Ältere Wähler sollten laut BDKJ-Chefin über Lebenszeit hinaus denken

"Politik missachtet die Jüngeren"

Wenige Wochen vor der Bundestagswahl appelliert die Vorsitzende der Katholischen Jugend an ältere Wähler, "nicht nur sich selbst im Blick zu haben". Es gehe um eine gute Zukunft auch für die nachfolgenden Generationen.

Autor/in:
Angelika Prauß
Symbolbild Senioren / © Olena Yakobchuk (shutterstock)

KNA: Tendieren Politiker Ihrer Einschätzung nach eher dazu, sich für die Interessen von - wirtschaftlich oft bessergestellten Älteren - oder eher jüngeren Wählern zu orientieren, die ja eigentlich die Zukunft der Gesellschaft bedeuten?

Lena Bloemacher, Bundesvorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ), am 10. Januar 2021 in Köln. / © Julia Steinbrecht (KNA)
Lena Bloemacher, Bundesvorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ), am 10. Januar 2021 in Köln. / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Lena Bloemacher (Bundesvorsitzende Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ)): Politiker*innen orientieren sich vor allem nicht so sehr an Menschen, die ihnen keine Stimmen bringen. Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren dürfen bei Bundestagswahlen nicht wählen. 

Ihre Interessen, Themen und Perspektiven kommen im Wahlkampf, in Wahlprogrammen und Koalitionsverträgen dementsprechend kaum vor.

Lena Bloemacher

"Sie sind nicht nur die Zukunft, sondern auch die Gegenwart."

Bei uns im Land gibt es fast dreimal so viele Wähler*innen über 65 Jahren wie unter 25 Jahren. Das merkt man leider auch an vielen Stellen bei der Setzung von Themen durch die Politik. Wenn es um Kinder und Jugendliche geht, werden sie fast ausschließlich als Schüler*innen oder zukünftige Arbeitskräfte behandelt, weitere Interessen oder Lebensrealitäten spielen kaum eine Rolle. Zudem wird oft nur über junge Menschen gesprochen und nicht mit ihnen. Dabei sind sie nicht nur die Zukunft, sondern auch die Gegenwart.

KNA: Welche politische Themen sind für junge Menschen am wichtigsten?

Bloemacher: Studien und unsere Erfahrungen zeigen deutlich, dass junge Menschen ein starkes Gespür für Gerechtigkeit haben. Sie setzen sich für die Teilhabe aller ein und werden laut gegen Diskriminierung. Auch Klimaschutz spielt eine wichtige Rolle. Grundsätzlich wünschen sie sich, dass die Politik die aktuellen Krisen offen anspricht und gemeinsam nach Lösungen gesucht wird, die alle Menschen im Blick haben.

Lena Bloemacher

"Hinzu kommt zu oft eine adultistische Grundhaltung, die jungen Menschen nichts zutraut."

KNA: Haben ältere Menschen und auch Politiker ausreichend die Interessen junger Menschen im Blick?

Bloemacher: Nein. Oft reden ältere Menschen und Politiker*innen nur über junge Menschen und nicht mit ihnen. Hinzu kommt zu oft eine adultistische Grundhaltung, die jungen Menschen nichts zutraut und sie nicht ernst nimmt, wenn sie sich für ihre Anliegen einsetzen. 

Bei Fridays for Future haben sich tausende junge Menschen demokratisch für besseren Klimaschutz eingesetzt. Im Ergebnis gab es wenig Wertschätzung und viel mehr Witze und dumme Sprüche: Man solle das mal den Profis überlassen, überhaupt erstmal arbeiten gehen und so weiter. 

Junge Menschen bei "Fridays for Future" / © David Klammer (KNA)
Junge Menschen bei "Fridays for Future" / © David Klammer ( KNA )

Aber die Profis in der Politik liefern bis heute keine Klimapolitik, die die Klimaziele auch erreichen und die so dringend nötigen Veränderungen herbeiführen würde. Dabei bedroht die Klimakrise unser aller Zukunft.

