Kennen Sie eigentlich Ihren Tauftag? Die Antwort auf diese Frage ist zumeist ernüchternd. Denn viele von uns müssen passen. Die meisten haben keine Erinnerung daran. Wir erinnern uns genauso wenig an ihn wie an unseren ersten Schritt oder an unser erstes Wort. Und dennoch ist er von höchster Bedeutung. Denn in der Taufe hat Gott den Bund fürs Leben mit uns geschlossen. Zu einem jeden von uns hat er in ihr sein „Ja“ gesagt. Ein jeder von uns ist in seinen Augen einzigartig, von Ewigkeit her geliebt. Sogar Freunde hat Jesus uns genannt, denen er alles mitgeteilt hat, was er von seinem Vater gehört hat (vgl. Joh 15,15).
Mit unserer Taufe hat eine große, tiefe Freundschaftsbeziehung zwischen Gott und mir, zwischen Gott und uns allen, seiner Kirche, begonnen. Im Grunde ist das sogar noch etwas mehr, nämlich so etwas wie eine Liebesbeziehung, in der der eine um den anderen weiß, sich gerne mit ihm trifft, sich austauscht, vom anderen hört, dem anderen erzählt, wie es einem selbst so geht, gerne Zeit mit dem anderen verbringt. Und Liebe, also echte Liebe, die endet nie. Die hält ein ganzes Leben. Und bei Gott sogar noch darüber hinaus. Denn selbst unser irdischer Tod stellt für ihn keine Grenze dar. Sein Ja zu uns, seine Liebe ist so stark, dass die sogar den Tod in der Auferstehung seines Sohnes besiegt hat.
Das ist auch unsere Hoffnung. Denn die Taufe gibt uns ja genau daran Anteil, am Sieg über den Tod und damit am Ewigen Leben Gottes selbst. Liebe verlangt nach Antwort, will gelebt, praktiziert werden. Jesus sehnt sich geradezu danach, dass wir ihm begegnen: Seiner grenzenlosen Liebe zu uns, seiner Einladung, ihm unser Leben zu übergeben und ihm vollkommen zu vertrauen. Die regelmäßige, persönliche Begegnung mit ihm verwandelt und verändert nämlich unser Leben - hin zum Guten. Sie entzündet in uns die Sehnsucht nach dem Wahren und Schönen.
Denn es geht für uns ja nicht nur darum, an das Evangelium zu glauben, sondern ihm zu erlauben, tiefe Wurzeln in uns zu schlagen. Und dies in einer Art und Weise, die uns das Schweigen unmöglich macht, so dass wir nicht anders können, als das Evangelium in Wort und Tat zu verkünden. Das meint Evangelisierung. Ein wesentlicher Bestandteil von ihr besteht somit in einer solchen „persönlichen Begegnung von uns Menschen mit Jesus Christus“ oder zumindest darin, dass wir einen "kleinen Schritt auf Jesus" zumachen, um zu entdecken, "dass dieser bereits mit offenen Armen auf unser Kommen wartet" (EG Nr. 3). Welch Glück und welche Freude, unsere Taufe auf diese Weise Tag für Tag so leben zu können.
Ihr
Rainer Woelki
Erzbischof von Köln