Kampf maronitischer und melkitischer Christen in Nordisrael

73 Jahre Sehnsucht nach Rückkehr ins eigene Dorf

Für ihre einstigen Bewohner stehen Ikrit und Biram für die Sehnsucht nach Heimat und den Schmerz des Verlustes. 73 Jahre, nachdem sie die Dörfer auf Armeeweisung verließen, warten sie immer noch auf das Recht zur Rückkehr.

Autor/in:
Andrea Krogmann
Dorfkirche von Biram / © Andrea Krogmann (KNA)
Dorfkirche von Biram / © Andrea Krogmann ( KNA )

1948 verließen die Bewohner zweier christlicher Dörfer im Norden Galiläas auf Geheiß der israelischen Armee ihre Orte. Seither kämpfen Überlebende und Nachfahren des Maronitendorfes Biram und des Melkitendorfes Ikrit um das, was ihnen bei der Evakuierung schriftlich zugesichert und später gerichtlich bestätigt wurde: die Rückkehr in ihre Heimat. Bis heute ist das Versprechen uneingelöst - und die Sehnsucht der Betroffenen nach Gerechtigkeit und Wiedergutmachung ungebrochen. Ein gemeinsamer "Tag des Gebets" mit Kerzenprozession, Messe und kulturellen Aktivitäten soll am Samstag die Anliegen einmal mehr auf die israelische und internationale Agenda bringen.

Grenze zum Libanon

Weit reicht der Blick über die grünen Hügel des nördlichen Galiläa. Luftlinie gut 2,5 Kilometer ist die Grenze zum nördlichen Nachbarn Libanon entfernt. Jemand hat mit roter Farbe "Handala" an einen Schuppens gesprüht, den Namen jenes ikonischen Palästinenserjungen des Karikaturisten Nadschi al-Ali, der still gegen die israelische Besatzung demonstriert. Daneben steht die Kirche. Der Bau aus dem örtlichen hellen Stein ist das einzige, was vom griechisch-katholischen melkitischen Dorf Ikrit heute noch steht.

Wenig anders sieht es in Biram 20 Kilometer östlich aus. Üppige Vegetation hat längst die Ruinen des Dorfes fest im Griff. Die Natur macht sich breit in den Mauerresten, doch die Wurzeln der Dorfbewohner gehen tiefer. Bis heute ist die Kirche wie jene von Ikrit sonn- und feiertäglicher Anziehungsort der Hinterbliebenen des verlorenen Dorfes. Hochzeiten und Taufen werden hier gefeiert. "Ich komme aus Biram, ich wohne nur momentan in Jisch", heißt es auch noch vier Generationen später.

Maronitisches Erzbistum von Haifa

"Es ist unser Recht, unsere Rückkehr zu fordern", sagt der Generalvikar Afif Makhoul des maronitischen Erzbistums von Haifa und dem Heiligen Land der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Zusammen mit dem griechisch-katholischen melkitischen Erzbistum von Akko, Haifa, Nazareth und ganz Galiläa und den Bürgervertretungen beider Orte steht das Bistum hinter der Mahn- und Gedenkveranstaltung. "Unter jeder neuen israelischen Regierung fordern wir Gerechtigkeit für unseren Fall, und so richtet sich auf jetzt unser Appell an sie und an die ganze Welt."

"Die Verhandlungen müssen wieder aufgenommen werden, oder präziser: der bereits verhandelte Kompromiss muss durch die Regierung zur Abstimmung gebracht werden", fordert auch Nemi Aschkar von der Bürgervertretung Ikrit. Erstmals sitzt eine arabische Partei in der israelischen Regierung. Der Zeitpunkt für neuerlichen Druck zur Einlösung des historischen Versprechens sei daher günstig.

Das ursprüngliche Versprechen der Armee sei aufrichtig gewesen und kein Bluff, glaubt der ehemalige Knessetabgeordnete David "Dedi" Zucker, seinerzeit als Kopf des parlamentarischen Rechtsausschusses mit dem Fall betraut. Trotzdem verstrich statt der versprochenen zwei Wochen die Zeit. 1951 erlaubte das Oberste Gericht den Bewohnern die Rückkehr. Doch die israelische Luftwaffe sprengte die Dörfer mit Ausnahme der Kirchen - ausgerechnet an Weihnachten.

Ikonisches Beispiel

Rechtliche oder sicherheitsrelevante Fragen stehen nach Einschätzung Zuckers der Rückkehr der Menschen in die Dörfer nicht im Weg. Vielmehr seien sie ein ikonisches Beispiel für die komplexe Psychologie des arabisch-israelischen Konflikts um das Land. Sie stehen für die israelische Angst vor einem Präzedenzfall für ein Rückkehrrecht der Palästinenser - ein Präzedenzfall aber, der keiner wäre: Als die Bewohner während des Unabhängigkeitskriegs ihr Dorf verließen, waren sie längst israelische Staatsbürger.

Der israelischen Angst steht die Sehnsucht nach Heimat und Zugehörigkeit der Menschen von Ikrit und Biram gegenüber. Samstag für Samstag, Fest für Fest halten sie ihre Hoffnung hoch. Rückhalt haben sie auch im Vatikan. Zuletzt im August hatte ein hoher Vertreter der Vatikan-Botschaft sie und ihre Dörfer besucht und sich über den Rechtsstreit informiert. Auch 2014 beim Besuch von Papst Franziskus waren die Anliegen Ikrits und seines Nachbarn ein Thema.

Die beiden Kirchen, erklärt Generalvikar Makhoul, wollen künftig im jährlichen Wechsel zwischen Ikrit und Biram gemeinsam an das Schicksal der Christendörfer erinnern - solange, bis es eine Lösung gibt.


Quelle:
KNA
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