Abschied von Domkapitular emeritus Josef Sauerborn im Kölner Dom

"Ein bildgewaltiger Poet mit kraftvoller Sprache"

Für den verstorbenen Künstlerseelsorger Sauerborn musste der Glaube Formen und Farbe, Klang und Raum haben. Bei seinen Exequien wurde an einen einfühlsamen, immer dialogbereiten und hochgebildeten Vermittler und Brückenbauer erinnert.

Autor/in:
Beatrice Tomasetti
Exequien für Domkapitular em. Josef Sauerborn / © Beatrice Tomasetti (DR)
Exequien für Domkapitular em. Josef Sauerborn / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Unter Glockengeläut zieht die lange Trauerprozession von der Domherrensiedlung, wo der Verstorbene in den letzten Tagen aufgebahrt worden war, die Burgmauer entlang zum Kölner Dom. Groß ist die Anteilnahme, mit der Prälat Josef Sauerborn, bis 2023 Künstlerseelsorger im Erzbistum Köln und am 19. September an den Folgen einer schweren Erkrankung verstorben, auf seinem letzten Weg begleitet wird. 

Exequien für Domkapitular em. Josef Sauerborn / © Beatrice Tomasett (DR)
Exequien für Domkapitular em. Josef Sauerborn / © Beatrice Tomasett ( DR )

In der Krypta des Binnenchores soll er beigesetzt, zu einem späteren Zeitpunkt – wenn die Arbeiten auf dem Domherrenfriedhof fertig gestellt sein werden – dort beerdigt werden. Doch zunächst zelebriert Erzbischof Kardinal Woelki zusammen mit den drei Weihbischöfen Steinhäuser, Puff und Schwaderlapp den Trauergottesdienst, während der schlichte Holzsarg mit der Stola und dem Kelch des Verstorbenen vor dem Altar aufgestellt wird. Hier hatte Sauerborn 1974 von Joseph Kardinal Höffner die Priesterweihe empfangen, seine geistliche Heimat gefunden und war Kölns Kathedrale bis zum Schluss zutiefst verbunden geblieben, selbst als über die letzten Monate, schon von seiner Diagnose sehr gezeichnet, die körperlichen Kräfte mehr und mehr schwanden. 

Und hier erweisen ihm an diesem Vormittag auch das Domkapitel, die Stadt- und Kreisdechanten, Mitbrüder aus allen Gemeinden der Diözese sowie viele haupt- und ehrenamtlich an Kölns Kathedrale Beschäftigten die letzte Ehre. Für den Diözesanrat, als dessen Bischofsvikar er viele Jahre tätig gewesen ist, nehmen der langjährige Vorsitzende Thomas Nickel und sein Nachfolger in diesem Amt, Tim-O. Kurzbach, teil. Aber auch die Präsidentin des Zentraldombauvereins, Barbara Schock-Werner, und viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Dombauhütte, der Dombauverwaltung, dem Domforum und dem Generalvikariat, darunter Künstlerseelsorger Patrick Oetterer, sowie Frank Zielinski, Leiter des Diakoneninstitutes – beide wirken in der Liturgie als Diakone mit – sind unter den Teilnehmenden der von der Dommusik unter der Leitung von Domkapellmeister Alexander Niehues und Domkantor Sperling musikalisch gestalteten Exequien. 

Exequien für Domkapitular em. Josef Sauerborn / © Beatrice Tomasett (DR)
Exequien für Domkapitular em. Josef Sauerborn / © Beatrice Tomasett ( DR )

Auch ehemalige Schülerinnen und Schüler aus seiner Wuppertaler Zeit als Religionslehrer, Studierende aus der Bonner Zeit als Hochschulpfarrer oder Menschen, denen er als Künstlerseelsorger begegnet ist und zu denen er über seine Emeritierung hinaus die Treue gehalten hat, befinden sich unter den Trauergästen und verneigen sich in großer Dankbarkeit vor dem überaus geschätzten Geistlichen, der stets für eine beispielhafte Mitmenschlichkeit, Bescheidenheit und tiefe Spiritualität gestanden hatte.

Rainer Maria Kardinal Woelki

"Was er sagte, hatte immer Tiefgang und führte zum Wesentlichen."

