DOMRADIO.DE: Wir befinden uns in der Zeit der Sedisvakanz. Vor einer Woche wurde Papst Franziskus beerdigt und am Mittwoch beginnt das Konklave. Wie schlägt sich das in der Stimmung in Rom nieder?
Pater Jeremias Schröder OSB (Abtprimas der Benediktinischen Konföderation): Es ist eine ganz interessante Mischung: Zum einen merkt man, dass viele Menschen noch um den Papst trauern, denn sehr viele haben Franziskus fest ins Herz geschlossen. Die feierliche Prozession des päpstlichen Leichnams quer durch die Stadt hat viele Personen sehr beeindruckt. Sie haben gemerkt, dass die katholische Kirche gut mit dem Tod umgehen kann. Das hat viele sehr bewegt und teilweise auch begeistert.
Zum anderen ist die gespannte Erwartung auf das Konklave zu spüren. Auf allen Ebenen gibt es Gespräche, Diskussionen und Überlegungen, wer der neue Papst werden könnte. Es wird auch spekuliert und teilweise versucht, Politik zu machen. Man spürt zudem, dass an einigen Stellen ein etwas aggressiverer Ton reinkommt und anderswo auch sehr vernünftig nachgedacht wird.
DOMRADIO.DE: Mit Franziskus war seit langer Zeit, genauer seit Papst Gregor XVI. (1831-46) wieder ein Ordensmann Papst. Wie hat sich die Zugehörigkeit von Franziskus zum Jesuitenorden auf sein Pontifikat ausgewirkt?
Schröder: Ich möchte eine kleine Geschichte erzählen: Als Papst Franziskus gerade neu gewählt war, waren wir Generaloberen zum Austausch bei ihm. Wir sind damals mit der Bemerkung ins Gespräch eingestiegen, dass er seit vielen Jahrzehnten der erste Papst ist, der auch einem Orden angehört. Da war er ganz überrascht und fragte, wer der letzte vor ihm gewesen sei. Franziskus hatte sich mit dieser Frage also noch gar nicht beschäftigt. Das ist aus meiner Sicht sehr aussagekräftig.
Es zeigt, dass Jorge Mario Bergoglio damals in erster Linie als Erzbischof von Buenos Aires nach Rom zum Konklave gekommen ist und nicht als Jesuit. Er hat sich während seines Pontifikats sehr deutlich als Bischof von Rom verstanden – was auch richtig so war. Franziskus hat sich aber immer wieder durch seine große innerliche Souveränität als Mitglied des Jesuitenordens zu erkennen gegeben.
Er hat Probleme und Themen lange durchdacht, meditiert und die Unterscheidung der Geister vorgenommen. Das sind eindeutige Kennzeichen der ignatianischen Spiritualität. Wenn er dann zu einem Entschluss gekommen ist, spielte es für ihn keine Rolle, ob er mehrheitsfähig war oder nicht. Auch das war ein sehr jesuitischer Charakterzug an Franziskus.
Außerdem habe ich hier in Rom gespürt, wo der Jesuitenorden sehr präsent ist, dass seine Mitbrüder Franziskus in der Kurie und anderswo unter die Arme greifen wollten. Das war eine institutionelle Stütze für ihn als Papst.
DOMRADIO.DE: Beim nun anstehenden Konklave befinden sich so viele Ordensleute unter den Kardinälen wie schon lange nicht mehr. Wird sich das auf die Papstwahl auswirken?
Schröder: Mein Eindruck ist, dass die eher polarisierenden Meinungen zum Konklave nicht von den Kardinälen stammen, die einem Orden angehören. Ordensleute sind es gewohnt, in ihren Gemeinschaften zu leben, was sie sehr prägt.
Deshalb nehme ich an, dass sie eher gemäßigt eingestellt sind und die Papstwahl nicht so sehr politisch sehen, sondern vielmehr unter dem Aspekt, dass es nun eine gute Leitung braucht, die die Kirche zusammenhält und ihr dabei hilft, in der Geschichte weiter voranzuschreiten. Die Ordenszugehörigkeit der Kardinäle wird im Konklave eher ein integrierender Faktor sein als ein spaltender.
