Barretts religiöse Heimat gibt Rätsel auf

Wer sind die "People of Praise"?

Vor Amy Coney Barretts Nominierung zur US-Verfassungsrichterin kannte kaum einer die "People of Praise". Weil die katholische Juristin aktives Mitglied der charismatischen Gemeinschaft ist, rückt diese nun in den Fokus.

Autor/in:
Thomas Spang
Barretts religiöse Heimat gibt Rätsel auf / © N.N. (shutterstock)
Barretts religiöse Heimat gibt Rätsel auf / © N.N. ( shutterstock )

Kritiker nennen sie eine obskure katholische Gruppe. Ehemalige Mitglieder sprechen sogar von einer "Sekte". Für die als Nachfolgerin der liberalen Ruth Bader Ginsburg nominierte Bundesrichterin Amy Coney Barrett sind die "People of Praise" am Sitz der katholischen Elite-Universität Notre Dame in South Bend vor allem eines: ihre religiöse Heimat.

"People of Praise"

Die Anfänge der charismatischen Gemeinschaft reichen ins Jahr 1971 zurück, als Kevin Ranaghan und Paul DeCelles die "People of Praise" als Erneuerungsbewegung gründeten. Obwohl die Mehrheit der 1.800 Mitglieder katholisch sind, gehören den 22 Sektionen der Organisation auch Protestanten an. Mitglieder praktizieren die sogenannte Zungenrede, also nahezu unverständlich gesprochene Gebete, die vom Heiligen Geist inspiriert sein sollen. Auch die starke Betonung des persönlichen Glaubenszeugnisses und das Ergehen in Prophezeiungen erinnern eher an evangelikale Bewegungen.

Wie die Evangelikalen sind die Charismatiker fest in der christlichen Rechten verankert. "Vieles von dem, was in 'People of Praise' vor sich geht, unterscheidet sich kaum von dem, was in rechten oder konservativen katholischen Kreisen läuft", beobachtet die Analystin Heidi Schlumpf vom Magazin "National Catholic Reporter".

Gemeinschaft und Familie

Die Katholikin Barrett gelangte durch ihre Familie zu der ökumenischen Gemeinschaft, die nicht der katholischen Kirche untersteht und nur lose mit ihr verbunden ist. Ihr Vater Michael Coney leitete den Zweig der Gruppe in New Orleans. Seit drei Jahren gehört er dem sogenanten Gouverneursrat an, dem mit elf Männern besetzten Führungsgremium.

Die "People of Praise" wählten South Bend im Bundesstaat Indiana als Standort ihrer Zentrale, weil sie an der nahe gelegenen katholischen Universität von Notre Dame, an der Barrett graduierte, leicht Mitglieder rekrutieren konnten. Hier ließ sich leichter ein Netzwerk von Menschen knüpfen, die laut Selbstdarstellung "ein lebenslanges Versprechen von Liebe und Dienst an den Mitgliedern der Gemeinschaft" abgeben. Der eingegangene "Bund" sei "weder ein Eid noch ein Gelübde, aber eine wichtige persönliche Verpflichtung".

Unklar bleibt bislang, ob Barrett diesen "Bund" geschlossen hat und sie wie andere Mitglieder der Gruppe einen "spirituellen Mentor" hat. Als Barrett 2017 zum ersten Mal im US-Senat ein Bestätigungsverfahren für eine Stelle als Bundesrichterin durchlief, verschwanden Beiträge auf der Website der "People of Praise", die Hinweise auf sie und ihre Familie enthielten.

Kritik an der Gemeinschaft

"Mangel an Transparenz" ist eines der Probleme, die Kritiker wie der Theologe Massimo Faggioli von der katholischen Universität Villanova mit der Gemeinschaft haben. Dies sei mit Blick auf Barretts neue Funktion schwierig. Es gebe "Spannungen" zwischen ihrer Aufgabe als oberster Verfassungsrichterin und dem Bekenntnis zu einer verschlossenen Organisation, schrieb Faggioli im Online-Portal "Politico".

Wer dem "Bund" beitreten möchte, verpflichtet sich zu Gehorsam gegenüber den "People of Praise" und ihren Leitern. Daraus ergebe sich ein Abhängigkeitsverhältnis, behauptet ein ehemaliges Mitglied der Gemeinschaft, Adrian Reimers, in seinem Buch "Not Reliable Guides" (dt. Keine verlässlichen Führer). Er habe "ernste Sorge", dass die Mitglieder der Gemeinschaft kein selbstbestimmtes Leben führen könnten.

Zum Markenkern der Glaubensgemeinschaft zählt Widerstand gegen liberale Veränderungen in der Gesellschaft. Barretts religiöse Heimat kultiviert ein traditionelles Familienverständnis, in der die Männer als Oberhaupt in der Ehe die Frauen "führen". Dieses Rollenverständnis hat aus Sicht der Kandidatin für den Supreme Court nichts mit Macht zu tun. Die siebenfache Mutter betont, dass sie mit ihrem Ehemann Jesse den Haushalt gleichberechtigt führe. Er sei nach Meinung ihrer Kinder sogar der bessere Koch, verriet sie bei ihrer Nominierung an der Seite von US-Präsident Donald Trump im Rosengarten des Weißen Hauses.

Persönliche Ansichten und Position

Betont traditionelle Werte vertreten die "People of Praise" bei allen Fragen rund um das Thema Sexualität. Im Handbuch der Religionsgemeinschaft heißt es, Sex habe seinen Platz nur in der Ehe. Außerhalb stehe dies nicht in Einklang mit "Gottes Plan für die menschliche Sexualität". Teenager werden ermahnt, nur Beziehungen ohne Sex einzugehen und ihre romantischen Verabredungen zu melden.

Homosexualität lehnen die Charismatiker ebenso entschieden ab wie Abtreibung. Die für das Oberste Gericht nominierte Richterin bezog in einem Artikel 1998 dazu eine kompromisslose Position. Abtreibungen seien "immer unmoralisch", schrieb sie. Bei den Anhörungen für ihren derzeitigen Job am siebten Bundesberufungsgericht von Chicago fast zwei Jahrzehnte später versicherte Barrett indes, ihre persönlichen Ansichten hätten keinerlei Einfluss "auf die Ausübung meiner Pflichten als Richterin".


Richterin Amy Coney Barrett während einer Pressekonferenz am Weißen Hause. / © Alex Brandon/AP (dpa)
Richterin Amy Coney Barrett während einer Pressekonferenz am Weißen Hause. / © Alex Brandon/AP ( dpa )
Quelle:
KNA