Caritas zur Situation in und um Mossul

Es fehlt am Nötigsten

Seit sechs Wochen versucht die irakische Armee, die Stadt Mossul aus den Händen der Terrormiliz IS zu befreien. Für die Zivilbevölkerung dort und die Region ringsum wird die Situation immer problematischer, berichtet die Caritas.

Flüchtlinge aus Mossul warten auf den Abtransport in Camps / © Ahmed Jalil (dpa)
Flüchtlinge aus Mossul warten auf den Abtransport in Camps / © Ahmed Jalil ( dpa )

domradio.de: Die Rückeroberung Mossuls gestaltet sich schwierig: IS-Kämpfer mischen sich unter die Zivilbevölkerung, nehmen sie quasi in Geiselhaft. Außerdem bringen die Islamisten Augenzeugenberichten zufolge alle um, die sich ihren Anweisungen widersetzen. Herr Löffelsend, was wissen Sie über die Situation in Mossul selbst? 

Rudi Löffelsend (Vorstand der Caritas Flüchtlingshilfe Essen): Es ist eine ausgesprochen schwierige Situation. Die irakische Armee kann keine schweren Waffen einsetzen, wegen der Zivilbevölkerung. Und der IS geht mit äußerster Brutalität vor, auch gegen die, die fliehen wollen.

domradio.de: Was bedeutet denn diese langatmige Offensive der irakischen Armee für die Flüchtingslager rings umher?

Löffelsend: Bis jetzt sind rund 70.000 Menschen geflüchtet - meistens Richtung Osten, also in die autonome Region Kurdistan. Die ist zwar auch vorbereitet auf Flüchtlinge, hat aber natürlich schon unendlich viele Flüchtlinge im Land - nämlich rund 2,3 Millionen und das bei 4,5 Millionen Einwohnern. Jetzt kommen noch die Menschen aus Mossul dazu. Das wird also eine prekäre, schwierige Situation werden. 

domradio.de: Hinzu kommt jetzt, dass selbst dort, wo der IS schon zurückgedrängt werden konnte, es für die Menschen überaus gefährlich bleibt...

Löffelsend: Die Dörfer, die jetzt östlich von Mossul besetzt waren - das waren meist christlich bewohnte Dörfer - sind zum großen Teil befreit, aber stecken voller Minen, Fallen und auch noch vereinzelten Kämpfern. Deshalb kann die Bevölkerung nicht mal eben zurück und einen neuen Anfang machen. Statt dessen müssen die Menschen warten, bis diese Städte und Dörfer minenfrei sind. Sonst gibt es nochmal hohe Verluste. Und natürlich ist auch ein großer Teil der Städte und Dörfer zerstört.

domradio.de: Das sehr, sehr viele Christen die Region schon verlassen haben, wissen wir. Sie haben jetzt die angesprochen, die noch da sind. Was ist die besondere Problematik für die?

Löffensend: Die UNO hat jetzt nochmal eindringlich berichtet, dass die Hilfe für alle Flüchtlinge dort nicht ausreicht. Zusagen an die UNO, die die Versorgung übernehmen soll, werden einfach nicht eingehalten. Deshalb ist nicht gesichert, dass die Menschen mit ausreichend Verpflegung, warmer Kleidung und Decken heil über den Winter gebracht werden können.  

domradio.de: Sie haben es angesprochen: Der Winter steht vor der Tür. Wird es denn sehr kalt in der Region.

Löffelsend: Ja, der Nordirak hat auch Frost und Schnee. Wir haben in den vergangenen Jahren erlebt, dass Leute in ihren Zelten erstickt sind, weil auf einmal Schnee fiel und die Zelte zusammengebrochen sind. Wer also nicht in Contrainern wohnt, sondern in Zelten wohnt - das tun manche Menschen schon im vierten Jahr -, dem steht noch ein ziemlich harter Winter bevor. 

domradio.de: Die Caritas-Flüchtlingshilfe betreibt auch ein eigenes Lager in der Region. Wie ist die Lage dort? 

Löffelsend: Wir haben Container. Das macht die Sache ein bißchen besser. Die Container sind auch heizbar mit einfachen elektrischen Heizgeräten. Da sind die Menschen ein bißchen komfortabler untergebracht. Aber für diese Menge der Flüchtlinge kann man das nicht überall machen, vor allem für die Neuankömmlinge nicht. Jetzt geht es um Schnelligkeit - und das geht eben nur, wenn man mit Zelten arbeitet. Man muss wenigstens dafür sorgen, dass die Menschen warm liegen können.

domradio.de: Was müsste denn jetzt passieren, damit das wenigstens ein bißchen abgefedert werden kann?

Löffelsend: Jetzt müsste in hohem Maße Hilfe einsetzen, weil es jetzt schon kalt wird über Nacht. Es ist ja noch gar nicht absehbar, wie viele Menschen noch aus Mossul kommen. Es sind ja noch fast eine Million Menschen da. Es wird also noch Einiges notwendig sein, und dafür fehlt eben im Moment das Geld. 

domradio.de: Wer ist da gefordert?

Löffelsend: Im Grunde die reichen Staaten, die ihre Verpflichtungen erfüllen müssen. Das ist das eine. Das andere ist, dass nichts anderes hilft als nochmal zu Spenden aufzurufen für die großen Organisationen, die dort vor Ort helfen. Damit die auch das ihre tun können.

Das Interview führte Hilde Regeniter. 


Quelle:
DR