Wochenimpuls

Gegen das Wegschauen

Die Bonner Innenstadt, der Worringer Platz oder der Hauptbahnhof in Düsseldorf, der Neumarkt in Köln – unserer Innenstädte verwahrlosen zunehmend. An manchen Plätzen ist es kaum noch möglich, unbehelligt in die Straßenbahn einzusteigen, ohne aggressiv angeschnorrt oder gar bestohlen zu werden. Es wird offen gedealt. Passanten müssen ständig Menschen ausweichen, die völlig betrunken sind oder sichtlich unter dem Einfluss von Drogen stehen. Sowohl für Geschäftsleute, die Angst haben, dass die Kunden wegbleiben, wie auch für Passanten und Anwohner ist die Situation an solchen Hotspots kaum zu ertragen.

Dass etwas geschehen muss, ist allen klar. Aber was? Die Drogenszene an andere Orte außerhalb der Innenstädte verlagern? Aus den Augen aus dem Sinn? „Soll sich doch eine andere Nachbarschaft Gedanken machen, wie sie die Junkies loswird“? Aus christlicher Sicht kann das nicht die Lösung sein. Wir können nicht so tun, als gäbe es Arme, Obdachlose und Süchtige nicht – oder noch zynischer: uns damit zufriedenzugeben, wenn es sie bloß bei uns nicht gibt.

Wenn wir ein wirkliches Interesse daran haben, dass unsere Innenstädte sicherer und sauberer werden, dass Drogenkonsum und Kriminalität zurückgehen und die Verwahrlosung gestoppt wird, müssen wir wirksame Alternativen schaffen. Wir müssen in unseren Städten Einrichtungen und Dienste aufbauen, die das Problem menschlich, wirksam und dauerhaft angehen. Ja, das kostet Geld und geht nur, wenn ein breites Bündnis aus Politik, Gesellschaft und Wohlfahrtsorganisationen entschlossen handelt. Und das kann nur dann gelingen, wenn immer deutlich wird, dass es um Menschen geht – und nicht etwa nur um Probleme, die beseitigt werden müssen.

Ihr
Rainer Woelki
Erzbischof von Köln

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