Albrecht von Boeselager, Großkanzler des Malteserordens, wird 70

100 Botschafter, 120.000 Mitarbeiter - Ein globaler Fulltime-Job

"Etiam si omnes, ego non." Auch wenn alle mitmachen - ich nicht. So steht es an einem Fachwerkhaus am Stammsitz seiner Familie. Und so versteht sich auch Albrecht Freiherr von Boeselager, Großkanzler des Malteserordens.

Autor/in:
​Alexander Brüggemann
Albrecht Freiherr von Boeselager bei einem Afrikabesuch (Archivbild) / © Pressestelle Malteser (KNA)
Albrecht Freiherr von Boeselager bei einem Afrikabesuch (Archivbild) / © Pressestelle Malteser ( KNA )

Schön liegt sie da, die Burg Kreuzberg, auf einem kleinen Felsplateau steil über dem Fluss im Altenahrer Ortsteil Kreuzberg. Urkundlich erstmals 893 erwähnt, ist sie seit 1820 Wohnsitz der Familie von Boeselager - die bis auf das Jahr 1363 zurückgeht.

Der Burgherr Albrecht Freiherr von Boeselager ist unter der Woche freilich nur selten zu Hause anzutreffen. Er ist viel ehrenamtlich unterwegs: Neulich wurde er für weitere fünf Jahre im Amt des Großkanzlers des Souveränen Malteserordens bestätigt - eines geistlichen Ordens, der zugleich ein eigenes Völkerrechtssubjekt ist und den Malteser-Hilfsdienst mitbegründete. Am 4. Oktober wird von Boeselager 70 Jahre alt.

Als Großkanzler ist er "Außenminister" des Ordens mit seinen rund 100 Botschaftern, etwa 13.500 Ordensmitgliedern in drei Ständen und 120.000 ehren- und hauptamtlichen Mitarbeitern. Ein weltumspannender Fulltime-Job: Gespräche, Konferenzen, politische, soziale, diplomatische und humanitäre Überzeugungsarbeit. Drei, vier Tage der Woche ist von Boeselager in Rom, dem Sitz der Malteser auf dem Aventin.

Beeindruckt von Lourdes

Der Vater von fünf Kindern, Jahrgang 1949 und verheiratet mit einer von und zu Guttenberg, macht kein Aufhebens um seine Person und auch nicht um die seines Vaters. Der NS-Widerstandskämpfer Philipp Freiherr von Boeselager gehörte nach dem Zweiten Weltkrieg zu den Mitbegründern des Malteser-Hilfsdienstes. Auf seine Initiative gehen auch die Krankenwallfahrten der Malteser in den südfranzösischen Pilgerort Lourdes zurück - die letztlich auch seinen Sohn Albrecht zum Orden brachten.

"Ich war wohl 20, als ich das erste Mal nach Lourdes gefahren bin", berichtet er. Zunächst habe er vor den Bädern gebrechliche Pilger betreut. "Da müssen die Kranken auf andere Liegen oder Stühle gesetzt werden. Und plötzlich kam einer aus den Bädern heraus, hat mich am Kragen gepackt und gesagt: 'Wir brauchen da drinnen dringend eine Hilfe.' Dort taten zwei Dominikaner Dienst, die den Kranken - wirklich wörtlich - die eiternden Wunden geküsst haben. Das hat mich stark beeindruckt."

Diese Prägung spürt man auch, wenn der Großkanzler eindringlich über die Flüchtlingspolitik spricht, einen Schwerpunkt der derzeitigen Malteserarbeit. Mit einer "Vogelstraußhaltung", sagte er vor einem Jahr in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), "schafft man die Herausforderung nicht aus der Welt".

Von Boeselagers Rezept: die kleinen Geschichten zu erzählen, auch wenn das mühsam sei: von der Krankenschwester, die im Schlauchboot auf dem Mittelmeer von fünf Ertrinkenden umgeben ist, aber weiß, dass sie nicht alle fünf retten kann. Oder von dem Arzt, dem eine Mutter ihren Säugling entgegenstreckt - und die dann selbst von einer Welle fortgespült wird.

Vom Großmeister abgesetzt – vom Papst bestätigt

Als wären all diese Herausforderungen nicht genug, musste von Boeselager Ende 2016 einen weiteren schwierigen Kampf durchfechten.

Der damalige Großmeister der Malteser, der Brite Matthew Festing, erklärte ihn für abgesetzt - ein Eklat. Papst Franziskus griff persönlich in den ordensinternen Richtungsstreit ein und drängte Festing seinerseits zum Rücktritt. Von Boeselager konnte mit Unterstützung einer starken Mehrheit im Orden als Großkanzler weitermachen.

Die Malteser, das kündigte der seit 2018 amtierende Großmeister Giacomo Dalla Torre del Tempio di Sanguinetto an, wollen die bereits begonnenen inneren Reformen fortsetzen. Von Boeselager ist an entscheidender Stelle weiter mit dabei. Genügend persönliche Kapazitäten dafür sieht er. "Der Besitz hier ist nicht groß", sagt der Waldbesitzer von Boeselager gelassen und schaut aus dem Fenster hinüber zu seiner Burg. "Sie sieht größer aus, als sie ist - eigentlich recht schmal..."


Quelle:
KNA