Afghanen wird Übernahme der Eigenverantwortung nicht zugetraut

Afghanistan-Konferenz mit ungewissem Ausgang

Vertreter westlicher Geheimdienste befürchten einen "ungewissen Ausgang" der für den 28. Januar geplanten Afghanistan-Konferenz in London. "Wenn sich die Differenzen zwischen den einzelnen Nationen, die Truppen in Afghanistan im Einsatz haben, nicht legen, wird ein positiver Ausgang der Beratungen infrage gestellt sein", erklärten Geheimdienstler verschiedener Länder übereinstimmend am Montag in der afghanischen Hauptstadt Kabul und in Washington.

 (DR)

Trotz aller Absichten, die radikalislamischen Taliban am Hindukusch und die Al-Qaida-Kämpfer zurückzudrängen, werde wahrscheinlich auf der Konferenz letztlich der «Abgang» der internationalen Truppen aus Afghanistan beschlossen, war von den Geheimdienstexperten zu hören. Auch bei der Bundesregierung zeichnet sich ab, die Voraussetzungen für einen militärischen Abzug aus Afghanistan zu schaffen. Als brisantes Konferenzthema wird auch die von den USA im Jemen eröffnete «dritte Front» gegen die islamistischen Kämpfer erwartet.

Die Vorstellungen, schon in diesem Jahr mit der Übergabe der Eigenverantwortung in den verwaltungs- und sicherheitsrelevanten Bereichen an die Afghanen zu beginnen, wurde von den Geheimdienstlern als «illusorisch» bezeichnet. Die Bemühungen, eine gut funktionierende afghanische Armee und Polizei aufzubauen, hätten bislang zu keinem «durchschlagenden Erfolg geführt». Es werde im Westen nicht darüber berichtet, wie oft für das einheimische Militär und die Polizei ausgebildete Afghanen zu den Milizen von Warlords und anderen Stammesführern wegen der wesentlich besseren Bezahlung «überwechseln». Es gebe «da einen ziemlichen Schwund», berichtete ein CIA-Mann.

Bei dem Kampf gegen die in ganz Afghanistan weit verbreitete Korruption und den Drogenanbau habe es trotz aller Beteuerungen zur Lösung der Probleme von Regierungsseite in Kabul keinerlei wirkliche Fortschritte gegeben, betonten die Geheimdienstler. Der Westen habe einen «großen Fehler» gemacht, dass er den durch massive Fälschungen bei der Präsidentenwahl wieder an die Macht gekommenen Hamid Karsai gestützt habe. Das sei ein «Zeichen der Ohnmacht» des Westens bei seiner Afghanistan-Politik gewesen.

Das afghanische Parlament hatte am Wochenende in einer Vertrauensabstimmung die Mehrheit der von Karsai für sein Kabinett nominierten Minister durchfallen lassen. Nur 7 der 24 vorgeschlagenen Kandidaten wurden von den Abgeordneten bestätigt. Nicht zur Abstimmung stand der 25. Ministerposten, der des Außenministers. Darüber soll erst nach der Londoner Konferenz entschieden werden.

Der amtierende Außenamtschef Rangin Dadfar Spanta soll sein Land in London vertreten. Er gilt aber als «Minister auf Abruf» und wird nach Einschätzung der Geheimdienstler nicht seinen Posten behalten. Es sei ein «Unding», einen solchen Minister bei einer so wichtigen Konferenz verhandeln zu lassen, war aus deutschen Geheimdienstkreisen zu hören. Es zeichne sich ab, dass Karsai auch die für seine neue Amtszeit abgegebenen Versprechen für Stabilität und Korrektheit in seinem Land nicht einhalten werde.

Für kontroverse Diskussionen werden nach Ansicht politischer Beobachter neben Afghanistan die sich gefährlich zuspitzende Lage in Pakistan und der neu ins Blickfeld geratene Jemen führen. Der Jemen wird jetzt als «neue Hochburg der Al-Qaida» bezeichnet, nachdem klar wurde, dass der in den USA verhinderte nigerianische Flugzeugattentäter Umar Faruk Abdulmutallab vom dem Terrornetzwerk Al-Qaida im Jemen ausgerüstet und instruiert worden ist.

Wie aus Geheimdienstkreisen in Washington zu hören war, haben US-Spezialeinheiten im Jemen zusammen mit jemenitischen Truppen unter strenger Geheimhaltung bereits begonnen, gegen die Al-Qaida auf der arabischen Halbinsel vorzugehen. Vor allem sollen wie im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet jetzt auch im Jemen von Drohnen besondere Raketen oder an Land installierte Marschflugkörper - Cruise Missiles - auf die Aufständischen abgeschossen werden, hieß es. Die Verbündeten der USA wollen nach Aussage von Geheimdienstlern «aber auf keinen Fall» in einen möglichen neuen dritten Kriegsschauplatz der Amerikaner gegen die Islamisten hineingezogen werden. Das werde auf der Londoner Konferenz ein «weiterer schwerer Knackpunkt».

Der britische Premierminister Gordon Brown hat bereits vorgeschlagen, am Rande der Afghanistan-Konferenz auch eine Konferenz zur Lage im Jemen abzuhalten. Auch diese Absicht werde zwischen der Verbündeten zu einer «brisanten Auseinandersetzung» in London führen, sagte ein CIA-Vertreter.