Kardinal Marx reist nach Polen

Gemeinsamen Weg der Versöhung suchen

Er will die Beziehungen zwischen der Kirche in Polen und in Deutschland verbessern: Darum reist Kardinal Marx für ein paar Tage nach Polen. Wie kann eine Versöhnung zwischen den Kirchen beider Länder gelingen?  

Kardinal Reinhard Marx / © Markus Nowak (KNA)
Kardinal Reinhard Marx / © Markus Nowak ( KNA )

DOMRADIO.DE: Ein Austausch zwischen der polnischen und der deutschen Kirche passiert schon auf kleiner Ebene. Erst am vergangenen Wochenende hat eine Gruppe aus dem Diözesanrat der Katholiken im Erzbistum Berlin das polnische Breslau besucht. Frau Abmeier, Sie waren schon mehrmals in Polen privat unterwegs. Wie sah das konkret vor Ort in Breslau aus?

Karlies Abmeier (Mitglied im Diözesanrat und im Hauptausschuss des Zentralkomitees der deutschen Katholiken): Begegnen steht vor Verstehen. Es geht uns darum, die Polen zu verstehen. Und dafür müssen wir ihnen erst mal begegnen, weil es darum geht, nicht über Leute zu sprechen, sondern mit ihnen. Vor diesem Hintergrund haben wir uns in Breslau die Stadt angeguckt und auch mit Vertretern verschiedener polnischer Gemeinschaften gesprochen und uns ihre Sicht darlegen lassen. 

DOMRADIO.DE:  Mit dem Ergebnis, dass Sie sie verstanden haben? 

Abmeier: So weit würde ich nicht gehen. Das ist ja so vielschichtig und so schnell geht verstehen vielleicht auch nicht; aber man kommt ein bisschen hinein in die andere Denkweise. 

DOMRADIO.DE:   Jetzt sind sie ja keine normale Touristengruppe gewesen, sondern eine Gruppe von katholischen Laien. Wenn Christen mit Christen in anderen Ländern einen Dialog aufbauen, kann das auch auf politischer Ebene etwas bewirken?

Abmeier: Ja, das hat mit Sicherheit Auswirkungen. Für mich war der Gottesdienst besonders eindrucksvoll, den wir auf Deutsch in der Kathedrale in Breslau hatten. Vor zehn Jahren wäre das völlig undenkbar gewesen. Und jetzt war es so, dass das Evangelium auf Polnisch und Deutsch gelesen und die Predigt sukzessive übersetzt wurde.

Zum anderen gibt es dort ein Denkmal für Kardinal Kominek. Er war derjenige, der maßgeblich an dem Briefwechsel der deutschen und polnischen Bischöfe mitgewirkt hat; mit dem entscheidenden Satz: "Wir vergeben und bitten um Vergebung." Und dieser Schriftzug stand in Breslau auf einem Platz in Polnisch und in Deutsch. Auch das wäre vor zehn Jahren nicht möglich gewesen.

Das zeigt, dass auch die Bischöfe für Versöhnung wirken können. Aber es sind damals auch Initiativen von Laien ergriffen worden. Ich denke zum Beispiel an das Maximilian-Kolbe-Werk, das bis heute wirkt. Insofern sieht man, dass die kleinen Schritte erst einmal angefangen werden müssen, damit ein Klima der Versöhnung entsteht. Damals kam die große Politik erst hinterher. Zunächst gab es die Aussöhnung der Bischöfe und daran kann man sehen, dass der Austausch zwischen Persönlichkeiten den Weg für die große Politik bereiten muss.

DOMRADIO.DE:  Aktuell ist ein Streitpunkt zwischen Deutschland und Polen die Aufnahme von geflüchteten Menschen. Wo sich die katholische Kirche in Polen eher dafür ausspricht, scheinen die Polen selbst mehrheitlich dagegen zu sein. Welche Meinungen haben Sie dazu wahrgenommen?

Abmeier: Ich glaube, das wird in Polen sehr kontrovers diskutiert: Da gibt es die einen, die die von Ihnen beschriebene Meinung darstellen. Es gibt aber auch sehr viele, die sich für eine Aufnahme aussprechen. Polen führen dann ja häufig an, dass sie Migranten aus der Ukraine aufgenommen haben und dass sie auf diese Weise schon eine ganze Reihe von Migrations- und Integrationsproblemen hätten.

DOMRADIO.DE:   Sie waren bereits mehrere Male in Polen. Wie haben sich die Kirche und ihr Verhältnis zu Deutschland in den letzten Jahren verändert?

Abmeier: Ich glaube, es ist schwierig, über das Verhältnis der Kirche zu sprechen. Ich glaube, das muss man differenziert sehen. Es kommt darauf an, wen man trifft und mit wem man spricht. Das habe ich sowohl bei dieser Reise als auch bei der letzten Reise im vergangenen Herbst nach Warschau und Krakau gemerkt. Auch mit der Adenauer-Stiftung machen wir immer wieder Kongresse gemeinsam mit Polen und dabei kommt eine Vielzahl von Stimmen auf. Ich glaube, was unser letzter Referent sagte, dass wir eine vielstimmige Erinnerung haben müssen, damit wir einen gemeinsamen Versöhnungsweg in Europa gehen können, scheint mir wichtig zu sein für unseren weiteren Weg.

Das Interview führte Tobias Fricke.


Reinhard Kardinal Marx / © Frank Rumpenhorst (dpa)
Reinhard Kardinal Marx / © Frank Rumpenhorst ( dpa )
Quelle:
DR
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