Adveniat nach Tropensturm in Venezuela besorgt

"Erinnert an die Katastrophe im Ahrtal"

Der Sturm "Julia" hat in Venezuela und anderen Ländern in Südamerika für heftigen Regen, Überschwemmungen und Erdrutsche gesorgt. Mindestens 59 Menschen starben. Das katholische Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat ruft zu Solidarität auf.

Trauer nach Erdrutsch in Venezuela / © Jesus Vargas (dpa)
Trauer nach Erdrutsch in Venezuela / © Jesus Vargas ( dpa )

DOMRADIO.DE: Was können Sie uns über die aktuelle Lage in Venezuela berichten?

Reiner Wilhelm (Venezuela-Referent bei Adveniat) : Die Bilder und auch die Videos und Berichte von unseren Partnern, die wir bekommen, erinnern sehr, sehr stark an die Katastrophe im Ahrtal letztes Jahr. Die Zerstörung ist immens und ich hatte gestern mehrere Gespräche mit dem dortigen Ortsbischof, der sagte: Es ist katastrophal, wir brauchen Hilfe. Er war den Tränen nahe und ist dann in das Katastrophengebiet gefahren. Das, was er machen konnte, war einfach nur zu sagen: Bitte vergesst uns nicht, lasst uns nicht im Stich, trotz der ganzen Krisen, die es auf der Welt gibt. Aber wir brauchen es im Moment sehr, sehr dringend.

Adveniat-Länderreferent Reiner Wilhelm  / © Theresa Meier (DR)
Adveniat-Länderreferent Reiner Wilhelm / © Theresa Meier ( DR )

DOMRADIO.DE: Jetzt war die Lage in Venezuela ja schon vor dem Wirbelsturm katastrophal. Das Land steckt in einer wirtschaftlichen, politischen und auch humanitären Krise. Sind denn die Behörden überhaupt in der Lage, Hilfe zu schicken?

Wilhelm: Ja, im Rahmen dessen, was sie können. Es sind eigentlich die Ortskräfte, die anpacken, Menschen, die vor Ort wohnen. Es ist ja eine Industriestadt, also es ist genügend Werkzeug vorhanden, auch schwere Geräte und man benutzt auch wirklich alles. Auch das Benzin, was noch vor Ort ist, ist freigegeben, so dass man wirklich aufräumen kann. Die Schlammlawinen waren meterhoch, Menschen sind darunter begraben worden. Also sie sind in der Lage, etwas zu tun, aber es ist mehr Initiative, die von den Menschen vor Ort ausgeht als vom Staat.

Maduro ist da gewesen, der Präsident, und auch die Vizepräsidentin Rodrigues. Es gibt eine Staatstrauer von drei Tagen, die angeordnet worden ist und er hat auch sofortige Hilfe versprochen. Die Frage ist nur: Kann er das umsetzen? Inwiefern sind sie in der Lage? Aber ganz, ganz wichtig ist natürlich: Es gibt Hilfen, es gibt Unterstützung. Auch die Kirche ist beteiligt, indem sie Sammelstellen für Hilfsgüter eingerichtet hat. Und jeder gibt etwas, auch wenn es dem Land nicht so gut geht, wenn die Menschen nicht so viel zum Essen haben. Aber das, was sie haben, wird geteilt.

Reiner Wilhelm, Venezuela-Referent bei Adveniat

"Sie sind in der Lage, etwas zu tun, aber es ist mehr Initiative, die von den Menschen vor Ort ausgeht als vom Staat"

DOMRADIO.DE: Der Sturm ist im Laufe der Nacht weiter Richtung Norden, Richtung El Salvador und Guatemala weitergezogen. Auch das sind ja bettelarme Länder. Wissen Sie, wie dort die Lage ist?

Wilhelm: Die Informationen, die wir von dort haben, sind ebenfalls verheerend, nämlich dass die Wassermassen dort angekommen sind. 26 Tote sind inzwischen zu beklagen, davon die meisten in Guatemala. Meine Kollegin ist in ständigem Austausch mit der dortigen Kirche.

DOMRADIO.DE: Wie kann Adveniat ganz konkret die Menschen in den Gebieten unterstützen?

Wilhelm: Man hat, wie gesagt, Sammelstellen eingerichtet. Es gibt Nahrungsmittel, die werden aber nicht reichen. Es gibt Decken, es wird Wasser gesammelt. Das wird im Moment ausreichen, aber wenn dann die Zeit vorbei ist und wenn dann die Tage kommen, wo das abebbt, dann ist es so, dass internationale Hilfe, auch Hilfe von uns gefragt ist. Und der Bischof hat ja schon ganz klar gesagt: Bitte, wenn ein Gesuch von mir kommt, bitte vergesst mich nicht, wir brauchen eure Hilfe und sie ist dringender und notwendiger denn je.

Das Interview führte Heike Sicconi.

Laut Caritas 22.000 Unterkünfte nach Fluten in Venezuela beschädigt

Die Caritas geht nach einer ersten Schätzung davon aus, dass nach dem Erdrutsch im nordvenezolanischen Bundesstaat Aragua über 750 Häuser und Unterkünfte teilweise oder komplett zerstört wurden. Rund 1.400 Familien seien direkt betroffen, zitierte das Portal Tal Cual Digital (Montag, Ortszeit) Caritas Venezuela. In einer gemeinsamen Erklärung mit der Venezolanischen Bischofskonferenz berichtete Caritas über landesweit rund 22.000 Unterkünfte und Häuser, die von Überschwemmungen und Erdrutschen betroffen seien.

Menschen laufen nach Überschwemmungen und einem Erdrutsch in Venezuela über Schlamm / © Jesus Vargas (dpa)
Menschen laufen nach Überschwemmungen und einem Erdrutsch in Venezuela über Schlamm / © Jesus Vargas ( dpa )
Quelle:
DR
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