Thronjubiläum in Großbritannien

Oberhaupt nur in weltlichen Dingen

Seit 65 Jahren ist Elisabeth II. Königin von England und damit auch das weltliche Oberhaupt der anglikanischen, der englischen Kirche. Aber was heißt das für die Praxis?

Autor/in:
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch
Königin Elisabteh II. von England / © Michael Kappeler (dpa)
Königin Elisabteh II. von England / © Michael Kappeler ( dpa )

DOMRADIO.DE: Von der Hierarchie ist die Queen Oberhaupt der anglikanischen Kirche. Wenn wir das auf uns als Katholiken ummünzen würden, hieße das ja, sie ist so etwas wie der Papst. Kann man das so sagen?

Prof. Dr. Wolfgang Thönissen (Direktor Johann-Adam-Möhler Insitut für Ökumenik): So ist es sicher nicht. Die Queen ist in der Tat das weltliche Oberhaupt der Kirche, das ist sie formal. Aber wir haben in England auch eine Trennung zwischen geistlicher und weltlicher  Machtausübung und das entspricht den Entwicklungen in Deutschland nach dem 16. Jahrhundert. Da gibt es dann evangelische Landeskirchen, die den jeweiligen Fürsten unterstellt waren. Die Fürsten waren für die Gesetzgebung zuständig, aber nicht für die geistlichen Dinge. Genauso ist es bei der Queen auch: Sie ist nicht für die geistlichen Dinge zuständig, sondern nur dafür, dass Gesetze Gesetzeskraft erhalten. Ansonsten ist sie schlicht Christ wie jeder andere auch. Sie mischt sich auch in die Belange der englischen Kirche überhaupt nicht ein. Sie gehört keinem der Gremien der Kirche an und beteiligt sich nicht an den Diskussionen der Kirche. Sie ist einzig und allein der weltliche Repräsentant, nicht mehr.

DOMRADIO.DE: Woran merkt man das dann überhaupt, dass sie dieses weltliche Kirchenoberhaupt ist, wenn sie eigentlich gar keine Funktion wahrnimmt?

Thönissen: Sie ernennt, auf Vorschlag des Regierungschefs, die Bischöfe und Erzbischöfe. Außerdem muss sie, das nennt man "royal assent", ihre Zustimmung geben zu Entscheidungen der Kirche, die vom Parlament gebilligt worden sind oder werden müssen. Also alles, was vom Parlament mit Blick auf die Kirche beschlossen worden ist, muss die Queen umsetzen.

DOMRADIO.DE: In dem Wort "anglikanisch", da steckt das "englisch" ja schon drin. Dass es für eine Nation eine eigene Konfession gibt, ist doch relativ ungewöhnlich.

Thönissen: Die englische Kirche ist keine Konfession wie in Kontinentaleuropa. König Heinrich VIII. hat 1534 die Verbindungen zu Rom und zum Papst gekappt. Die Bischöfe werden jetzt von England aus ernannt. Insoweit ist Heinrich VIII. selbst das Oberhaupt der Kirche geworden. Die Englische Kirche ist aber keine Konfessionskirche im eigentlichen Sinne, sondern beruft sich auf die Geschichte: Augustinus, seit 601 der erste Erzbischof von Canterbury, hat diese englische Tradition begründet. Die anglikanische Kirche ist also eigentlich eine katholische Ortskirche.

DOMRADIO.DE: Man zählt die Anglikaner aber im Prinzip zu den Protestanten. Wie kommt das?

Thönissen: Ich würde sagen, die anglikanische Kirche ist reformatorisch. Sie ist natürlich durch Luther geprägt, aber auch durch Calvin und die Reformierten - und sie ist katholisch. Da gibt es ganz verschiedene Formen: Wir nennen das die "High Church", die "Broad Church" und die "Low Church". Da spiegeln sich jetzt die Konfessionen wieder: Die katholische Kirche ist die "High Church", die "Broad Church" ist das Reformatorische und die "Low Church" sind die Pietisten und die Evangelikalen. Das sieht man in den einzelnen Gemeinden, die haben ganz unterschiedliche Prägungen: Die einen sind stark liturgisch, die anderen stärker auf die Predigt ausgelegt, die anderen stärker auf den Heiligen Geist, auf Spontanität. Insoweit hat man das alles zusammen und man kann nicht sagen, dass die Kirche von England protestantisch ist.


Quelle:
DR