DOMRADIO.DE: Es ist oft vom Wirken des Heiligen Geistes beim Konklave zu hören. Kann diese Vorstellung aber nicht auch dazu genutzt werden, von kirchenpolitischen Interessen abzulenken?
Schröder: Der Heilige Geist schickt keine Briefe, sondern wirkt durch die Menschen – und durch die Dynamik einer Zusammenkunft, wie dem Konklave. Ich glaube schon, dass solche Wahlen in unserer Kirche letztlich geistgewirkt sind. Natürlich müssen sich die Wähler für den Heiligen Geist öffnen und dürfen sich nicht auf Spielchen einlassen. Auch, wenn es da verschiedenen Ebenen gibt: Man denkt über die Zukunft der Kirche nach und auch Allianzen spielen eine Rolle.
Aber am Schluss muss jedem Wähler deutlich vor Augen stehen, worum es im Kern geht und, dass er seine Wahl im Angesicht Gottes trifft. Es ist schon sehr eindrucksvoll, dass das Konklave in der Sixtinischen Kapelle mit Blick auf das Jüngste Gericht stattfindet. Den Kardinälen soll also deutlich gemacht werden, dass es um das große Ganze geht – und, dass es eben nicht eine rein politische Entscheidung ist.
Ich glaube schon, dass es den meisten Kardinälen gelingen wird, sich als Instrument des Heiligen Geistes zu verstehen. Auch, wenn gewisse pragmatische Überlegungen natürlich verständlich sind.
DOMRADIO.DE: Sie sind Benediktiner. In Ihrem Orden spielen Wahlen eine bedeutende Rolle.
Schröder: Wir Benediktiner sind große Wähler. Unsere Äbte werden gewählt und ich habe sicher 50 oder 60 Wahlen im Rahmen meiner bisherigen Aufgaben geleitet. Meistens ist es den Wählenden gelungen, sich der Ernsthaftigkeit der Frage zu stellen und eine Entscheidung zu treffen, die die konkreten Anliegen der Gemeinschaft berücksichtigt.
Da dürfen auch praktische Überlegungen, etwa wer mit wem zusammenarbeiten kann, eine Rolle spielen. Aber letztlich ist entscheidend, dass es um die Zukunft der Gemeinschaft geht, also die Frage wichtig ist, wohin Gott dieses Kloster führen möchte.
DOMRADIO.DE: Wenn im Kloster gewählt wird, kennen sich die Wählenden sehr gut, denn sie leben in einer Gemeinschaft zusammen. Beim Konklave ist das anders: Die Kardinäle kennen sich meist nicht besonders gut. Welche Rolle spielt dieses persönliche Verhältnis zueinander bei solchen Wahlen?
Schröder: Es ist eine sehr spannende Frage, wie gut sich die Kardinäle kennenlernen und einschätzen können. In unseren Klöstern kennen wir uns so gut, dass wir meistens sogar auf Aussprachen vor den Wahlen verzichten. Man weiß im Grunde schon alles von den denkbaren Kandidaten.
Das ist beim Konklave anders, denn hier kommen viele zum ersten Mal zusammen. Papst Franziskus hat durch die Berufung von Kardinälen von den Rändern der Welt eine neue Dynamik auf den Plan gerufen. Ich nehme an, man hat den Beginn des Konklaves relativ weit hinausgeschoben, um möglichst viel Zeit zum gemeinsamen Leben, Arbeiten, Diskutieren, Essen und vielleicht auch Feiern zu haben.
Wie gut das Kennenlernen funktioniert hat, wird man hören. Vielleicht muss man diese zeitlichen Abläufe eben aufgrund der veränderten Situation im Kardinalskollegium nach der Papstwahl neu bedenken und Anpassungen vornehmen. Ich bin gespannt, welcher Kandidat als Papst aus dem Konklave kommt, aber ich bin nicht ängstlich.
DOMRADIO.DE: Was meinen Sie: Wie lange wird das Konklave wohl dauern?
Schröder: Ich bin während des Konklaves leider nicht in Rom, werde aber am vierten Tag zurückkommen – und ich hoffe, dass es dann schon einen neuen Papst gibt.
Das Interview führte Roland Müller.