Alle gemeinsam trauern sie um einen ganz besonderen Menschen und Seelsorger, um einen "hochverehrten, geschätzten Mitbruder aus unserem Presbyterium", wie Kardinal Woelki gleich zu Beginn des Requiems betont. "Was er ein Leben lang verkündet und gefeiert hat, hat hier in der Feier der Eucharistie seinen tiefsten Grund." Denn als Priester habe er aus dem festen Glauben an die Auferstehung gewirkt, stellt Woelki fest und ergänzt, dass Sauerborn zwar eher zu den Stillen gehört habe, aber gerade deshalb umso aufmerksamer wahrgenommen worden sei, was er zu sagen gehabt hätte. "Das hatte immer Tiefgang und führte zum Wesentlichen", erklärt der Erzbischof. Er erinnert an die vielen Aufgaben und Stationen Sauerborns, unter anderem an seine Zeit als Lehrer, als Erwachsenenseelsorger im Generalvikariat, als kfd-Präses, als Bischofsvikar für den Diözesanrat und als Spiritual im Priester- und Diakoneninstitut – und damit an die vielen unterschiedlichen Seelsorgeeinsätze, bei denen er vielen Menschen geistlicher Weggefährte und Begleiter gewesen sei und ihnen dabei geholfen habe, den zu finden, den sie gesucht hätten: Jesus Christus. "Aus ganzem Herzen wollen wir ihm für seinen priesterlichen Dienst danken und darauf vertrauen, dass er im Himmel – vor Gottes Angesicht – für uns eintreten wird", so Woelki.

Exequien für Domkapitular em. Josef Sauerborn / © Beatrice Tomasett (DR)
Exequien für Domkapitular em. Josef Sauerborn / © Beatrice Tomasett ( DR )

In seiner Predigt würdigt Domkapitular Dominik Meiering, der 20 Jahre mit Sauerborn in der Kunstkommission des Erzbistums und im "Verein für Christliche Kunst" sowie zehn Jahre im Domkapitel zusammengearbeitet hat, als einen Mittler, der – wie der Mittler Jesus Christus – immer in einem "Dazwischen" zu finden gewesen sei: zwischen den Menschen und Gott, aber auch zwischen der Kunst und der Kirche, den Laien und dem Bischof, dem Wort Gottes und der Gemeinde. An seiner Person sei ablesbar gewesen, wie Gott auf vielfältige Weise erspürt werden könne und zwischen den Menschen erlebbar sei.

Dominik Meiering

"Josef Sauerborn war eine Karsamstagsexistenz; einer, der in diesem Zwischenraum stand und glaubte, dass man die Stille und auch Ungewissheiten aushalten muss und dass es nicht hilft, nur einfache Antworten zu bekommen."

Meiering argumentiert, dass der Beerdigungstag wie ein Karsamstag sei; ein Tag, an dem ausgehalten werden müsse, dass die Trostlosigkeit und Trauer des Karfreitags bereits vorbei, die Hoffnung, das Neue – Ostern – aber noch nicht sichtbar sei. Wörtlich formuliert er: "Josef Sauerborn war eine Karsamstagsexistenz; einer, der in diesem Zwischenraum stand und glaubte, dass man die Stille und auch Ungewissheiten aushalten muss und dass es nicht hilft, nur einfache Antworten zu bekommen. Stattdessen wollte er mit seinem Leben Antwort geben." Dieses "Dazwischen" gehöre zur Conditio humana dazu, denn der Mensch befinde sich nun mal in seinem Leben zwischen Mangel und Fülle, Verzweiflung und Zuversicht.

Auch in seiner großen Familie – Josef Sauerborn war das vierte von insgesamt neun Geschwistern – sei er immer "dazwischen" bzw. "zwischendrin" gewesen – wie auch später in den ihm übertragenen kirchlichen Ämtern und Debatten, die hätten geführt werden müssen und die immer ernst gewesen seien, weil es stets für die ihm überantworteten Gruppierungen um etwas gegangen sei. Doch gerade da sei er klug und bedacht gewesen, habe Verständnis und Sensibilität gezeigt und sich jeweils auch der Perspektive des anderen geöffnet, ohne je zu verurteilen. "Mit großem Freigeist hat er gelebt und leben lassen. Er konnte zuhören, Resonanz geben und einfühlsam reagieren." Immer habe er sich mutig auf den Dialog eingelassen. "Josef war ein kluger, gebildeter Mann, und er war kreativ", würdigt Meiering den Mitbruder, der immer wieder auch Messkompositionen für die traditionelle Ostermusik in Auftrag gegeben hat. "Das Schöne, Wahre und Gute waren für ihn wie selbstverständlich miteinander verbunden." 

