Wochenkommentar: Der Chefredakteur kommentiert

Ein hoffnungsloser Fall!?

"Euer Laden ist doch ein völlig hoffnungsloser Fall!" Alte Schulfreunde haben den Vorteil, dass sie einem offen die Meinung sagen. Mein Schulfreund Peter, ein sehr erfolgreicher Manager, der viele Unternehmen von innen kennt, hat "meinen Laden", die katholische Kirche, also komplett abgeschrieben. Er hat keine Hoffnung mehr für ein Unternehmen, das Tag für Tag durch neue Hiobsbotschaften erschüttert wird.

Hier ein Kurienkardinal, der mit einem Vergleich aus der Nazizeit völlig daneben liegt. Dort ein Weihbischof, der rechtskräftig verurteilt wird, weil er einer dementen Bekannten über 100.000 Euro abknöpfte. Irgendwo ganz woanders ein Kardinal, der nicht versteht, warum ihm zig Messdiener während seiner Predigt den Rücken zukehren. Ach ja, und dann noch ein Erzbischof, der langjähriger Vorsitzender der Bischofskonferenz war und jetzt erkennt, dass er "gravierende Fehler" bei der Aufklärung sexueller Gewalt in seiner Kirche gemacht hat. Um nur einige unrühmliche Schlagzeilen aus dieser Woche aufzugreifen.

Ja, ich kann schon verstehen, warum mein Schulfreund Peter seine kirchlichen Aktien schon lange aus seinem persönlichen Depot geschmissen hat. Peter kennt mich und weiß daher auch, dass ich tief in meinem Glauben verwurzelt und mit "meinem Laden" verbunden bin.
In Peters Augen bin ich daher selber ein hoffnungsloser Fall. Egal, welche rationalen Argumente er auch gegen meine Kirche bringt! Denn ich erlebe jeden Tag in meiner Kirche auch eine ganz andere Seite. Frauen und Männer, Alte und Kranke, Kinder und Jugendliche, die sich ihre Hoffnung nicht nehmen lassen. Eine Hoffnung, die viel stärker ist, als all die erbärmlich menschlichen Schwächen. Eine Hoffnung, die so viele so stark macht. Eine Hoffnung, die Licht in "meinen Laden" bringt, gerade dann, wenn es mal wieder zappenduster ist. Es ist diese unerschütterliche Hoffnung, die ich mit so vielen Menschen in meiner Kirche teile. Eine Hoffnung gegen all diese Hoffnungslosigkeit! Diese Hoffnung aber ist und bleibt, weil sie alleine mich leben lässt.

Ingo Brüggenjürgen

Chefredakteur

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