Der Kommerz in unseren Innenstädten brummt zu Weihnachten. Menschen kaufen Geschenke: manchmal für andere - häufig für sich selbst. Auch die Online-Händler machen die besten Umsätze des Jahres. Auf sogenannten "Wintermärkten" wird fleißig Glühwein ausgeschenkt und Lebkuchen oder Spekulatius sind längst nichts Besonderes mehr, weil es sie - gefühlt - ohnehin das ganze Jahr hindurch gibt.
Der Kulturwissenschaftler Gunter Hirschfelder hat kürzlich in einem Interview festgestellt, dass Weihnachten immer mehr von einem wichtigen christlichen Fest zum "winterlichen Dekorationsmotiv" mutiert. Feste mit wirklich christlichen Inhalten sind für den Kulturwissenschaftler zur "Elitenveranstaltung" geworden für die, die es sich leisten können - und wollen.
Der katholische Bischof von Tromsö in Norwegen geht sogar noch weiter. Er findet: "Unsere Länder sind äußerst säkularisiert - Aber ich denke, dass die Säkularisierung jetzt zu Ende ist. Ganz einfach deshalb, weil es eigentlich nichts mehr zu säkularisieren gibt". Anders als der nüchtern beobachtende Kulturwissenschaftler ist der Bischof dabei jedoch optimistisch. Er sagt: "[Ich] stelle einen Zuwachs an religiösem Interesse [gerade] bei Jugendlichen fest. […] Freilich rede ich von keinem Majoritätsphänomen; die Tendenz ist aber deutlich und anhaltend wachsend: Die Jugend sehnt sich nach Substanz. Für leeres, gefühlsduseliges Gerede haben sie wenig Geduld, und das ist gut s.."
Mir geht es ähnlich wie Bischof Varden. Gerade bei jungen Menschen - aber auch bei vielen anderen - nehme ich wahr, dass sie sich nach einem "echten Glauben" und nach religiösem Sinn sehnen. "Wintermärkte" und bunte Dekorationen können diese Sehnsucht nicht stillen. Den Sinn, den wir für unser Leben ersehnen und brauchen, finden wir dagegen nur in der weihnachtlichen Botschaft, dass Gott selbst Mensch wird.
Ihr Rainer Woelki,
Erzbischof von Köln