In einer Familie mit acht Geschwistern aufgewachsen

Er habe mit großen Künstlern zu tun gehabt, sich aufgrund der eigenen Biografie – der Vater war Kunstmaler und kam nach dem Krieg aus russischer Gefangenschaft zurück – aber auch immer gut in Menschen hineindenken können, die mit ihrer Kunst am Existenzminimum standen. "Ich weiß, wie es ist, in einer Künstlerfamilie aufzuwachsen und eine Künstlerexistenz zu leben", habe er Künstlern gegenüber immer wieder freimütig bekannt, zitiert Meiering aus Gesprächen.

Für Sauerborn, unterstreicht er, seien Kunst und Kirche ein Geschwisterpaar gewesen, weil sie beide für existenzielle Fragen stehen würden. "Und er spürte, der Glaube kann nicht nackt sein. Er braucht Formen und Farben, Klang und Raum." Josef Sauerborn sei ein bildgewaltiger Poet mit kraftvoller Sprache gewesen, vielseitig interessiert und vielbelesen. In der Wahrnehmung anderer sei er aber vor allem ein Vermittler, Brückenbauer, Moderator und Anwalt gewesen, die jeweils – auf ihre ganz eigene Weise – mit dem "Dazwischen" zu tun hätten – so wie es die Identität Jesu sei, Mittler Gottes zu sein, und das Selbstverständnis von Josef Sauerborn gewesen sei, Mittler des Evangeliums zu sein. "Im Dazwischensein, im Übergang, Schweben und Flirren spüren wir doch erst, dass wir lebendig sind", ruft Meiering der Trauergemeinde im Dom entgegen.

Liebhaber von Kunst, Musik und Literatur

Fast 20 Jahre lang – von 2004 bis 2023 – war Prälat Sauerborn Künstlerseelsorger und Vorsitzender der Kunstkommission im Erzbistum Köln gewesen; eine Aufgabe, die ihm wie auf den Leib geschneidert schien, zumal er sich als Liebhaber von Kunst, Musik und Literatur den hier erlebbaren schöngeistigen Impulsen mit großer Leidenschaft verschrieb und nicht müde wurde, Atelierbesuche zu initiieren und dabei Gesprächsangebote zu machen, um mit den Kunstschaffenden in einen angeregten Dialog über die letzten Fragen, vor allem aber auch den Austausch zum Thema "Wo begegne ich Gott in der Kunst?" zu treten. Prälat Sauerborns Begleitung von Künstlerinnen und Künstlern war geprägt von Wertschätzung und leiser Präsenz. Er nahm ihre Lebens- und Arbeitswirklichkeit ernst, gestaltete den "Aschermittwoch der Künstler" als Ort des Dialogs zwischen Kunst und Kirche und gab genauso Raum für Diskussion wie für Annäherung. In einem seiner letzten Interviews im Juli 2025 hat er gesagt: "Kunst und Kirche haben eine Verwandtschaft, weil sie die inneren Bedürfnisse der Menschen als Anliegen haben. Künstler sind für die Fragen, auf die die Kirche versucht, Antworten zu suchen, sehr aufgeschlossen."

Exequien für Domkapitular em. Josef Sauerborn / © Beatrice Tomasett (DR)
Exequien für Domkapitular em. Josef Sauerborn / © Beatrice Tomasett ( DR )

2004 wurde Prälat Sauerborn zum residierenden Domkapitular ernannt und mit seinem 75. Geburtstag 2023 emeritiert, was ihn nicht davon abhielt, sich auch weiterhin über die Zukunft der Kirche Gedanken zu machen. So hatte er 2023 in einem Gespräch mit dem Domradio gesagt: "Ich habe kein Patentrezept, außer dass man wirklich versucht, zum Kern zu finden. Nicht zurückzufinden, denn der Kern ist ja immer da. Der Kern wird oft überdeckt von allem Möglichen. Für mich ist der Kern Glaubensverkündigung in Wort und Tat." Auch nach seinem Eintritt in den Ruhestand vor zwei Jahren blieb Prälat Sauerborn in der Kirche und am Dom immer präsent: als Beichtvater, Prediger, geistlicher Begleiter – und als Mensch.

Quelle:
DR

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