"Gottes Freund sein. Die Freundschaft Gottes erfahren. Solche frommen Sachen sagen wir Priester immer wieder. Orte schaffen, an denen sich Gott erfahren lässt. Orte der Vertrautheit mit Gott. Orte, an denen der Glaube wächst. So etwas haben Sie vielleicht auch schon von mir gehört. Aber was heißt denn das? Kann ich denn der Freund von jemandem sein, wenn ich ihm nicht genauso begegnen kann, wie einem Menschen?
Was heißt es denn ganz konkret: „Gottes Freund“ oder „Gottes Freundin“ sein? Ich wäre unaufrichtig, wenn ich nur fromme Sprüche klopfen würde und nicht selbst daran glaubte. Ich benutze solche Bilder, obwohl ich ahne, dass viele sie nicht leicht verstehen können. Und zwar deshalb, weil ich ganz fest davon überzeugt bin, dass das geht! Davon, dass Gott unser Freund sein will. Und davon, dass das jeder und jedem von uns guttut.
Um das selber zu erfahren, sind zwei Dinge wichtig. Erstens: Es braucht Zeit. Gott lässt sich kennenlernen: In der Bibel, im Gottesdienst, wenn andere mir von ihm erzählen. Aber das geht nur mit Ausdauer und nicht über Nacht.
Und Zweitens: Gott ist nicht mein Kumpel. Gott ist nicht wie der Freund oder die Freundin, mit dem ich nach Feierabend zum Sport oder ins Kino gehe. Aber: Gott kann und möchte als guter Freund ein Teil meines Lebens sein. Das fängt ganz klein an. Wenn ich mir im Alltag immer wieder bewusst sage: „Er ist da. Er ist bei mir. Er sieht mich liebevoll an“. So, im langsamen Kennenlernen, fängt jede gute Freundschaft an. Die Freundschaft zu einem Menschen und genauso die Freundschaft mit Gott.
Ihr Rainer Woelki
Erzbischof von Köln"