65 Jahre Internationale Orgelfeierstunden im Kölner Dom

"Wir Interpreten leben von der gegenseitigen Inspiration"

An diesem Dienstag startet der traditionelle Sommerreigen mit zwölf hochkarätigen Orgelkonzerten im Kölner Dom. Seit 2001 kuratiert Domorganist Winfried Bönig diesen Zyklus und ist trotzdem noch neugierig auf das Spiel der Kollegen.

Autor/in:
Beatrice Tomasetti
Professor Winfried Bönig spielt zum Auftakt Bossi, Mozart, Dupré und Lemare / © Beatrice Tomasetti (DR)
Professor Winfried Bönig spielt zum Auftakt Bossi, Mozart, Dupré und Lemare / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Den weitesten Weg hat diesmal Amelie Held aus New York, wenn sie am 1. Juli zu Gast im Kölner Dom ist und auf Einladung von Domorganist Winfried Bönig im Rahmen der Internationalen Orgelfeierstunden Werke oder Transkriptionen vonAlfred Hollins, Richard Wagner, Jeanne Demessieux, Marco Enrico Bossi und Sigfrid Karg-Elert spielt. 

Aber auch namhafte Interpreten wie Ghislain Leroy aus dem französischen Lille, Laszlo Fassang aus Budapest, Adriano Falcioni aus Perugia, Christian Barthen aus Bern oder Johannes Lang aus der Leipziger Thomaskirche sorgen bei dieser weit über die Stadtgrenzen der Rheinmetropole hinaus beliebten Konzertreihe für gewohnt internationales Flair. Alle sind sie ausgewiesene Experten ihres Fachs, bieten Orgelkunst auf höchstem Niveau und bringen ein vielseitiges und abwechslungsreiches Programm nach Köln mit. 

Blick auf die Orgeltribüne im Nordquerhaus / © Beatrice Tomasetti (DR)
Blick auf die Orgeltribüne im Nordquerhaus / © Beatrice Tomasetti ( DR )

"Es ist die Mischung aus Tradition und völlig Neuem, aus Konservativem und Buntem, aus klassischen Highlights und exotischen Impulsen, die fürs Publikum den Reiz dieser weltweit renommierten Konzertreihe ausmacht und selbst für mich noch manche Überraschung bereit hält", erklärt Bönig, der die Konzertreihe seit über 20 Jahren verantwortet. Die vertretenen Länder seien allesamt Orgelländer. 

"Und jeder Kollegen gibt seine musikalische Visitenkarte bei uns ab. Da wird es nie langweilig. Im Gegenteil: Dieses internationale Treffen ist super spannend, und wir Interpreten leben immer auch von der gegenseitigen Inspiration, weil wir alle neugierig sind zu hören, wie der jeweilige Organist mit diesem Instrument umgeht, welche Klänge er ihm entlockt." Schließlich gebe es so unfassbar viel Orgelliteratur: eine schier unendliche Anzahl an Optionen – auch um die ganze Bandbreite an Klangfarben auszuschöpfen. 

Eröffnung am 17. Juni mit Kölner Domorganist

Den Auftakt übernimmt wie immer Domorganist Bönig selbst. Zur Eröffnung spielt er an diesem Dienstag von Marco Enrico Bossi Pièce héroïque op.128., außerdem von Mozart die Phantasie f-moll KV 608 und Andante F-dur für eine Flötenuhr KV 616, Evocation op. 37 und Poème symphonique pour orgue "A la mémoire d‘Albert Dupré" von Marcel Dupré sowie die Toccata di Concerto op. 59 von Edwin Lemare.

Auch andere erinnern in ihrem Programm an Bossi, den bedeutendsten Orgelkomponisten Italiens, dessen 100. Todestag in diesem Jahr begangen wird. Manchmal dränge sich ein Jubiläum oder Gedenkjahr geradezu auf, erklärt Bönig, so dass es ganz wunderbar sei, wenn sich unterschiedliche Künstler mit demselben Komponisten auseinandersetzten und so ein bunter Strauß an Widmungen gebunden werde. 

"Im Übrigen aber sind die Kollegen bei der Zusammenstellung ihrer Programme grundsätzlich völlig frei. Da gibt es keine Empfehlungen meinerseits, nur Doppelungen bei der Auswahl der Stücke will ich vermeiden", sagt er. Was aber ohnehin selten der Fall sei, da manch einer auch landestypische Literatur mitbringe, was dann schon mal automatisch für Variationen und Vielfalt sorge.

Winfried Bönig

"Die Spannung besteht ja gerade darin, dass jeder einen anderen Fokus setzt, einen inhaltlichen ‚Aufhänger’ schafft, um die Menschen mit seiner Musik zu erreichen."

Entsprechend freut sich Bönig, wenn jemand – wie Anna Lapwood aus Cambridge, die die Orgelfeierstunde am 17. Juli spielt – für etwas steht, was er selbst nicht auf seiner Agenda habe, wie er einräumt, und damit einen ganz eigenen Akzent setze, was im Internet übrigens durch die Decke gehe. In diesem Fall ist es ein Mix aus Klassik und großen Filmmusiken wie "Pirates of the Caribbean" von Hans Zimmer oder "Duel of the Fates" von John Williams. 

