ist keine Friedenskonferenz", sagte Pax-Christi-Generalsekretärin Christine Hoffmann. Auch deutsche Soldaten würden über 2014 hinaus in Afghanistan bleiben, die Amerikaner planten ihre Truppenpräsenz schon bis 2024, beklagte Hoffmann. "Das bedeutet nicht Sicherheit, sondern täglich zivile Opfer." Sie forderte ein Ende der Kämpfe und einen Waffenstillstand. Erst dann seien Verhandlungen und der Beginn eines "innerafghanischen Versöhnungsprozesses möglich".



Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen rief die internationale Staatengemeinschaft auf, humanitäre Hilfe nicht als Teil einer militärisch-politischen Strategie zu "missbrauchen". Dadurch werde die Arbeit von Helfern erschwert. Auch auf absehbare Zeit bestehe in Afghanistan eine "dringende Notwendigkeit für unparteiische und unabhängige medizinische Hilfe".



Versäumnisse beim zivilen Wiederaufbau

Die Gründerin von Medica Mondiale, Monika Hauser, beklagte masssive Versäumnisse beim zivilen Wiederaufbau. Die Bedürfnisse der afghanischen Bevölkerung spielten keine Rolle, stattdessen stünden militärische Belange im Vordergrund, sagte Hauser in einem Interview mit domradio.de. So sei das Justizwesen "sträflich vernachlässigt" worden. Hauser weiter: "Deshalb haben wir massive Straflosigkeit. Die fördert die Korruption, die Gewalt gegen Frauen und führt zu einer Frustration der Bevölkerung."



Bereits am Samstag hatte das "Protestbündnis gegen Petersberg II" die Afghanistan-Konferenz als  Kriegsverlängerungskonferenz" bezeichnet. An dem von dem Bündnis organisierten Zug durch die Bonner Innenstadt nahmen den Angaben zufolge rund 5.000 Menschen teil. Die Polizei sprach auf Anfrage von deutlich weniger Demonstranten. Weitere Großdemonstrationen seien nicht angekündigt, besondere Zwischenfälle habe es bislang nicht gegeben.



In einer Abschlusserklärung forderte das Bündnis einen Abzug aller Truppen. Freiheit, Demokratie und Selbstbestimmung seien in Afghanistan nur ohne Besetzung durch fremde Truppen und ohne eine Förderung von Warlords und autoritären Strukturen möglich. Die Afghanen müssten "selbstständig und ohne Einmischung über ihren Entwicklungsweg entscheiden können", hieß es in der Erklärung.



Mehr als 60 Außenminister vor Ort

An dem hochrangig besetzten Treffen auf dem Petersberg bei Bonn und im Konferenzzentrum WCCB der Bundesstadt nehmen mehr als 1.000 Delegierte aus 90 Ländern teil, darunter mehr als 60 Außenminister. Von der Konferenz am Montag unter Vorsitz des afghanischen Präsidenten Hamid Karzai soll laut Aussage des deutschen Außenministers Guido Westerwelle (FDP) das Signal ausgehen, dass die Staatengemeinschaft Afghanistan auch nach dem Abzug ihrer Truppen nicht im Stich lassen wird. Niemand habe ein Interesse daran, "dass Kabul wieder die Hauptstadt des Terrorismus der Welt wird". Allerdings dürfe der vor zehn Jahren begonnene militärische Einsatz nicht endlos dauern. "Es wird eine politische Lösung geben", sagte Westerwelle am Montag im "Morgenmagazin" der ARD.



Im Gespräch mit der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" zeigte sich Westerwelle zugleich verärgert darüber, dass es nicht gelungen sei, Pakistan an den Verhandlungstisch zu bringen. Das Land habe von einer guten Entwicklung in der Region "mehr zu gewinnen, als jeder andere Nachbarstaat Afghanistans". Pakistan hatte aus Protest gegen einen Nato-Angriff im Grenzgebiet zu Afghanistan seine Teilnahme an der Konferenz kurzfristig abgesagt.



Der frühere UN-Sonderbeauftragte für Afghanistan, Tom Koenigs, sagte der "Berliner Zeitung" (Montagsausgabe): "Ich glaube, den Afghanen muss jetzt zugesichert werden, dass sie nach 2014 noch mindestens zehn Jahre internationale Hilfe erhalten werden." Zugleich verteidigte er die Nennung des Abzugsdatums für die internationalen Soldaten. "Die Afghanen selbst sagen, dass ein weiteres Verbleiben der ausländischen Soldaten in ihrem Land keine zusätzliche Sicherheit mehr bringt", sagte Koenigs. Das Schlussdatum 2014 setze nun alle Beteiligten unter Entscheidungsdruck.



Keine großen Hoffnungen

Der ehemalige deutsche Diplomat und heutige Grünen-Abgeordnete im Bundestag warnte allerdings vor übertriebenen Erwartungen: "Wer darauf hofft, dass in den nächsten drei Jahren Afghanistan so befriedet werden könnte, dass es nirgends im Land mehr bewaffnete Konflikte gibt, der gibt sich Illusionen hin. So etwas hat es in den letzten 100 Jahren noch nie in Afghanistan gegeben."



Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, Ruprecht Polenz (CDU), sieht in der Afghanistan-Konferenz einen "wichtigen Schritt für eine dauerhafte Stabilisierung" des Landes. "Es wäre aber falsch, angesichts der vielen Probleme einen Durchbruch zu einem endgültigen Friedensschluss zu erwarten", sagte der CDU-Politiker der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Montag).



Auch der SPD-Außenpolitiker Gernot Erler warnte vor überzogenen Erwartungen. Natürlich sei nicht zu garantieren, dass afghanische Kräfte ab 2014 allein die Sicherheit im Land gewährleisten, sagte er im Radiosender SWR2. Allerdings sei die Übergabe von internationalen Truppen zu afghanischen Sicherheitskräften in sieben Gebieten des Landes bereits erfolgreich vollzogen worden.