Petersglocke des Kölner Domes bekommt Konkurrenz

Entthronung steht bevor

"Größte freischwingende Glocke der Welt" lautet der Rekord, den die Kölner Petersglocke seit über 90 Jahren hält. Doch dieser Titel dürfte noch vor ihrem 100. Geburtstag Vergangenheit sein.

Die neue Glocke für Bukarest / © Gabriel Grassmayr (Glockengießerei Grassmayr)

Vier Jahre lang galt der Kölner Dom nach seiner Vollendung 1880 als das höchste Gebäude der Welt. Dieser Rekord wurde immer wieder gebrochen, so dass der heutige Titelverteidiger in Dubai die gotische Kathedrale am Rhein um mehr als das fünffache überragt. Bei der Petersglocke hält der Rekord bislang an. Sie gilt seit ihrer Aufhängung im Südturm des Domes im Jahr 1924 als mit 24 Tonnen Gewicht größte freischwingende Glocke der Welt, konnte aber wegen technischer Probleme erst im Oktober 1925 zum ersten Mal offiziell über die Dächer der Domstadt hinweg erklingen. Ihre Vorgängerin, die im Ersten Weltkrieg vernichtete Kaiserglocke, war mit 26 ¼ Tonnen sogar noch schwerer.

Viele Glocken sind größer

Größere Glocken als den "decken Pitter", wie die Kölner ihre Glocke liebevoll nennen, gibt es weltweit viele. Vor allem in Russland befinden sich Instrumente von kolossaler Größe. Das Dreifaltigkeitskloster von Sergijew Possad unweit von Moskau erhielt 2003 eine Glocke von 72 Tonnen Gewicht. Diese ist jedoch wie die meisten Glocken in der Ostkirche nicht zum schwingenden Läuten eingerichtet, sondern starr aufgehängt und wird mittels eines Klöppels angeschlagen.

Aber auch unter den schwingenden Glocken gibt es einige, die mehr auf die Waage bringen als die Kölner Petersglocke. An der Spitze steht hier die Tokinosumika-Glocke in einem japanischen Ferienort, die 2006 von der niederländischen Glockengießerei Eijsbouts gegossen wurde und 36.250 kg wiegt. Bereits 1998 fertigte die französische Firma Paccard die Milleniumsglocke für Newport (Kentucky), die auch nur knapp drei Tonnen leichter als ihre Schwester in Asien ist. Beide Glocken schwingen zwar, dies aber an einem verkröpften Joch. Das bedeutet, dass die Achse, an der die Glocke hängt, nicht gerade sondern gestelzt ist. Je nach Stärke der Kröpfung schwingt die Glocke also nicht mehr in ihrer vollen Länge durch sondern schaukelt eher, was sich vor allem auf den Klang auswirkt. Da die Kölner Petersglocke an einem geraden Joch hängt, ist sie die größte freischwingende Glocke der Welt. Bislang!

Bukarest überholt Köln

Ausgerechnet am 11.11. vergangenen Jahres wurde in der Glockengießerei Grassmayr in Innsbruck eine Glocke von 25.190 kg Gewicht gegossen. Auftraggeber war der Patriarch der rumänisch-orthodoxen Kirche, Daniel I., dessen Bildnis auf der Glocke dargestellt ist. Die Herstellung einer solch riesigen Glocke stellte die Gießerei vor eine immense Herausforderung. Der Guss selbst war nach neun Minuten und 23 Sekunden vorbei und somit der kürzeste aller Arbeitsschritte, berichtet Peter Grassmayr. Eine Dokumentation auf 3sat am Ostersonntag um 19:15 Uhr zeigt den Herstellungsprozess bis zum ersten Anschlagen. Die Glocke soll in der "Kathedrale der Erlösung des rumänischen Volkes" in Bukarest ebenfalls wie Köln an einem geraden Joch aufgehängt werden und wäre dann an Stelle der Petersglocke die größte freischwingende Glocke der Welt. Doch bis es soweit ist, könnte es noch etwas dauern, da sich die Bukarester Kathedrale noch im Bau befindet und eine Fertigstellung nicht vor Ende 2018 geplant ist.

Kölner Gewicht geschätzt

Leise Zweifel, ob die Kölner Petersglocke wirklich die größte freischwingende Glocke der Welt ist, gab es allerdings auch schon vor dem Guss für Bukarest. Für Skepsis sorgte immer wieder die gerundet erscheinende Gewichtsangabe von 24.000 kg, ebenso der Durchmesser von 3,22 m. Die überschlagsmäßig vorgenommenen Berechnungen anhand der vorhandenen Angaben gehen jedoch recht stark auseinander und schwanken zwischen etwas mehr als 21 und 22,5 Tonnen Gewicht. Zwischenzeitlich kursierte sogar ein Gerücht, der Durchmesser der Petersglocke sei einige Zentimeter zu groß angegeben, was natürlich auch Auswirkungen auf das Gewicht hätte. Eine Abweichung von einem Zentimeter macht bereits etwa 250 kg aus. Was an diesen Erwägungen so interessant ist: Die Pummerin im Wiener Stephansdom wiegt 20.130 kg, hat einen Durchmesser von 3,136 m und läutet an einem Joch, das lediglich um die Hälfte der Kronenhöhe gekröpft ist.

Von ProBell genau vermessen

Als der "decke Pitter" 2011 einen neuen Klöppel erhielt, wurde die Glocke vom Europäischen Kompetenzzentrum für Glocken,  ECC-ProBell, genau vermessen. Dabei konnte die überlieferte Durchmesserangabe weitgehend bestätigt werden. Das Ergebnis weicht nur um zwei Millimeter nach unten ab. Welches Gewicht die Kölner Petersglocke aber nun genau hat, das könnte lediglich mit Hilfe einer Waage ermittelt werden. Da der Klöppel für Arbeiten an der Aufhängung zur Zeit wieder ausgebaut ist, böte sich hier die Gelegenheit, das Geheimnis um das wahre Gewicht zu lüften.

Kölner Dompropst bleibt gelassen

Die bevorstehende Entthronung des "decken Pitter" sieht Dompropst Gerd Bachner gelassen: "Wir mögen vielleicht demnächst nicht mehr die größte freischwingende Glocke der Welt im Dom haben, aber wir behalten die Glocke mit dem schönsten Spitznamen der Welt." Unabhängig von allen Rekorden werde den Besuchern des Domes und insbesondere allen Kölnern weiterhin das Herz aufgehen, wenn der "decke Pitter" läute.

Glocken von monumentaler Größe werden auch in Zukunft gegossen werden. Für den Paderborner Dom ist im kommenden Jahr zum 950-jährigen Weihejubiläum eine Glocke mit etwa 13 Tonnen Gewicht geplant, die aber größenmäßig der Kölner Petersglocke keine Konkurrenz machen wird. Bereits für vergangenes Jahr war in Polen der Guss einer 50 Tonnen-Glocke für die Basilika des "Ewigen Göttlichen Vaters" im zentralbrasilianischen Trindade (Goiás) geplant gewesen. Letzte Informationen, dass der Guss gelungen sein soll und die Glocke noch in der Form stecke, stammen aus dem Januar. Es dürfte allerdings unwahrscheinlich sein, dass dieses monumentale Instrument zum freischwingenden Läuten eingerichtet wird.


"Der dicke Pitter" im Kölner Dom / © Andreas Kuehlken (KNA)
"Der dicke Pitter" im Kölner Dom / © Andreas Kuehlken ( KNA )
Quelle:
DR