175 Jahre Kirchengericht des Erzbistums Köln

Mehr als Ehenichtigkeitsverfahren

Das Kirchengericht des Erzbistums Köln feiert 175-jähriges Bestehen. Was kirchliche Rechtsprechung bedeutet und wozu es sie überhaupt gibt, erklärt der Leiter des Erzbischöflichen Gerichts, Peter Fabritz.

Das Offizialat im Schatten des Doms / © Vincent Kempf (dpa)
Das Offizialat im Schatten des Doms / © Vincent Kempf ( dpa )

DOMRADIO.DE: Es gibt im Generalvikariat ja eine Rechtsabteilung. Wozu gibt es denn dann noch ein Offizialat, das über Klagen nach kanonischem Recht entscheidet? 

Peter Fabritz

Seit Oktober 2021 ist Dr. Peter Fabritz der Offizial des Erzbistums Köln, d.h. als Gerichtsvikar leitet er stellvertretend für den Erzbischof dessen Gerichts­barkeit. Dr. Fabritz ist Priester des Bistums Essen.

Dr. Fabritz, 1966 geboren, ist auf­gewachsen als Kind des Ruhr­gebiets. Nach dem Abitur wechselte er von der Musik zur Theologie, die er in Bochum, Eichstätt und München studierte; vom Essener Bischof Hubert Luthe wurde er zum Priester geweiht.

Offizial Dr. Peter Fabritz / © Nicole Cronauge (Bistum Essen)
Offizial Dr. Peter Fabritz / © Nicole Cronauge ( Bistum Essen )

Dr. Peter Fabritz (Offizial des Erzbischöflichen Offizialats Köln): Das ist streng voneinander getrennt. Im Generalvikariat befindet sich die Rechtsabteilung, das heißt, da werden verwaltungsrechtliche Fragen entschieden und auch bearbeitet und die sogenannten außergerichtlichen Ehesachen, also Dispensen. Es wird aber auch immer wieder über Kirchenwiedereintritte entschieden und die werden da bearbeitet. 

Das Offizialat ist das Gericht des Erzbistums. Da werden dann ausschließlich gerichtliche Sachen behandelt. Es gibt in der katholischen Kirche ein eigenes Prozessrecht und dieses Prozessrecht bildet sozusagen die Geschäftsordnung für ein Offizialat, für ein kirchliches Gericht. 

DOMRADIO.DE: Und dieses Kölner Offizialat ist nun 175 Jahre alt. Das Erzbistum Köln ist natürlich schon viel, viel älter. Worin liegen denn jetzt historisch begründet die Ursprünge dieser Einrichtung?

Fabritz: Man glaubt es kaum, der Offizial als Amtmann des Bischofs von Köln lässt sich schon nachweisen bis in das Jahr 1250. Aber das war eben jemand, der für Verwaltungsfragen schon im Mittelalter zuständig gewesen ist, nicht ausschließlich für Gerichtsfragen. 

Hinweisschild des Offizialats des Erzbistums Köln / © Harald Oppitz (KNA)
Hinweisschild des Offizialats des Erzbistums Köln / © Harald Oppitz ( KNA )

Als dann 1801 das alte Erzbistum Köln, das ja zugleich auch Kurfürstentum war, untergegangen ist, wurde nach langen Verhandlungen und Auseinandersetzungen auch mit dem preußischen Staat endlich am 26. Dezember 1848 ein neues kirchliches Gericht gegründet: das Erzbischöfliche Offizialat. Das hat der damalige Erzbischof von Köln, der spätere Kardinal Johannes von Geissel, gegründet. 

Er hat es deshalb getan, weil jedes Bistum eben auch ein eigenes Gericht hat. Der Bischof ist sowohl Gesetzgeber, er ist der oberste Verwalter seines Bistums, und er ist eben auch der Richter seines Bistums. Und als solcher braucht er ein Gericht. Das ist auch vorgeschrieben in der kirchlichen Ordnung.

Peter Fabritz

"Ich würde zwischen Gerichtsbarkeit und Barmherzigkeit keinen grundsätzlichen Unterschied sehen."

DOMRADIO.DE: Und wozu braucht die Kirche überhaupt ein kanonisches Recht? Das soll doch eigentlich bei der Verkündigung um Barmherzigkeit und Liebe gehen. 

Fabritz: Ich würde zwischen Gerichtsbarkeit und Barmherzigkeit keinen grundsätzlichen Unterschied sehen. Maßstab auch für unser Handeln ist Jesus Christus. Und Papst Franziskus hat 2015 das Ehe-Prozessrecht reformiert mit den Anfangsworten: "Jesus, der milde und barmherzige Richter." Also die Barmherzigkeit spielt auch für uns eine Rolle. 

Im Grunde genommen geht es darum, dass jedes Mitglied der katholischen Kirche das Recht hat, seine Rechte auch bei einem Gericht einzuklagen. Das sind nicht nur Ehefragen, sondern es sind Strafverfahren, es sind Streitverfahren, alles das, was es auch im weltlichen Bereich an Prozessen gibt, kann auch in einem kirchlichen Gericht geführt werden. 

