50 Jahre Focolar-Bewegung

Streben um Einheit und Versöhnung

Feuer steckt im Namen dieser Bewegung: "Focolare" nennt der Trienter Volksmund die kleinen Feuerstellen in Bauernhäusern, an denen sich die Familien versammeln. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das zum Spitznamen einer jungen Bewegung um die Volksschullehrerin Chiara Lubich, die 1943 als 23-Jährige anfing, junge Gläubige um sich zu sammeln. Sie teilten mit der tiefreligiösen Frau das Streben um Einheit und Versöhnung.

Autor/in:
Klaus Nelißen
 (DR)

Heute gehören die Fokolare zu den einflussreichen geistlichen Bewegungen der katholischen Kirche. Die im März 88-jährig verstorbene Gründern hinterließ eine Gemeinschaft, die nach eigenen Angaben 141.000 Mitglieder und über fünf Millionen Sympathisanten in 182 Ländern hat. Deutschland spielt in der Geschichte der Fokolare eine zentrale Rolle. Am Donnerstag feiern die Fokolare in Berlin ihr 50-jähriges Bestehen in der Bundesrepublik.

«Zunächst war bei Chiara ein innerlicher Widerstand im Hinblick auf Deutschland», erinnert sich Vittorio Fasciotti, eines der deutschen Gründungsmitglieder. Nur knapp hatte Lubich im Krieg einen Bombenangriff überlebt, ihr Bruder entging einem deutschen Erschießungskommando. Doch der Ruf des Gründers der Organisation «Kirche in Not», Pater Werenfried van Straaten (1913-2003), überzeugte sie. Der «Speckpater» überredete Lubich 1958 bei einem Sommertreffen der Fokolare in den Dolomiten, ihm bei seiner Aufbauarbeit in Deutschland zu helfen. Das Schicksal des geteilten Deutschlands bewegte die Gründerin, die auf den Vorschlag einging.
Diese Begegnung verstehen die Fokolare in Deutschland als ihr Gründungsdatum.

Lubich schickte den heute 78-jährigen Fasciotti, der später der Leiter des Römischen Verlags «Neue Stadt» werden sollte, nach Köln.
Dort wurde Anfang 1959 ein «Fokolar» genanntes Zentrum ins Leben gerufen, im Herbst folgte eine Gründung in Berlin-Tempelhof.
«Deutschland war das erste Land außerhalb Italiens, in dem sich die Bewegung institutionell engagierte», sagt von Straaten-Fachmann Manfred Döbbeler. Dabei richtete sich Lubichs Blick besonders auf Ost-Deutschland. Bald sandte sie Fokolare-Ärzte aus Italien und später auch aus Westdeutschland in die Sowjet-Zone, nach Ost-Berlin, Leipzig und Erfurt.

«Chiara kam alle drei Monate und gab den Ost-Ärzten spirituelle Unterweisungen», erzählt Franziska Renner. Die heute 78-Jährige lebte damals wie Fasciotti in der Berliner Gründung. Obwohl die Ärzte ihre Zugehörigkeit zu den Fokolaren verheimlichten, hätten sie vor Ort als Christen offen gelebt. Die DDR-Führung habe sogar einige für ihren Beitrag zur Gesellschaft ausgezeichnet, so Renner. Aber als 1961 die Mauer gebaut wurde, sei der Kontakt zu den Fokolaren in der DDR schwächer geworden.

Das Jahr des Mauerbaus brachte für die Fokolar-Bewegung eine Zeit der Prüfung. Der oberste Glaubenshüter des Vatikans, Kardinal Alfredo Ottaviani, richtete den Blick seiner Behörde auf die wachsende Gruppe. «Man hielt uns für Protestanten oder Kommunisten, weil wir von der Heiligen Schrift und von Gütergemeinschaft sprachen», scherzt Fasciotti. Zur Seite sprang Kardinal Julius Döpfner. Der langjährige Berliner Bischof hegte Sympathien für die Bewegung wegen ihres Ost-Engagements. Er sorgte in Rom für eine positive Bewertung der Fokolare.

Zu dem Zeitpunkt hatten diese längst in Deutschland Fuß gefasst, besonders in den Priesterseminaren von Münster und Freiburg. Schon früh kam Klaus Hemmerle, das später bekannteste deutsche Gesicht der Fokolare, mit Lubich in Berührung. Ebenso wie der Speckpater war der junge Freiburger Seminarist im Sommer 1958 in den Dolomiten. Bis zu seinem Tod 1994 prägte der Bischof von Aachen und enge Lubich-Vertraute das theologische Profil der Bewegung. «Beim Leben eines Christen hängt alles davon ab, wie lebendig das Bild Christi durch einen scheint», so Renner. «Wir wollen Sauerteig in der Gesellschaft sein - ganz so, wie Jesus predigte.»