Wochenimpuls

Wir vergeben und bitten um Vergebung

"In der vergangenen Woche durfte ich in Breslau an einer Veranstaltung teilnehmen, auf der an den historischen Briefwechsel der polnischen und deutschen Bischöfe vor 60 Jahren erinnert wurde. 

Am 18. November 1965 hatten die polnischen Bischöfe ihren deutschen Amtsbrüdern einen Brief geschrieben und 20 Jahre nach dem deutschen Überfall auf Polen im 2. Weltkrieg die Hand zur Versöhnung ausgestreckt. Im Zentrum des Schreibens steht der Satz: "Wir vergeben und bitten um Vergebung!" Was für ein Satz! Was für eine Geste! 

Nach dem unsäglichen Leid, das der von Deutschland ausgelöste Krieg über Polen gebracht hat, schreiben die polnischen Bischöfe nicht nur, dass sei bereit sind, den Deutschen zu vergeben – Sie gehen sogar so weit, selbst um Vergebung zu bitten für das Unrecht, dass Polen Deutschen im Krieg und unmittelbar danach angetan haben. 
"Wir vergeben und bitten um Vergebung!" Die polnischen Bischöfe haben mit diesem historischen Satz den Versöhnungsprozess zwischen Polen und Deutschland angestoßen.

Es war und ist völlig unzweifelhaft, dass Krieg, Gewalt und Leid allein von Deutschland ausgegangen sind. Dennoch bitten die polnischen Bischöfe selbst auch um Verzeihung, weil sie wussten, dass in Kriegen auf allen Seiten Unrecht getan wird. Sie haben damit erkannt und anerkannt, dass Versöhnung nicht als Einbahnstraße funktionieren kann. Auch dann, wenn sich eine Seite in einem Konflikt, einem Streit oder sogar in einem Krieg zurecht unschuldig weiß, ist es gut, kritisch auch auf die eigenen Worte und Handlungen zu schauen – und gegebenenfalls um Verzeihung zu bitten. 
Nur so kann echte Versöhnung gelingen – damals wie heute. 

Ihr Rainer Woelki
Erzbischof von Köln"

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