EKD-Friedensbeauftragter erwartet Vorreiterrolle der Bundesregierung

Vorrang des Zivilen

Der Friedensbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Renke Brahms, erwartet von der Bundesregierung eine Vorreiterrolle für einen Strategiewechsel auf der Afghanistankonferenz Ende des Monats in London. "Anstatt auf die militärische Karte zu setzen, muss der Vorrang des Zivilen deutlich zu erkennen sein - auch für die Bevölkerung in Afghanistan", sagte Brahms am Sonntag dem epd.

 (DR)

Deshalb könne er Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) nur darin bestärken, London nicht zu einer Truppenverstärkungskonferenz werden zu lassen, bekräftigte Brahms. «Er sollte auch nicht mit Boykott drohen, sondern sich mit aller Kraft für den Strategiewechsel engagieren.» Mit Kritik reagierte der leitende Bremer Theologe auf die Ankündigung von US-Präsident Barack Obama, die amerikanischen Truppen um 30.000 Mann aufstocken zu wollen. «Das geschieht ganz offensichtlich ohne vorhergehende Abstimmung mit den Verbündeten und den Vereinten Nationen und ist leider ein typisches Beispiel für ein einseitiges Vorgehen der USA.»

Brahms sieht die Bundesregierung «in keinerlei Zugzwang», nun ihrerseits die Truppen aufzustocken. Spätestens seit der Bombardierung der Tanklastzüge bei Kundus sei klar, dass nach friedensethischen Maßstäben der Krieg in Afghanistan nicht begründbar sei. «Der militärische Schutz für die Menschen und zum Aufbau des Landes hat sich in einen Krieg gegen Menschen entwickelt. Die Soldatinnen und Soldaten müssen ihren Kopf für etwas hinhalten, was die politischen Entscheidungsträger seit Jahren versäumt haben.»

Neben dem Strategiewechsel müsse in London der Druck auf die Regierung Karsai erhöht werden, damit die Korruption in Afghanistan abgebaut werde und das Vertrauen der Bevölkerung in die Verantwortlichen wachsen könne. «Um diesen Druck auszuüben und als internationale Gemeinschaft eine Selbstverpflichtung einzugehen, würde meines Erachtens auch ein konkreter Zeithorizont für einen endgültigen Abzug der Soldaten helfen», sagte der EKD-Friedensbeauftragte.

In einer abgestimmten internationalen Strategie unter UN-Mandat müsse der Aufbau der Polizei und eigener Sicherheitsorgane in Afghanistan intensiv weiter betrieben werden. Außerdem sei eine wirtschaftliche Alternative zum Drogenanbau nötig.

Falsch sei es, die Entwicklungshilfe an den Einsatz der Bundeswehr zu koppeln, wie es Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) angekündigt habe. «Es geht gerade darum, mit den Menschen vor Ort zu arbeiten und zu verhandeln. Das schließt auch Taliban und andere Kräfte ein. Aufbauhilfe muss auch unabhängig vom Einsatz der Bundeswehr geleistet werden. In diesem Weg sehe ich die einzige langfristige und nachhaltige Entwicklung für Afghanistan.»