DOMRADIO.DE: Worum geht es genau bei diesen Eheverfahren, die den größten Teil der Aufgaben des Offizialats ausmachen?

Fabritz: Die Ehe als eines der sieben Sakramente ist das einzige Sakrament, bei dem Spender und Empfänger identisch sind. Das heißt, die Brautleute sind von dem Zeitpunkt an verheiratet, wo sie "Ja" sagen zu den drei Grundelementen des kirchlichen Eheverständnisses: Nachkommenschaft, Unauflöslichkeit und Treue. 

Wenn, was eben vorkommt, eine kirchliche Ehe scheitert, besteht die Möglichkeit, die Gültigkeit dieser Eheschließung zu überprüfen. Und das geschieht in einem kirchlichen Verfahren. Das wird Ehenichtigkeitsverfahren genannt. Im Volksmund sagt man auch Annullierung. Aber das kein korrekter Ausdruck, sondern es geht letztendlich darum, seine Ehe zu überprüfen. Wie ist die damals zustande gekommen? Haben die beiden wirklich mit ganzem Verstand und Herzen "Ja" gesagt? 

DOMRADIO.DE: Die Nachfrage ist deutlich zurückgegangen ist. Ist das zu bedauern? 

Fabritz: Ja, weil die Zahl der Scheidungen eben nicht zurückgeht. Also wir haben viele geschiedene Mitglieder der Kirche und auch viele, denen es ein Anliegen ist, auch kirchlich wieder heiraten zu können. Und im Gegensatz zum Staat ist eben nach einer Scheidung eine Wiederheirat nicht ohne Weiteres möglich, sondern eben nur, wie ich gerade angedeutet habe, indem man seine erste Ehe überprüfen lässt. 

Und wenn es dann zu einem positiven Urteil kommt, ist auch die Wiederheirat möglich. Davon wird aber weniger Gebrauch gemacht, wie insgesamt ja auch das kirchliche Leben oder der gelebte Glaube zurückgeht. Aber trotzdem besteht dieses Angebot und das ist auch ein pastorales Angebot. Denn die Eheleute haben die Chance, sich noch einmal mit einem Kapitel zu beschäftigen, das in ihrer Ehe ja von einer ganz großen Bedeutung gewesen ist. 

DOMRADIO.DE: Jetzt hat es auch unter Papst Franziskus immer wieder Änderungen gegeben, die das Verfahren vereinfachen sollen. Hat sich denn diese Hoffnung auch in Ihrer Arbeit bestätigt? Ist es einfacher geworden, so ein Verfahren mit dem Offizialat zu begleiten oder auszuhandeln? 

Fabritz: Papst Franziskus hat 2015 das Ehe-Prozessrecht reformiert und die bedeutendste Neuerung damals ist gewesen, dass die zweite Instanz von Amts wegen abgeschafft worden ist. Das bedeutete damals, eine Ehe, die in erster Instanz annulliert worden ist, für nichtig erklärt worden ist, musste in jedem Falle an einem anderen Gericht noch einmal überprüft werden. Und nur bei zwei gleichlautenden Urteilen war die Ehe für nichtig erklärt. Das hat Papst Franziskus abgeschafft. 

Es genügt jetzt ein erstinstanzliches Urteil als das Endurteil. Natürlich ist es weiterhin jedem unbenommen, in Berufung zu gehen. Das Berufungsrecht ist weiterhin gewahrt und wir als Kölner Gericht sind Metropolitangericht. Das heißt, die Verfahren der Gerichte, die zur Kölner Kirchenprovinz gehören, die werden bei Berufungsklagen dann in zweiter Instanz bei uns in Köln geführt werden. 

Peter Fabritz

"Die Seelsorge hört nicht auf vor unseren Gerichten."

DOMRADIO.DE: Und das sind jetzt weniger als früher. 

Fabritz: Das sind erheblich weniger. 

DOMRADIO.DE: Was wünschen Sie sich denn zukünftig von kirchlichen Entscheidungen bezüglich Ihrer Arbeit als Offizial? 

Fabritz: Der pastorale Aspekt eines Ehenichtigkeitsverfahrens ist, wie ich sagen würde, der entscheidende. Die Seelsorge hört nicht auf vor unseren Gerichten. Und ich würde mir wünschen, auch von unseren Bischöfen, dass das als eine große pastorale Chance erkannt wird und auch vermittelt wird. Denn die Ehe ist weiterhin für viele Menschen das Kennzeichen ihres gemeinsamen Lebens und die Möglichkeit, eine Ehe zu führen, die sollte auch denen gegeben werden, deren Ehe gescheitert ist. Und dafür stehen wir ein. 

Das Interview führte Jan Hendrik Stens.

Termin: Das Pontifikalamt zum 175-jährigen Bestehen des Kölner Offizialats überträgt DOMRADIO.DE aus dem Kölner Dom am 16. Januar 2024 ab 9 Uhr.

Quelle:
DR