"Wie lange dauert's denn noch bis Weihnachten?", fragt das Mädchen – es ist vielleicht fünf Jahre alt – im Supermarkt und schaut auf die Schokoweihnachtsmänner. Da müssen wir noch eine Weile warten", antwortet die Mutter, "so lange, bis alle Türchen an Deinem Adventskalender offen sind. Dann kommt das Christkind".
Der Advent ist eine Wartezeit. Denn: Geschenke gibt’s erst zu Weihnachten. Bis dahin müssen sich die Kinder in Geduld üben, was bekanntlich schwerfällt. Nicht nur Kinder, auch Erwachsene warten ungern. Jemand hat mal gemeint: Die Wartezeit, die man bei Ärzten verbringe, würde in den meisten Fällen ausreichen, um selber Medizin zu studieren.
Allerdings gibt es auch ein hoffnungsvolles Warten, dann nämlich, wenn man ein großes Ziel vor sich hat - die Geburt eines Kindes etwa oder der Einzug ins neue Haus. Solche Wartezeit ist gefüllt mit Vorfreude auf das Kommende. Zumal man ja weiß, dass man das wirklich Wichtige im Leben fast nie erzwingen kann. Es braucht seine Zeit zum Wachsen und Reifen. Warten zu können, kann einem helfen, zur richtigen Zeit das Richtige zu tun.
Das Wort "Advent" bedeutet "Ankunft". Im Vaterunser heißt es - auf Latein: "Adveniat regnum tuum" – "Dein Reich komme". Wer das Vaterunser betet, bittet also darum, das Reich Gottes möge anbrechen. Jesus hat von sich gesagt: Durch ihn, mit seiner Ankunft in der Weltgeschichte, ist dieses Reich Gottes greifbar nahe gerückt. Freude und Versöhnung, Friede und Gerechtigkeit sind möglich, wo Menschen sich auf Gott einlassen und mit ihm rechnen.
Der Mensch sehnt sich danach, anzukommen. Für immer anzukommen am Ende dieses Weges, den der Advent aufzeigt mit seinen Lichtern und Liedern, mit Adventskranz und Adventskalender: Ankommen im Reich Gottes. In Jesus von Nazareth ist Gott Mensch geworden. Das Jenseits ist ins Diesseits eingetaucht, damit Himmel und Erde sich berühren können.
Und damit wir unser großes Ziel – das Kommen Gottes – nicht aus dem Blick oder aus dem Gespür verlieren, steht alle Jahre wieder "Advent" im Kalender.
Von Herzen wünsche ich Ihnen allen heute adventliche Vorfreude beim Entzünden der ersten Kerze.
Ihr Rainer Woelki
Erzbischof von Köln