Reportage

Der Mauerfall begann im Pfarrgarten

„Wir sind zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise…“ Jeder erinnert sich an die Worte des damaligen deutschen Außenministers Hans-Dietrich Genscher auf dem Balkon der Prager Botschaft. Weiter kam er nicht, da der Jubel der DDR-Flüchtlinge, die damals die Botschaft besetzten in der Hoffnung, auf die Möglichkeit zur Ausreise nach Deutschland unterbrach.

Für viele ist dieser 30. September 1989 ein entscheidender Vorbote für den bald darauf folgenden Fall der Mauer. Doch kaum jemand erinnert sich heute noch daran, dass diese Entwicklung bereits knapp zwei Monate vorher begann. Denn schon im August 1989 hatte sich Ähnliches in Ungarns Hauptstadt Budapest abgespielt. Viele DDR-Bürger waren damals nach ihrem Sommerurlaub im sozialistischen Bruderstaat einfach in Ungarn geblieben und überfüllten schnell die deutsche Botschaft. Doch die wusste mit der Situation noch nicht umzugehen. Damals schlug die Stunde der deutsch-Ungarin Csilla von Boeselager. Ihr war es gelungen, kurz zuvor den katholischen Malteserhilfsdienst in Ungarn zu gründen und damit die erste kirchliche Hilfsorganisation in einem Ostblockland. Aufgrund ihrer Tatkraft und ihren Beziehungen nach Deutschland und Ungarn konnte sie die Flüchtlinge in den Pfarrgarten der katholischen Pfarrei „Zur Heiligen Familie“ in Budapest lotsen.

Zelte, Betten, Decken eine Feldküche und darüber hinaus viele Helfer aus Deutschland und Ungarn konnte sie gemeinsam mit dem Pfarrer der Gemeinde organisieren um der immer größer werdenden Menge im Pfarrgarten Obdach und Verpflegung zu gewährleisten. Die Situation spitzte sich bedrohlich zu, als plötzlich die Stasi rund um das Lager aufzog. Mehrere Wochen zog sich der Aufenthalt der DDR-Bürger im Pfarrgarten der Kirche hin, bis sich am 10. September der ungarische Außenminister in einer Fernseh-Botschaft an die DDR-Bürger wandte.

Bisher weitgehend unbekannte Videosequenzen und Fotos werden im Film gezeigt. Beatrix Bäume, die 1989 als westdeutsche Helferin der Malteser in Budapest dabei war, erinnert sich an diese bewegten Wochen.