Adveniat: Kirche in Lateinamerika ist seit Papstwahl im Aufbruch

Der Papst, der Hoffnungen weckt

Prälat Klaschka gehörte vor einem Jahr zu den wenigen Deutschen, denen der Name Bergoglio bekannt war. Im domradio blickt der Adveniat-Geschäftsführer auf die Papstwahl zurück und auf die Aufbruchstimmung in Lateinamerika.

Nonnen beim WJT in Rio (dpa)
Nonnen beim WJT in Rio / ( dpa )

domradio.de: Können Sie sich noch persönlich an den Moment erinnern, als das „Habemus Papam" verkündet wurde? Wie haben Sie das erlebt?

Prälat Bernd Klaschka (Geschäftsführer des Lateinamerikahilfswerkes Adveniat): Ich wurde angerufen von einer Mitarbeiterin, die mir sagte, dass weißer Rauch aufsteigt. Darauf hin bin sehr schnell aus dem Supermarkt nach Hause gefahren und habe mich vor den Fernseher gesetzt. Dann wurde gesagt, dass der Gewählte erst in eine Marienkapelle gehen würde, um dort zu beten. Da tauchte in mir der Verdacht auf, es sei ein Lateinamerikaner. Der Name Jorge Bergoglio war bei mir am Tag zuvor aufgekommen, weil er in Lateinamerika eine große Rolle gespielt hat bei der fünften Bischofsversammlung in Aparecida.

Als der Namen verkündet wurde, war ich überrascht und dankbar. Ich habe gedacht, das ist das Wirken des Heiligen Geistes, der immer für Überraschungen gut ist. Denn es stand im Grunde genommen jemand anderes auf der Namensliste von lateinamerikanischen Kardinälen und die Überraschung ist gelungen.

domradio.de: Als Geschäftsführer von Adveniat reisen Sie oft nach Lateinamerika, wie haben Sie dort Jorge Mario Bergoglio, den einstigen Erzbischof von Buenos Aires kennengelernt?

Prälat Klaschka: Ich habe ihn zweimal in seinem bischöflichen Haus in Buenos Aires besucht, um dort mit ihm Gespräche zu führen über Projekte in der Erzdiözese Buenos Aires und auch in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Argentinischen Bischofskonferenz, um mit ihm über allgemeine seelsorgliche Herausforderungen für die Kirche in Lateinamerika und in Argentinien zu sprechen. Ich habe ihn erlebt als jemanden, der zugewandt und sehr aufmerksam ist.

Als ich beim zweiten Mal vor seiner Tür stand mit zwei Koffern nahm er wortlos meinen zweiten Koffer und trug ihn nach oben. Da merkt man schon, er nimmt eine Situation wahr. Er sucht auch Antworten und er hört sehr aufmerksam zu.

domradio.de: Nun hat sich fast schon ein Mythos um den Papst gebildet: Aufbruch, Öffnung, Wandel - alles das wird von ihm erwartet. Ist das nicht auch gefährlich, weil er diese Erwartungen gar nicht alle erfüllen kann und will?

Prälat Klaschka: Ich denke, die Erwartungshaltung, die formuliert werden und die aufgekommen sind, zeigen ja auch, dass es einen Stau gegeben hat, einen Stau in Bezug auf Reformen, einen Stau in Bezug auf ein Weitergehen der Kirche mit den Menschen in dieser unserer Zeit. Durch die Öffnung und durch die Haltung die Papst Franziskus an den Tag legt, wie er Menschen begegnet, wie er ihnen nahe ist, haben die Menschen den Mut gefunden, auch diese Erwartungshaltung zu formulieren. Er kann sie nicht alle erfüllen, er ist für vieles auch Projektionsfläche. Er steht mitten in einer Tradition der Kirche. Er kann auch nicht alles von heute auf morgen verändern und auch nicht alleine. Er sagt ganz deutlich, ich bin nicht derjenige, der alles alleine verändert. Ich brauche Prozesse, ich brauche Beratung und lasse mich auch beraten und dafür braucht man auch Geduld, damit Prozesse wirklich reifen können und dann gute Entscheidungen gefällt werden. Ich bin da allerdings zuversichtlich, dass es zu guten Entscheidungen kommen wird.

domradio.de:  Wie hat die Tatsache, dass der Papst aus Lateinamerika kommt, die Kirche dort verändert?

Prälat Klaschka: Ich glaube, die Kirche verändert noch nicht, aber die Wahl hat auch in Lateinamerika dazu geführt, dass ein Aufbruch stattgefunden hat. Wie mir mal eine Schwester sagte, jetzt fühlen wir uns verstanden, der Papst spricht unsere Sprache und das ist schon sehr viel. Wenn wir mit der Verkündigung des Evangeliums wirklich die Herzen der Menschen erreichen, wenn sie uns verstehen. Da glaube ich, trifft der Papst auch wirklich die Mitte der Menschen, ihre Herzen und die Menschen antworten, in dem sie zum Beispiel wie ich höre mehr zum Gottesdienst gehen, die Messbesuchzahlen steigen, das führt dazu, dass eine Aufbruchstimmung in Lateinamerika herrscht.

domradio.de: Inwiefern hat ein Papst aus Lateinamerika die Arbeit von Adveniat beeinflusst?

Prälat Klaschka: Er hat sie beeinflusst, indem wir uns gestärkt fühlen in unserer Linie, insbesondere in seiner Linie eine Kirche der Armen zu sein, eine arme Kirche zu sein für die Armen. Adveniat hat die lateinamerikanische Option für die Armen ganz und gar in die eigene Projektpolitik integriert, aber auch die Option für die Jugend und wir fühlen uns also auch gestärkt und spüren einen Rückenwind für unsere Arbeit solidarisch zu sein mit den Menschen in Lateinamerika.

Das Interview führte Tobias Fricke


Papst mit jungen Gefangenen (dpa)
Papst mit jungen Gefangenen / ( dpa )

Prälat Bernd Klaschka (Adveniat)
Quelle:
DR