Krise in Burundi
Seit April 2015, als Burundis Präsident Pierre Nkuruziza eine von der Verfassung nicht vorgesehene, dritte Amtszeit ankündigte und sich vom Parlament wählen ließ, herrscht Gewalt in dem ostafrikanischen Land. Mehr als 1000 Menschen sind bereits in den von der Regierung niedergeschlagenen Protesten gestorben, über 300 000 in die Nachbarländer geflohen. Zeitweise werden die Grenzen geschlossen. UN-Experten warnen derweil vor neuer Gewalt durch die Regierung und fürchten eine Diktatur.
Bischof Simon Ntamwana hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, zur Versöhnung beizutragen. Hunderte Menschen haben sich ihm angeschlossen, aus einer Bewegung ist mittlerweile der Versöhnungsorden "Oeuvre apostolique vie nouvelle pour la réconciliation" hervorgegangen.
Zuletzt war im Jahr 2005 nach zehn Jahren ein Bürgerkrieg mit rund 300 000 Toten in Burundi zu Ende gegangen.
(dr 28.02.2017)
28.02.2017
Hungersnot, Armut und politische Unruhen: Burundi steckt in der Krise. Mehr als 300.000 Menschen haben das ostafrikanische Land bisher verlassen. domradio.de war vor Ort und hat mit Erzbischof Simon Ntamwana gesprochen.
domradio.de: Der Präsident hat eine irreguläre, in der Verfassung nicht vorgesehene Amtszeit durchgesetzt. Wie geht es dem Volk?
Erzbischof Simon Ntamwana: Leider hat die aktuelle Regierung sich überall mit Druck annehmen lassen. Man hätte das ja vermeiden können, wenn es um das Gute des Landes gegangen wäre und man das Volk gefragt hätte, ob es einverstanden wäre. Die Situation im Land ist schlimm - die Regierung spricht von 500, die Zivilgesellschaft 1000 Toten. Mindestens 300 000 sind wohl schon in die Nachbarländer geflüchtet. Für mich reicht schon ein Mensch, der stirbt! Diese Auseinandersetzung und damit das große Leid des Volkes hätten vermieden werden können.
domradio.de: Wie geht es den Menschen, seitdem der Präsident an der Macht ist?
Erzbischof Simon Ntamwana: Niemand darf etwas sagen, es gibt nur eine Meinung. Viele sind im Gefängnis, weil sie mit der Regierung nicht einverstanden sind. Es reicht schon, mit einer Maßnahme nicht einverstanden zu sein, um verhaftet zu werden, oder einen Verwandten zu haben, der etwas in die Richtung geäußert hat. Dann wird man auch verhaftet: Sippenhaft, einfach so. Wir können unsere Rechte nicht ausüben.
domradio.de: Wie verhält sich die Regierung im Moment?
Erzbischof Simon Ntamwana: Die Regierung versucht ein gutes Bild von sich zu zeichnen: "Wir arbeiten, wir möchten den Frieden wieder herstellen." All das. Aber in Wirklichkeit ist die Situation sehr, sehr kritisch; wirtschaftlich und auch was die Sicherheitslage angeht. Beides bleibt sehr angespannt. Hinzu kommt: Die internationale Gemeinschaft lässt uns im Stich. Alle scheinen die Regierung annehmen zu wollen: Die ostafrikanische Gemeinschaft erkennt die Regierung an, die Afrikanische Union erkennt die Situation an und auch die Vereinten Nationen schweigen. Es ist, als ob die Barundi verschenkt würden.
domradio.de: Es gibt Berichte von Enteignungen. Wissen Sie, was da dran ist?
Erzbischof Simon Ntamwana: Die Regierung macht alles mit Druck. Sie will neue Regierungsgebäude bauen, dafür werden Wald und Land beschlagnahmt. Die Regierung will Gitega zur politischen Hauptstadt machen, sie will ein neues Parlament hier bauen. Aber eine solche Idee sollte mit der Bevölkerung diskutiert werden. Durch das Volk, nicht durch die Regierung. Warum Gitega Hauptstadt werden soll, wird nicht begründet. Allerdings war Gitega damals, vor der deutschen Kolonialisierung, als die Könige das heutige Burundi regiert haben, die Residenzstadt der Könige.
domradio.de: Erzbischof Simon, Sie werden eingeschüchtert, haben Morddrohungen erhalten. Warum?
