Nach dem Feuer in der Kathedrale von Nantes

War es Brandstiftung?

Ihr Bau dauerte Jahrhunderte. Am Samstag wütete ein Großbrand in der Kathedrale im westfranzösischen Nantes. Der Schaden ist gewaltig, die gesamte Empore einsturzgefährdet. Die Staatsanwaltschaft hält eine vorsätzliche Tat für möglich.

Autor/in:
Christoph Schmidt
Brand in Kathedrale von Nantes / © Laetitia Notarianni (dpa)
Brand in Kathedrale von Nantes / © Laetitia Notarianni ( dpa )

Nur 15 Monate nach dem verheerenden Brand der Kathedrale Notre-Dame in Paris trifft ein erneutes Großfeuer die französische Kulturnation: Am Samstagmorgen schlagen Flammen aus der Bischofskirche im westfranzösischen Nantes. Dicker schwarzer Rauch quillt aus der gotischen Fassade. Binnen kurzer Zeit sind rund 100 Feuerwehrleute mit Löschfahrzeugen vor Ort. Die Polizei sperrt das Viertel ab. Menschen wurden nicht verletzt.

Gewaltiger Schaden

Nach zwei Stunden ist das Feuer unter Kontrolle, doch schnell steht fest: Der Schaden ist gewaltig. Die große Orgel über dem Hauptportal sei weitgehend zerstört, die gesamte Empore einsturzgefährdet, berichtet Feuerwehrchef Laurent Ferlay in einer ersten Bilanz. Wenigstens scheint die Statik der Kathedrale mit ihren zwei mächtigen Glockentürmen zu halten.

Hinweise auf Brandstiftung

Dann der nächste Schock: Nach den ersten Untersuchungen deutet alles auf Brandstiftung hin. Das Feuer sei an drei Stellen gleichzeitig ausgebrochen, so der zuständige Staatsanwalt Pierre Sennes. Direkt an der Orgel und links und rechts davon im Hauptschiff. "Das sieht nicht nach einem Zufall aus", fürchtet Sennes. Seine Behörde leitete Ermittlungen wegen "vorsätzlicher Brandstiftung" ein.

Sollte der Verdacht zutreffen, wäre der Brand der bisher spektakulärste Fall eines längst bekannten Phänomens. Übergriffe auf Kirchen, insbesondere katholische, häufen sich in Frankreich seit Jahren - im Schnitt traf es 2019 drei Gotteshäuser pro Tag. Anfang jenes Jahres brannte eine Kirche in Grenoble - eine anarchistische Gruppe behauptete, sie angezündet zu haben. Im März 2019 gab es ein Feuer in der Pariser Kirche Saint-Sulpice. Diesmal stand fest, dass es Brandstiftung war.

Ansonsten beschränken sich die Angriffe zumeist auf "gewöhnlichen" Vandalismus wie Grafitti-Schmiereien, die Zerstörung liturgischer Gegenstände oder die Verschmutzung von Altarräumen. Die Täter wurden selten ermittelt. Linksextremisten, betrunkene Teenager, auch radikalisierte muslimische Jugendliche waren darunter.

In Frankreich, der "ältesten Tochter der Kirche", hat der Katholizismus seit der Revolution traditionell seine Feinde. Der republikanische Laizismus und der allgemeine Glaubensschwund spitzte die Situation im 20. Jahrhundert weiter zu. Doch gerade in den vergangenen Jahren hat sich das antikirchliche Klima in Teilen der Gesellschaft verschärft. Der Missbrauchsskandal in der französischen Kirche ist dafür ein wichtiger Grund. Hinzu kommt die Gefahr durch den Islamismus. Ein extremes Beispiel: Im Juli 2016 enthaupteten zwei IS-Terroristen in ihrem "Kampf gegen die Kreuzritter" nahe Rouen den 85 Jahre alten Priester Jacques Hamel.

Bischofskonferenz ruft zum Gebet auf

Die Französische Bischofskonferenz hing die Angriffe auf ihre Kirchen anders als manche rechtskatholischen Portale nie an die große Glocke.

In einer Mitteilung zeigte sie sich am Samstag erleichtert, dass bei dem Feuer keine Menschen zu Schaden kamen und rief die Katholiken zum Gebet für die Gläubigen im Bistum Nantes auf, dessen Sitz gerade vakant ist. Staatspräsident Emmanuel Macron sprach den Bischöfen sein Mitgefühl aus und verwies auf das feste Band zwischen Nation und Kirche. Auf Twitter nannte er die Kathedrale ein "gotisches Juwel".

Den Grundstein dafür legte der bretonische Herzog Jean V. im Jahr 1434. Danach zog sich die Vollendung des spätgotischen Meisterwerks bis zum Ende des 19. Jahrhunderts hin. Mit fast 38 Metern bietet die den beiden Aposteln Peter und Paul geweihte Kathedrale eines der höchsten Kirchengewölbe Frankreichs. Im Jahr 1944 hielt es alliierten Bomben stand, der Chor aber wurde schwer getroffen. Hinzu kam 1972 ein Brand nach Reparaturarbeiten. Seit Mitte der 1980er Jahre präsentierte sich die Kathedrale dann wieder im alten Glanz.

Ausgerechnet ihr Paradestück, die große Orgel von 1784 mit ihren 74 Registern, bot den Flammen nun reichlich Nahrung. "Orgeln sind einfach das brennbarste Material, das es in Kirchen gibt", sagte die Kölner Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner dem kirchlichen Kölner Internetportal domradio.de. Das viele Holz und Blei mache die Instrumente besonders brandanfällig. Eine Gefahr für den Bestand des Gesamtgebäudes nimmt sie aber nach den bisherigen Berichten nicht an.

Dafür sei das Gewölbe wahrscheinlich zu hoch.


Verkohlte Trümmer in der Kathedrale Saint-Pierre-et-Saint-Paul von Nantes / © Sebastien Salom-Gomis (dpa)
Verkohlte Trümmer in der Kathedrale Saint-Pierre-et-Saint-Paul von Nantes / © Sebastien Salom-Gomis ( dpa )
Quelle:
KNA
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