Bei der Pflichtdienst-Debatte sollen junge Menschen gezwungen werden, der Gesellschaft zu dienen. Aus unserer Perspektive wären in einem ersten Schritt erst einmal wichtig, die Freiwilligendienste so zu fördern, dass alle Menschen die freiwillig einen Dienst machen wollen, dies auch tun können. Das ist aktuell nicht der Fall; junge Menschen fordern es schon länger, die verdiente Aufmerksamkeit bekommt es nicht.

KNA: Sind jüngere Menschen überhaupt noch bereit, sich politisch einzubringen und ihre Zukunft mitzugestalten - auch angesichts zunehmender Verrohung im Umgang?

Bloemacher: Natürlich sind junge Menschen bereit und wollen unsere Welt mitgestalten. Und zum Glück tun das viele, zum Beispiel auch im Rahmen von Jugendverbandsarbeit und aktuell zum Beispiel bei unserer Demokratieoffensive "Generation jetzt!".

Die in Häufigkeit und Intensität zunehmenden Angriffe von Rechtspopulisten und -extremen auf Menschen, die sich demokratisch engagieren, zielen darauf ab, einzuschüchtern und dieses Engagement zu stoppen. Natürlich überlegen Menschen sich zweimal, ob sie sich politisch engagieren, wenn sie dafür bedroht werden oder schlimmeres. 

Genau deswegen müssen wir als Demokrat*innen zusammenstehen und uns gegen diese Angriffe von rechts wehren. Genau deswegen brauchen wir Politiker*innen, die von Populismus absehen und vorbildhaft miteinander im demokratischen Austausch stehen.

KNA: Was muss geschehen, damit sich Jüngere politisch engagieren?

Bloemacher: Durch die Sinus-Jugendstudie wissen wir: Das größte Hindernis sind Erwachsene. Erwachsene, die junge Menschen nicht ernst nehmen und ihnen nicht zugestehen, wirklich mitgestalten zu können. Wir arbeiten aktiv daran, dass sich das ändert: Mit der "Generation jetzt!" wollen wir uns zusammenschließen und empowern: Wir nehmen junge Menschen wahr und ernst und setzen uns gemeinsam als starke, große Gruppe für ihre Anliegen ein. 

Lena Bloemacher

"Wichtig ist, dass ältere Menschen auch über ihre Lebenszeit und ihre Anliegen hinaus denken."

Dabei sind übrigens auch alle nicht mehr ganz so jungen Menschen herzlich willkommen, denn es kann jede*r Teil der Generation jetzt sein, der*die Kinder und Jugendliche ernst nimmt und sich für ihre Anliegen und eine gerechtere Welt einsetzen will.

KNA: Sehen Sie einem Generationenkampf Alt gegen Jung an der Wahlurne?

Bloemacher: Nein, das sehen wir nicht! Es gibt super viele "Ältere", die sich genau wie junge Menschen für eine kinder- und jugendgerechte Welt einsetzen. Wichtig ist, dass ältere Menschen nicht nur sich selbst im Blick haben, sondern auch über ihre Lebenszeit und ihre Anliegen hinaus denken. Sie müssen die Anliegen junger Menschen für eine bessere Welt ernst nehmen und bei ihrer Wahlentscheidung berücksichtigen, damit auch die nachfolgenden Generationen eine gute Zukunft haben.

Das Interview führte Angelika Prauß.

Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ)

Der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) ist der Dachverband von 17 katholischen Kinder- und Jugendverbänden mit rund 660.000 Mitgliedern. Er versteht sich in erster Linie als Interessenvertretung dieser Verbände in Kirche, Staat und Gesellschaft und kümmert sich darüber hinaus um die Absicherung der finanziellen Förderung.

Fahne des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) / © Harald Oppitz (KNA)
Fahne des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA