"Es sind intensive Zeiten." Mit diesen Worten hat Abt Nikodemus Schnabel die derzeitige Situation im Heiligen Land beschrieben. Der Leiter der Dormitio-Abtei auf dem Zionsberg in Jerusalem gab am Montagabend im Rahmen eines Live-Gesprächs auf Instagram einen Einblick in den Alltag der Benediktiner inmitten des aktuellen Nahost-Konflikts. "Alarme gehören zu unserem Leben dazu", sagte Schnabel im Gespräch mit DOMRADIO.DE-Chefredakteur Renardo Schlegelmilch. In der Nacht gebe es meistens zwei Warnungen vor Luftangriffen aus dem Iran oder dem Jemen. "Aber auch tagsüber kann man eine Gefahr niemals ausschließen."

Gleichzeitig stellte der Abt der Dormitio-Abtei klar: "Ich habe keine Angst um mein Leben. Sicherer als bei uns im Kloster kann man in Israel wahrscheinlich gar nicht sein." Als Gründe führte Schnabel die dicken Mauern der Abtei, die Schutzräume im Kloster und die Lage in der Jerusalemer Altstadt an. Die Raketen aus dem Iran würden das historische Viertel der israelischen Hauptstadt nicht angreifen, Ziele in anderen Teilen Jerusalems gebe es hingegen schon.
Schnabel zeigte sich erleichtert, dass sich viele seiner Mitbrüder im Urlaub in Europa befinden. "Wir sind nur mit einer absoluten Notbesetzung in Jerusalem und in unserem Priorat in Tabgha: jeweils sind nur drei Brüder vor Ort." Die anderen Mönche hätten sich beim Abt gemeldet und ihm mitgeteilt, dass sie in dieser schwierigen Situation gerne in Jerusalem wären. "Ich sage ihnen dann aber, dass sie ihren Urlaub genießen sollen. Zurückfliegen können sie im Moment sowieso noch nicht", so Schnabel.
Als Benediktiner binde man sich an ein bestimmtes Kloster als dauerhaften Lebensort. Das bedeute, dass man die Umstände kenne, unter denen man lebe. "Und das heißt in unserem Fall eben, dass dazu auch Situationen wie diese dazugehören." Deshalb hätten er und seine Mitbrüder nicht vor, sich aus dem Land fliegen zu lassen – auch wenn sie die Möglichkeit dazu hätten. "Ich möchte kein Schönwetter-Mönch sein, sondern auch die schwierigen Momente hier in Jerusalem aushalten", sagte Schnabel.
Gleichzeitig hätten die Benediktiner eine Verantwortung für gestrandete Pilger und Urlauber, denen sie in ihren Räumlichkeiten in Jerusalem und Tabgha am See Genezareth Unterkunft gewährten. "Ich habe die Menschen auch in den vergangenen Monaten immer zu einer Reise ins Heilige Land aufgerufen. Dann ist es selbstverständlich, dass wir sie als Gäste auch in einer Notsituation in unserem Kloster aufnehmen", so der Jerusalemer Abt. Aktuell würden sich etwa acht Pilger in der Dormitio-Abtei befinden, im Priorat ebenso viele. Wegen der Angriffe aus dem Iran ist der Luftraum über Israel gesperrt und die Menschen können nicht nach Deutschland zurückkehren.

"Unsere Berufung ist es, einfach da zu sein." Deshalb würden die Mönche die Kirchen als Orte des Gebets für jedermann wie gewohnt öffnen. "Wir wollen Inseln der Hoffnung bieten." Wegen der aktuellen Bedrohung durch Luftangriffe gebe es derzeit eine Ausgangssperre in Jerusalem, die an die Zeit der Corona-Pandemie erinnere. Die Polizei kontrolliere Passanten auf der Straße und man müsse einen Grund haben, um seine Wohnung zu verlassen, erklärte Schnabel.
Der Abt kritisierte die gesellschaftliche Debatte über die militärischen Konflikte scharf: Eine Dehumanisierung und Dämonisierung von Menschen sowohl von israelischer als auch palästinensischer oder iranischer Seite sei nicht hinnehmbar. "Wir sind nicht pro Israel oder pro Palästina, sondern pro Mensch." Die abrahamitischen Religionen würden im Grundkonsens übereinstimmen, dass der Mensch heilig sei.
Man dürfe die militärischen Konflikte nicht wie ein Fußballspiel kommentieren. Schnabels Aufruf an Politik und Gesellschaft: "Packt die Flaggen weg." Besonders in den sozialen Medien seien die Reaktionen auf die Auseinandersetzungen im Nahen Osten geschmacklos. "Es ist furchtbar zu sehen, wie Menschen feiern, dass Menschen getötet werden."

Auch wenn seit Freitag nach dem Angriff Israels auf strategische Ziele im Iran dieser Konflikt im Fokus der Weltöffentlichkeit stehe, dürfe nicht vergessen werden, dass weiterhin Krieg im Gaza-Streifen herrsche, so Schnabel. Die Auseinandersetzung in dem Palästinensergebiet hatte nach dem Überfall der Hamas am 7. Oktober 2023 auf ein israelisches Festival mit mehr als 1.100 Todesopfern begonnen. Die militant-islamische Gruppe hatte von dort 250 Menschen entführt. Der militärische Konflikt dauert bis heute an. Israel wird für seine harten Maßnahmen kritisiert, die auch die Zivilbevölkerung schwer treffen.
Die Benediktiner auf dem Zionsberg in Jerusalem beten dort täglich für den Frieden im Heiligen Land. Abt Nikodemus Schnabel rief dazu auf, sich diesem Friedensgebet über die Kanäle der Dormitio-Abtei in den Sozialen Medien anzuschließen. "Das Heilige Land steht so schlimm da, wie lange nicht." Es brauche das Gebet für den Frieden, ist Schnabel überzeugt.