Erzbischof Simon Ntamwana: Ich habe die Regierung in meiner Neujahrspredigt aufgefordert, die Politik zu ändern. Deswegen habe ich vorschlagen, dass der Staat diese Untaten, diese Krise in Burundi bereuen könnte, dass die Regierung das Leid der Menschen bedauern könnte. 300 000 Menschen, die nicht zu Hause sind, andere, die in Angst leben, andere, die nicht sich freiwillig bewegen können. Eine gute Regierung, die für das Volk da ist, hätte doch das Wort ergreifen können, um zu sagen: "Es tut uns leid. Jetzt müssen wir anders handeln." Aber unsere regierenden Eliten haben nicht um Verzeihung gebeten, und das müssen wir nun für sie. Wir müssen das! Wir als Kirche haben auch geirrt, wir sind ein Teil der schlechten Lösungen gewesen, weil wir nicht genug gesprochen haben. Wir haben geschwiegen, als wir hätten sprechen sollen.
domradio.de: Wie war die Reaktion der Regierung auf Ihre Neujahrspredigt?
Erzbischof Simon Ntamwana: "Der schon wieder!", habe ich mir sagen lassen. Aber ich muss weiter betonen, wie wichtig die Versöhnung ist! Gestern Hutus gegen Tutsis, heute Parteien gegeneinander, morgen kann es sein, dass wir Reiche gegen Arme sind, die nichts vom Land besitzen. Ich habe Polizeischutz, den habe ich aber nicht beantragt. Die Regierung will es so. Ich habe keine Angst um mich, ich habe keine dauerhafte Bleibe auf der Erde. Aber in der Zeit, die ich habe, möchte ich ja gerne etwas tun für meine Mitmenschen.
domradio.de: Wie geht es den Menschen wirtschaftlich? Fürchten Sie eine Hungersnot?
Erzbischof Simon Ntamwana: Die Hungersnot ist schon da! In den Provinzen Kirundo, Bubanza, Karusi und Ruyigi hungern die Menschen. Daran ist nicht alleine das Klima Schuld. Natürlich, wir haben Regenzeit, aber es regnet nicht. Die Vorhersagen haben nicht gestimmt. Man hat gesagt es regnet eine Woche - und die Menschen haben angepflanzt. Aber dann ist kein Regen gekommen und die Saat verdorrte. Gleichzeitig sind Grundnahrungsmittel unerreichbar teuer geworden. Aber die Regierung könnte den Menschen helfen. Das tut sie nicht genug.
domradio.de: Ist Burundi auf dem Weg in eine Diktatur?
Erzbischof Simon Ntamwana: Alle Zeichen stehen so.
Das Interview führte Angela Krumpen.
Krise in Burundi
Seit April 2015, als Burundis Präsident Pierre Nkuruziza eine von der Verfassung nicht vorgesehene, dritte Amtszeit ankündigte und sich vom Parlament wählen ließ, herrscht Gewalt in dem ostafrikanischen Land. Mehr als 1000 Menschen sind bereits in den von der Regierung niedergeschlagenen Protesten gestorben, über 300 000 in die Nachbarländer geflohen. Zeitweise werden die Grenzen geschlossen. UN-Experten warnen derweil vor neuer Gewalt durch die Regierung und fürchten eine Diktatur.
Bischof Simon Ntamwana hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, zur Versöhnung beizutragen. Hunderte Menschen haben sich ihm angeschlossen, aus einer Bewegung ist mittlerweile der Versöhnungsorden "Oeuvre apostolique vie nouvelle pour la réconciliation" hervorgegangen.
Zuletzt war im Jahr 2005 nach zehn Jahren ein Bürgerkrieg mit rund 300 000 Toten in Burundi zu Ende gegangen.
(dr 28.02.2017)