"Mir gefällt, dass da jemand mit neuen Ideen kommt und offensichtlich auf seine Weise zusätzliche Fans für das Instrument Orgel gewinnt", betont der Dommusiker. "Die Spannung besteht ja gerade darin, dass jeder einen anderen Fokus setzt, einen inhaltlichen ‚Aufhänger’ schafft, um die Menschen mit seiner Musik zu erreichen." Und immer solle den Zuhörern in den Konzerten auch etwas Neues geboten werden, nicht zuletzt mit kompositorischen Raritäten. "Sonst rostet man doch ein", lacht Bönig. "Aber dafür sind wir in unserem Metier viel zu neugierig und stellen uns aus Überzeugung immer wieder neuen musikalischen Herausforderungen." 

Mit einem Appetitanreger ins Programm einsteigen

Um genau dafür zu sorgen und jedes Jahr neu in diesen Musiksommer am Kölner Dom mit einem "Appetizer", einem sogenannten Appetitanreger, einzusteigen, brauche es immer ein paar Monate Vorlauf, erläutert der 66-Jährige. "Mit meinen eigenen Programmen" – Bönig spielt traditionell zu Beginn der Konzertreihe, in der Mitte und am Ende – "gehe ich jedenfalls immer eine ganze Weile schwanger. Auf dem Fahrrad oder bei einem Spaziergang setzt sich mitunter erst allmählich die Programmarchitektur zusammen." 

Die Stücke sollten schließlich wie durch ein unsichtbares Band miteinander verbunden sein. "Dupré hat sein ‚sinfonisches Gedicht’ dem verstorbenen Vater gewidmet, die Transkription von Mozart habe ich für mich nach Jahren noch einmal neu entdeckt. Und Lemare kennen vermutlich nur wenige, hat also einen Überraschungseffekt." Für ihn passe das – einschließlich Bossi – ganz wunderbar zusammen.

Winfried Bönig

"Heute ist die Palette, was in einer Kirche wie dem Kölner Dom möglich ist, viel breiter gefächert."

Seit März sitze er an den Vorbereitungen zu seinen drei Auftritten in den Sommerferien, so Bönig. Schließlich gebe es auch wirklich schwere Kompositionen, die schon ihre Zeit brauchten und selbst für einen Profi stundenlanges Üben erforderlich machten. "Das ist wie ein Blumenbeet, auf dem nur mit viel Geduld allmählich etwas zu blühen beginnt." 

Früher sei Bach bei solchen Veranstaltungen automatisch gesetzt gewesen und hätte nicht fehlen dürfen. "Zum Glück sind solche Zeiten vorbei. Heute ist die Palette, was in einer Kirche wie dem Kölner Dom möglich ist, viel breiter gefächert. Man wundert sich – auch akustisch – was in diesem Raum doch alles geht!"

Die Schwalbennestorgel im Mittelschiff des Kölner Doms / © Beatrice Tomasetti (DR)
Die Schwalbennestorgel im Mittelschiff des Kölner Doms / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Die Faszination dieser einzigartigen Verbindung von Musik und Architektur, Dom und Orgel, wie sie in Köln erlebbar sei, erschöpfe sich einfach nicht. Vielmehr sei sie das Erfolgsrezept dieser Konzertreihe. "Diese lange Tradition – nunmehr 65 Jahre – hat hier ein ganz eigenes fachkundiges Publikum herangezogen. Für viele sind die Orgelfeierstunden fester Bestandteil ihres Sommers", stellt Bönig fest, "und für mich schon jetzt Vorfreude pur."

Der Eintritt zu den Internationalen Orgelfeierstunden ist frei. Um Spenden wird gebeten. Sie kommen der neuen Marienorgel im Kölner Dom zugute, die bis zum Sommer 2026 fertig gestellt sein soll.

Information der Redaktion: DOMRADIO.DE überträgt die drei Konzerte der Orgelfeierstunden 2025 mit Winfried Bönig live in Ton und Bild im Internet sowie bei Youtube und Facebook. Der Auftakt ist an diesem Dienstag ab 20 Uhr. 

65. Orgelfeierstunden im Kölner Dom

Die Orgelfeierstunden, die in diesem Jahr ihr 65-jähriges Bestehen feiern, finden in den Sommermonaten immer dienstags um 20 Uhr im Kölner Dom statt. Künstlerischer Leiter ist Domorganist Professor Winfried Bönig, der die Reihe kuratiert und auch selbst drei der Orgelkonzerte spielt. Ebenso ist auch einer seiner beiden bisherigen Assistenten, David Kiefer, der im Sommer wieder nach Freiburg zurückgeht, mit von der Partie. Die Konzerte am 17. Juni, 29. Juli und 2.

Ein Mann spielt Orgel / © Julia Steinbrecht (KNA)
Ein Mann spielt Orgel / © Julia Steinbrecht ( KNA )
Quelle:
DR

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