Rap, Punk, Rock: Was musikalisch in Gottesdiensten geht

Der Ton macht die Musik

Mit Rap-Musik wollte ein katholischer Priester in Kenia Jugendliche in die Kirche holen. Dafür ist er von seinem Bischof für ein Jahr suspendiert worden. Darf man in einem Gottesdienst rappen - oder widerspricht das der Lehre der Kirche?

 (DR)

DOMRADIO.DE: Nun wissen wir nicht ganz genau, was da in Kenia passiert ist. Es gibt widersprüchliche Meldungen, aber trotzdem stellt sich die Frage: Darf man in einem Gottesdienst rappen?

Prof. Alexander Saberschinsky (Liturgiebeauftragter im Erzbistum Köln): Mir ist bislang nicht bekannt, dass das offiziell verboten ist. Aber natürlich stellt sich bei jedem Gottesdienst die Frage: Wie wird er angemessen gestaltet? Was den Priester in Afrika betrifft, meines Wissens hat er nach dem Gottesdienst gerappt. Insofern war das noch eine ganz andere Situation. Aber Sie haben Recht, die Frage stellt sich natürlich: Wie gestalten wir unsere Gottesdienste?

DOMRADIO.DE: Ist die Beurlaubung von einem Jahr für den rappenden kenianischen Priester gerechtfertigt, wenn er das nach dem Gottesdienst gemacht hat?

Saberschinsky: Ich kann nicht beurteilen, was da im Einzelnen war. Aber die Kritik, die man der Presse entnehmen konnte, die an ihn von offizieller kirchlicher Seite gerichtet wurde, ist, dass er hier säkulare und kirchliche Ausdrucksform miteinander vermischt hätte. Man müsse sich immer fragen, ob das einen geistlichen Mehrwert hat und dem kann man natürlich unbedingt zustimmen.

Die Frage muss man sich stellen. Aber natürlich müssen wir auch immer nach aktuellen und angemessenen Ausdrucksformen im Gottesdienst suchen. Und warum dann nicht auch Rap?!

DOMRADIO.DE: Abgesehen davon, dass es den Zweck wahrscheinlich erfüllt, junge Menschen in die Kirche zu holen und sie dafür zu interessieren. Was ist denn in einem Gottesdienst, wenn man von unserer Kultur ausgeht, musikalisch erlaubt? Eine Band darf spielen?

Saberschinsky: Ja, die darf ganz bestimmt spielen. Es muss im Einzelfall immer austariert werden. Auch wenn das schon viele Jahrzehnte her ist, ist es noch immer aktuell - das Zweite Vatikanische Konzil hat das zum Glück noch mal so schön dargestellt. Da wurde ganz klar gesagt, dass es unveränderliche Teile im Gottesdienst gibt. Wir können jetzt nicht zum Beispiel entscheiden, dass wir die Eucharistie nicht mehr mit Brot und Wein, sondern mit Milch und Honig oder sonst irgendwas feiern.

Es gibt unveränderliche Teile, aber es gibt auch veränderliche Teile, das sagt das Konzil ganz klar. Aber es nennt auch einen ganz klaren Maßstab, wie diese veränderlichen Teile gestaltet sein müssen. Da heißt es nämlich wörtlich, dass sie "dem Heiligen als Ausdruck dienen müssen". Das heißt, wenn wir veränderliche Teile im Gottesdienst gestalten, dann müssen wir ganz kritisch gucken, gestalten wir sie so, dass darin deutlich wird, was in der Liturgie gefeiert wird?

Es geht darum, dass sich hier im Grunde Gott und Mensch begegnen.

DOMRADIO.DE: Aber da gibt es auch viel interpretatorische Freiheit. Das kann jeder auch ein bisschen anders beurteilen. Wie kann man diese Grenzen denn auch wirklich wahrnehmen? Das kann ja der andere anders sehen als man selber.

Saberschinsky: Ja, das ist auch tatsächlich so. Wir haben immer wieder Diskussionen. Da muss man erst gar nicht das Rappen anfangen. Es gibt ja schon Diskussionen über die Gestaltung von Familienmessen, ob die zu weit gehen oder nicht. Der eine mag Gregorianik, der andere mag neues geistliches Liedgut. Es ist tatsächlich die Herausforderung beim Gottesdienst, dass es kein Patentrezept gibt, wie der ultimativ gut gestaltete Gottesdienst aussieht, sondern man muss es immer neu austarieren.

Wir brauchen im Gottesdienst als Menschen, die Sinnenwesen sind, die in Raum und Zeit leben, äußere Ausdrucksformen und diese Ausdrucksformen müssen zwei Sachen erfüllen: Das eine ist, sie müssen verständlich sein, damit ich überhaupt in die Liturgie hineinkomme. Mehr noch, sie soll mich sogar berühren. Aber andererseits - und das ist das andere Kriterium -, muss auch deutlich werden, dass es hier um mehr als Alltagskommunikation geht.

Der Sinnüberschuss der Liturgie muss deutlich werden. Es muss deutlich werden, dass ich zu Gott rede, dass ich auch von Gott angesprochen bin und beides auszutarieren. Das ist immer die Herausforderung bei jedem einzelnen Gottesdienst und das hängt natürlich auch ein bisschen davon ab, mit wem ich Gottesdienst feiere.

DOMRADIO.DE: Ganz konkretes Beispiel: Eine Hochzeit, bei der das Paar Fan der Toten Hosen ist und sich nur Lieder dieser Musikgruppe im Gottesdienst wünscht. Wäre das möglich?

Saberschinsky: Da müsste man genau gucken, welches Lied das ist. Man müsste eine passende Stelle im Gottesdienst finden. Also so ein Gottesdienst, auch eine Trauungsfeier, die hat ja eine ganz eigene Dramaturgie und hätte sie diese Dramaturgie nicht, wäre es kein Gottesdienst. Ich meine ein Fussballspiel hat auch eine eigene Dramaturgie und einen gewissen Ablauf. Und wenn ich diesen Ablauf einmal ändere, dann habe ich ein anderes Produkt hinterher.

Ein Gottesdienst hat seinen eigenen Ablauf und wenn ich jetzt ein besonderes Element wähle, was nicht so 08/15 ist oder nicht regulär vorgesehen ist, vielleicht sogar ein fremdes Element ist, muss ich gucken, wo passt es in diese Dramaturgie mit hinein. Wenn ich ein Lied habe, dass mir noch mal etwas von dem verdeutlicht, was die Botschaft Gottes in den Lesungen war, kann ich es zum Beispiel in die Predigt mit einbinden.

Wenn es ein Lied ist, dass vielleicht sogar zu Gott spricht - ich glaube nicht dass es eins von den Toten Hosen gibt, aber von anderen vielleicht - dann kann ich es sogar als gesungenes Gebet nehmen. Man muss das immer im Einzelfall gucken. Aber grundsätzlich zu sagen, moderne Musik gehört nicht in unsere Gottesdienste, das macht keinen Sinn. Das ist übrigebs eine alte Diskussion.

Die alten kirchlichen Hymnen waren ursprünglich ganz stark angelehnt an Lieder, die die Menschen auf der Straße gesungen haben. Da hat man schon diskutiert: Dürfen wir im Gottesdienst Lieder singen, die nicht mit biblischen Texten gestaltet sind? Also es ist eine Diskussionen, die wir seit Anfang des Gottesdienstes überhaupt, also seit 2000 Jahren führen.

Das Interview führte Dagmar Peters.


Quelle:
DR