Wochenimpuls

Impuls der Woche von Kardinal Woelki - Unser Schicksal ist euch Mahnung

Seit einigen Jahren gehöre ich der sog. deutsch - polnischen Kontaktgruppe an, deren Aufgabe es ist, den Austausch zwischen den Bischofskonferenzen beider Länder zu intensivieren und zur Versöhnung zwischen unseren Völkern beizutragen. Im Mai des vergangenen Jahres haben wir im Rahmen einer unserer Begegnungen gemeinsam das Vernichtungslager Lublin-Majdanek besucht. 

Es war eine besondere Erfahrung, zusammen mit den polnischen Bischöfen dort zu sein. Über dem ganzen Areal lag eine erschreckende, zutiefst bedrückende Stille. Entsetzliche, grausame, barbarische Bilder stiegen während des Gangs über das ehemalige Lagergelände und beim Gedenken an die Opfer und Geschehnisse dort in mir auf. Die Vorstellung, dass hier von Gott geliebte, mit einer unauslöschlichen, unbedingten Würde beschenkte Menschen gequält, misshandelt, mit Füßen getreten und in Gaskammern ermordet wurden, war und ist unerträglich. 

Vor allem Juden und Polen waren in diesem Konzentrations- und Arbeitslager interniert, Opfer der Aussiedlungspolitik und von Vergeltungsaktionen. Auf dem Mausoleum-Denkmal dort, wo die Asche der Ermordeten beigesetzt wurde, ist in Polnisch zu lesen: "Unser Schicksal - eine Mahnung für Euch". 

Ja, das soll es sein: eine Mahnung, dass die unschuldigen Opfer und ihr Kampf um die Bewahrung ihrer Menschlichkeit unter unmenschlichsten Bedingungen nie vergessen wird und sich so etwas nie wieder wiederholen darf. Dass die Würde von Menschen niemals mehr so mit Füßen getreten werden darf. Auch nicht im Kleinen. Auch nicht anfanghaft. 

Wenn wir in diesen Tagen der Befreiung des KZ Auschwitz-Birkenau und der Opfer des Massenmordes der Nazis an Juden, Sinti und Roma sowie anderer Verfolgter gedenken, wühlt mich dies innerlich zutiefst auf. Denn Auschwitz ist und bleibt Ausdruck des Rassenwahns und das Kainsmal der deutschen Geschichte. 

Es ist uns nur zu wünschen, dass das Gedenken und Nachdenken über diese unsere Vergangenheit Orientierung für die Zukunft schafft. Denn die beste Versicherung gegen Völkerhass, Totalitarismus, Faschismus und Nationalsozialismus ist und bleibt die Erinnerung an sowie die aktive Auseinandersetzung mit unserer Geschichte. Antisemitismus und Rechtsextremismus dürfen deshalb heute bei uns keine Chance haben. Seien wir also wachsam und wehren wir uns dieses Mal rechtzeitig. 

Ihr 

Rainer Woelki

Erzbischof von Köln

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