Vor 43 Jahren starb Papst Johannes Paul I.

Seligsprechung lässt auf sich warten

Papst Johannes Paul I. ist vor allem dadurch in Erinnerung, dass er nur 33 Tage im Amt war. Um seinen Tod entstanden Mythen, auch diese machen die Seligsprechung schwierig, obwohl er von großer Menschenfreundlichkeit geprägt war.

Papst Johannes Paul I. und Kardinal Joseph Ratzinger im Jahr 1978 (KNA)
Papst Johannes Paul I. und Kardinal Joseph Ratzinger im Jahr 1978 / ( KNA )

DOMRADIO.DE: Bei der Amtseinführung von Johannes Paul I. waren Sie als junger Mann dabei. Was ist Ihnen von diesem Tag im Gedächtnis geblieben?

Ulrich Nersinger (Vatikan-Experte): Erst einmal hatten wir einen fantastischen Sitzplatz. Als wir nach Rom kamen, dachten wir, dass wir in der Menge untergehen. Aber wir waren glücklicherweise in einem Haus untergebracht, wo ein Kardinal wohnte und auch eine südamerikanische Botschaft untergebracht war. Wir waren noch sehr beeindruckt von unserer langen Reise und besorgten uns Karten.

Wir haben die Karten nicht so richtig einschätzen können, bis wir merkten, dass wir auf dem Petersplatz immer weiter und immer höher gereicht wurden. Bis wir dann in unseren schlichten schwarzen Hosen und Hemden auf einmal beim diplomatischen Korps saßen und diese ganze Feierlichkeit miterleben konnten, die auch dramatisch war.

Es gab damals Proteste, weil der argentinische Diktator Videla anwesend war, es gingen Autobomben hoch. Aber es war vor allen Dingen ein sehr intensives, faszinierend religiöses Erlebnis, einer Amtseinführung eines Papstes beizuwohnen.

DOMRADIO.DE: Als was für ein Papst ist Johannes Paul I. in die Geschichte eingegangen?

Nersinger: Ich denke, er ist als etwas Großartiges in die Geschichte eingegangen. Der Heilige Paulus schreibt an Titus über die Geburt Christi: "Erschienen ist die Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes." Ich habe Johannes Paul I. erlebt bei der Messe, aber auch in Generalaudienzen, und hatte den Eindruck, da war so ein Aufblitzen der Menschenfreundlichkeit Gottes. Das war jemand, der sprach zu den Leuten. Die Leute verstanden ihn.

Ich habe danach nie mehr Generalaudienzen erlebt, bei denen die Leute so fasziniert waren und zuhörten. Nicht einfach die Ansprache eines Papstes abzusitzen, sondern wirklich gepackt zu sein, weil er eine sehr klare, freundliche und sehr angenehme Art hatte, etwas anzusprechen. Er holte sich Messdiener oder Kinder an den Thron. Das war ein riesiges Erlebnis. Diese Ansprachen sind auch heute noch lesenswert.

DOMRADIO.DE: Sein Seligsprechungsverfahren läuft inzwischen seit 18 Jahren. Wie ist der Stand der Dinge?

Nersinger: Im Oktober werden wir die abschließende Diskussion über das Wunder haben, das ihm zugesprochen wird - oder besser gesagt, das seiner Fürsprache zugesprochen wird. Wir hoffen alle, dass dann der Papst positiv entscheidet und dass wir dann im nächsten Jahr vielleicht schon die Seligsprechung erleben dürfen.

DOMRADIO.DE: Sowohl sein Vorgänger aber auch sein Nachfolger Johannes Paul II. sind längst heiliggesprochen. Zieht sich seine Seligsprechung ungewöhnlich lange hin?

Nersinger: Wenn man es vergleicht mit Johannes Paul II. und mit Paul VI., dann kann man sagen, dass sich das Verfahren lange hinzieht. So ganz ist mir das nicht verständlich, weil wir von vornherein gesehen haben, dass wir einen Papst gehabt haben, der nur kurz im Amt war. Es gibt in Rom ein Sprichwort, das man bei kurzen Pontifikaten äußert: "Mehr gezeigt, als gegeben."

Er wurde uns nur für eine kurze Zeit geschenkt. Seine Art und Weise, sein Wappenspruch war Humilitas, auf Deutsch Demut, hat ihn ausgezeichnet. Das haben die Leute gespürt, dass alles echt war an ihm. Die Einfachheit, die Demut, die Freundlichkeit.

DOMRADIO.DE: Aber sind vielleicht manche auch skeptisch im Vatikan, weil er eben nur 33 Tage im Amt war und sich gar nicht erst entfalten konnte?

Nersinger: Ich denke, man hat ihn immer als ein Geschenk an die Kirche gesehen. Manchmal ist es so, dass Gott ein solches Geschenk nicht lange gönnt. Dieser Mann war nicht nur schlicht und einfach, dahinter verbarg sich eine hohe Intellektualität. Es gibt von ihm ein Buch, das heißt Illustrissimi (zu Deutsch: "Ihr ergebenster ...", Anm. d. Red.). Darin sind Briefe von ihm an bekannte Persönlichkeiten, existierende wie auch fiktive, zum Beispiel Chesterton, Charles Dickens, Pinocchio oder Jesus. Das sind wunderbare Zeichen.

Man hat vorher schon seine Einfachheit beim Besuch von Paul VI. in Venedig auf dem Markusplatz gesehen. Der Papst hat ihm damals seine Stola überreicht. Man kann heute noch bei den Aufnahmen sehen, wie der Kardinalpatriarch errötete. Er wollte so bescheiden sein, dass er diese Stola nie getragen hat. Zumal es ja auch eine Prophezeihung von einer der letzten Seherinnen von Fatima gab, dass er einst den Thron des heiligen Petrus besteigen sollte. Er war da sehr skeptisch und er wollte so etwas nicht. Er wollte einfach nur den Menschen dienen.

DOMRADIO.DE: Seit einiger Zeit ist jetzt auch sein Geburtshaus wieder für Pilger geöffnet. Was kann man da sehen?

Nersinger: Das steht in Forno di Canale (heute: Canale d'Agordo, Anm. d. Red.) und man sieht, wie er gelebt hat. Man sieht viele Andenken an ihn. Man bekommt schon einen Eindruck davon, aus welcher Gegend und aus welchem Milieu er stammt. Das hilft auch, ihn zu verstehen. Das Interesse an ihm ist immer sehr groß gewesen. Ich habe es eigentlich nie verstanden, warum man das nicht viel früher mehr betrieben hat, sich mehr dafür eingesetzt hat.

Das Interview führte Florian Helbig.


Quelle:
DR