30.000 Jugendliche feiern in Prag alternativen Jahreswechsel

"Beten statt Raketen"

Besinnlichkeit und Glaubensgespräche statt Konfetti und bunter Partys. Beim Treffen der ökumenischen Gemeinschaft von Taizé feiern die Jugendlichen auf ganz besondere Art Silvester.

Autor/in:
Michael Merten
Taizé-Jugendtreffen in Prag (KNA)
Taizé-Jugendtreffen in Prag / ( KNA )

Menschenmassen, Touristengruppen, dazwischen Jugendliche mit Rucksäcken und Isomatten: In der Prager Altstadt herrscht großes Gedrängel. Doch drei junge Frauen aus dem Bistum Limburg stört das nicht: Sie haben den idealen Ort für eine ruhige Auszeit gefunden. Auf einer Parkbank am Ufer der Moldau, wo Kinder Gänse füttern, genießen sie mit Sicht auf die proppenvolle Karlsbrücke die Wintersonne.

Raquel Herrmann (19), Magdalena Mai und Viktoria Zimmer (beide 20) sind drei von 30.000 Teilnehmern des 37. Europäischen Jugendtreffens der ökumenischen Gemeinschaft von Taizé. Den Jahreswechsel verbringen sie fernab der angesagten Clubs und Bars. Taizé-Treffen an Silvester, das bedeutet fünf Tage alkoholfreier Besinnung. Glaubensgespräche und Beten statt Party und Raketen.

"Ich brauche eigentlich keinen Alkohol und eine 'Big Party' zu Silvester", sagt Magdalena. Die Studentin der Landschaftsökologie ist mit ihren beiden Freundinnen, die sie von einem Auslandsfreiwilligendienst kennt, erst seit einem Tag in Prag. Doch sie hat bereits an einer Diskussionsrunde und drei Gebeten teilgenommen.

Taizé als religiöser Anziehungspunkt

Raquel, eine Jurastudentin, weiß, dass diese Art des alternativen Jahreswechsels unter den meisten jungen Leuten nicht als angesagt gilt. Taizé, das klinge für viele zunächst mal seltsam, so die Frankfurterin. Dabei ist die Brüdergemeinschaft aus dem südlichen Burgund, 1944 von dem Schweizer Roger Schutz (1915-2005) gegründet, zu einem religiösen Anziehungspunkt für Jugendliche aus ganz Europa geworden.

Der für ihren einfachen Lebensstil und die meditativen, eingängigen Gesänge bekannten Gemeinschaft gehören rund 100 Männer unterschiedlicher Konfessionen an. Seit 1978 veranstaltet die Kommunität jedes Jahr über Silvester ein Großtreffen in einer europäischen Großstadt; 2011 war Berlin Gastgeberin. Auch Prag war bereits 1990 Ausrichterstadt.

Botschaft des Friedens

An das Treffen vor 24 Jahren erinnerte der Prior von Taizé, Frere Alois Löser, beim ersten Abendgebet am Montag. Die Menschen in Mittel- und Osteuropa hätten damals gezeigt, dass der unerwartete Fall des Eisernen Vorhangs doch möglich war. "Dieser großartige Moment der Befreiung lässt uns auch heute hoffen, dass inmitten der gegenwärtigen Spannungen in der Welt eine Zukunft in Frieden möglich ist", betonte er.

Von Prag 2014 soll ein solches Zeichen des Friedens ausgehen, wenn rund 2.400 junge Ukrainer, 1.000 Weißrussen und 100 Russen miteinander beten, singen und feiern. Neben 7.000 Tschechen sind nach Angaben der Veranstalter auch 6.700 Polen, 3.000 Deutsche und 1.800 Franzosen anwesend; insgesamt 65 Nationen sind vertreten.

Etwa die Hälfte der Jugendlichen wohnt bei tschechischen Gastfamilien. Die anderen müssen mit Isomatte und Schlafsack in provisorischen Unterkünften schlafen. Darunter sind auch Raquel, Magdalena und Viktoria, die im Klassenzimmer eines Gymnasiums übernachten. Für die drei Duschen gibt es einen Schichtplan: Jungen dürfen sich morgens, Mädchen abends frisch machen. Der Tagesablauf ist mit einer Abfolge von Gebeten, Gesprächsrunden und Veranstaltungen fest strukturiert.

Zusammenkunft verschiedener Nationen

Raquel, die erst vor kurzem aus Kamerun zurückgekommen ist, freut sich vor allem auf die Glaubensgemeinschaft mit anderen; sie will sich auf die spirituelle Erfahrung in den Gebeten einlassen. Viele Jugendliche, schätzt Raquel, seien auf der Suche nach Sinn. Sie seien offen für den Glauben, wenn man ihn ihnen näherbringe: "Ich glaube, dass sich ganz viele Menschen eigentlich danach sehnen, aber nicht wissen, wo sie die Quelle finden können."

Viktoria, eine angehende Kunstpädagogin, schätzt es, in Prag so viele Leute aus anderen Ländern kennenlernen zu können. In ihrer Unterkunft habe sie mit vielen Polinnen diskutiert. "Ich erfreue mich einfach an der Herzlichkeit, die man hier spürt", sagt Viktoria.

Am Silvesterabend werden die Freundinnen nach dem Abendgebet am Fest der Nationen teilnehmen. Alkohol und Böller gibt es nicht. Doch Magdalena freut sich auch so: "Für mich ist das eine schöne Art, den Jahreswechsel zu feiern, um sich zu besinnen und Kraft fürs neue Jahr zu tanken."


Quelle:
KNA