Autobiografie von Schimon Peres erschienen

Ein Leben für Israel

Zum 70. Jahrestag der Staatsgründung Israels ist die Autobiografie von Schimon Peres erschienen. Kaum einer hat das Land so geprägt wie er. Dabei ließ er sich stets von zwei Dingen leiten: der Liebe zu Israel und dem jüdischen Glauben.

Altstadt in Jerusalem / © Oded Balilty (dpa)
Altstadt in Jerusalem / © Oded Balilty ( dpa )

"Ich glaube von ganzem Herzen an die Vision der Propheten, eine Vision des Friedens für das ganze Land, das ich so sehr liebe!" – einer der zentralen Sätze in der Autobiografie von Schimon Peres "Mein Israel. Über Mut, Verantwortung und die Kraft der Träume", vielleicht sogar das Leitmotiv seines Lebens.

"Ich fühlte mich wie unter Helden"

Als Szymon Perski wurde er 1923 in Polen geboren. Pogrome und zunehmender Antisemitismus zwangen die Familie 1943 dazu, nach Palästina auszuwandern. Es war sein Glück – denn die zurück blieben, wurden von den Nazis ermordet. Unter ihnen auch sein geliebter Großvater, Rabbi Zvi Meltzer.

Er lehrte ihn die Torah, Peres wuchs streng religiös aus, Ansichten und Werte der Familie waren vom Judentum geprägt, wie er schreibt: "In mir wuchs der Glaube, dass es meine Pflicht war, Gott zu dienen und seine Gebote zu befolgen, ohne jede Ausnahme." Er wird den Großvater nie mehr wiedersehen. "Versprich mir, dass Du immer Jude bleiben wirst", zitiert Peres dessen letzten Worte in seiner Autobiografie.

Für ihn selbst eröffnet sich in Palästina eine neue Welt: "Im ewig grauen Wischnewa waren alle Juden, die ich kannte, unglaublich blass", notiert er in seinen Erinnerungen, "hier, unter diesen braungebrannten Männern mit ihren von der harten Landarbeit gestählten Körpern fühlte ich mich wie unter Helden".

Sein ganzes Leben widmete er dem Land

Er beschreibt ein Gefühl von Heimat, das er erstmal hat, fortan ist es sein Wunsch, mitzubauen an dem zionistischen Projekt, dem jüdischen Staat, so wie es einst Theodor Herzl erträumt hatte. Bereits im Alter von 15 Jahren tritt er in einen Kibbutz ein. Dort wird er politisch geprägt, er begegnet David Ben Gurion, den er verehrt und als "Legende" bezeichnet.

Als Ben Gurion am 14. Mai 1948 den Staat Israel ausruft, ist Peres bereits sein Berater und enger Vertrauter. Später wird er alle wichtigen Staatsämter innehaben: dutzende Ministerposten, zwei Mal war er Regierungschef, und 2007 – da war er schon über 80 – Staatspräsident. Sein ganzes Leben widmete er dem Land.

Wenige Wochen vor seinem Tod 2016 schrieb Peres seine Biografie zu Ende. Im Hebräischen trägt sie den Titel: "Kein Platz für kleine Träume", denn klein denken - das war nicht seine Sache.

Nur der Traum vom Frieden erfüllte sich nicht

Schimon Peres beschreibt in seinem Buch, wie er Ende der 50er Jahre den Aufbau des israelischen Atomprogramms mit französischer Hilfe vorantrieb, als ihn jeder für verrückt erklärte. Mit empfindlichen Sparmaßnahmen holte er das Land in den 80er Jahren aus einer tiefen Wirtschaftskrise – und bezog dafür Prügel von allen Seiten.

Und er forcierte als Verteidigungsminister 1976 die militärische Befreiungsaktion von über 250 Geiseln in Entebbe – als die Kabinettsmitglieder mehrheitlich mit den Terroristen verhandeln wollten: "Als man mir sagte, eine Rettung sei unmöglich", schreibt er in seiner Biografie, "beschloss ich dem Rat meines 1973 verstorbenen Mentors Ben-Gurion zu folgen: 'Wenn ein Experte sagt, es ist unmöglich, such dir einen anderen Experten.'"

Viele seiner Vorhaben gelangen, oftmals gegen massiven Widerstand. Nur ein Traum erfüllte sich nicht: der Traum vom Frieden, dabei wäre er 1995 zum Greifen nah gewesen. Er und  Ministerpräsident Jitzchak Rabin hatten den Osloer Friedensprozess vorangetrieben. Zusammen mit Palästinenserpräsident Jassir Arafat erhielten sie dafür 1994 den Friedensnobelpreis.

"Ich glaube an die Unausweichlichkeit des Friedens"

Detailreich beschreibt Peres in seinem Buch jenen 4. November 1995, der einer der dunkelsten seines politischen Lebens werden sollte: Bei einer der größten Friedensdemonstrationen des Landes wird Ministerpräsident Rabin an seiner Seite ermordet – von einem fanatischen Juden: Der Anfang vom Ende des Friedensprozesses.

Heute deutet nichts auf eine Wiederbelebung hin: An der Grenze zu Gaza kommt es seit Wochen zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. Die Palästinenser sind gespalten, mit den Nachbarn Syrien und dem Libanon befindet sich Israel seit Jahrzehnten im Kriegszustand.

Und doch würde Peres auch heute an seiner Vision vom Frieden festhalten: Man müsse immer auch das Unmögliche in Betracht ziehen, argumentiert er. "Wer hätte nach dem Zweiten Weltkrieg zu träumen gewagt, dass nur zwei Jahre später Frankreich, Deutschland und Italien in einem friedlichen Bündnis zusammenarbeiten würden?" Auch ein Frieden mit Ägypten und Jordanien galt lange Zeit als utopisch. Heute ist er Realität. Peres ist überzeugt: "Und doch bahnt sich der Frieden hartnäckig seinen Weg, ohne sich um die Zweifel der Experten zu kümmern. Ich glaube an die Unausweichlichkeit des Friedens".

Ein persönlicher Blick auf israelische Staatsgeschichte

Dabei war Schimon Peres nicht immer die friedensbewegte "Taube" in der israelischen Politik: In den ersten Jahrzehnten befürwortete er den Siedlungsbau im Westjordanland, war für die Politik der harten Hand während der Zweiten Intifada.

Sein Buch ist ein persönlicher Blick auf 70 Jahre israelische Staatsgeschichte. Es verbindet große Weltpolitik mit kleinen Anekdoten und gibt Einblicke in die verborgenen Welten von Diplomatie und Geheimdienst. Und es zeichnet das Bild eines Mannes, dessen Handeln stets geprägt war von der Liebe zu seinem Land und der Sorge um seine Existenz.

Seine Botschaft an die künftigen Generationen: den Glauben an einen Frieden nicht zu verlieren – so unwahrscheinlich er aus heutiger Perspektive auch erscheinen mag.

Ina Rottscheidt


Schimon Peres / © Jens Büttner (dpa)
Schimon Peres / © Jens Büttner ( dpa )
Quelle:
DR
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