Reaktionen auf "Traditionis custodes"

Notwendiger Schritt oder "anmaßend und beleidigend"?

Nachdem Papst Franziskus am vergangenen Freitag mit "Traditionis custodes" die Feier der "Alten Messe" eingeschränkt hat, hat er sowohl Lob erhalten als auch Kritik einstecken müssen. Wie fallen die Reaktionen national und international aus?

Autor/in:
Hannah Krewer
Tridentinische Messe / © Natalia Gileva (KNA)
Tridentinische Messe / © Natalia Gileva ( KNA )

Eine "Instrumentalisierung des Missale Romanum von 1962" habe er feststellen müssen, schreibt Papst Franziskus im einem Begleitbrief zum Motu proprio vom Freitag. Zunehmend würden nicht nur die Liturgiereform, sondern auch das Zweite Vatikanische Konzil abgelehnt.

Französische Bischöfe sehen Auftrag an die Kirche

Von einem "anspruchsvollen Auftrag an die ganze Kirche" sprach die Französische Bischofskonferenz daraufhin. Bischof Olivier Leborgne, Bischof von Arras, sagte im Gespräch mit dem Portal Vatican News, er habe "dieses Motu proprio mit echtem Ernst für die Fragen der Einheit und der Liturgie, die es aufwirft, begrüßt". Im Brief des Papstes an die Bischöfe sieht er eine "Bitte um eine eucharistische Erneuerung und eine neue Aufmerksamkeit für die Liturgie für die ganze Kirche, und zwar nicht nur für das außerordentliche Messbuch."

Liturgiewissenschaftler sind sich uneinig

Auch unter deutschsprachigen Liturgiewissenschaftlern sorgt das Motu proprio für Diskussionen. Der Freiburger Liturgiewissenschaftler Helmut Hoping kritisierte im Gespräch mit DOMRADIO.DE "die Behauptung des Papstes, dass viele, die der überlieferten Form der römischen Messe anhängen, die Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils nicht mittragen". Zudem gebe es den vom Papst angeprangerten liturgischen Missbrauch ebenso in der nachkonziliaren Form des römischen Ritus.

Der Fribourger Liturgiewissenschaftler Martin Klöckener hingegen bezeichnete "Traditionis custodes" als einen "folgerichtigen, ja notwendigen Schritt". In einem Beitrag für das Portal kath.ch schreibt er, mit dieser Entscheidung stehe Franziskus ganz in der Ekklesiologie des Zweiten Vatikanischen Konzils, die auf die Kompetenzen der jeweiligen Ortsbischöfe verwiesen habe. Er folgert: "Das Motu proprio stellt eine wichtige Neuorientierung im Umgang mit dem tridentinischen Messritus in der letzten vorkonziliaren Fassung von 1962 dar." Dieser war von Papst Paul VI. 1970 bis auf wenige Ausnahmen ausgeschlossen worden.

Kirchenrechtler Rothe sieht Gefahr des Missbrauchs

Ebenfalls auf dem Portal kath.ch äußerte sich der deutsche Kirchenrechtler Wolfgang Rothe, dessen Kritik allerdings weniger in eine theologische Richtung geht. Vielmehr befürchtet er, durch das Motu Proprio könnte sich eine "kirchliche Subkultur" bilden: "Es wäre eine Illusion zu glauben, es würde sich auch nur ein einziger Priester davon abhalten lassen, im 'Alten Ritus' zu zelebrieren […], sich auch nur […] ein einziger Gläubiger davon abhalten lassen, die 'Alte Messe' zu besuchen", so Rothe.

Er sieht die Gefahr, dass die Kirche diese Menschen nicht mehr erreichen könne und sie "komplett Teil eines autoritären und totalitären Systems" werden könnten, in dem die Gefahr von Missbrauch in allen Facetten sehr hoch sei. Auf kirchenrechtlicher Seite ist für ihn jedoch klar, dass die Unterscheidung Papst Benedikts zwischen "ordentlicher" und "außerordentlicher" Form des römischen Ritus unlogisch war: "Papst Benedikt XVI. hat mit 'Summorum Pontficum' ein Konstrukt geschaffen, das auf falschen Behauptungen basierte […] und eine fiktive liturgische und kirchenrechtliche Wirklichkeit geschaffen hat […]."

Kirchenrechtler Lüdecke überrascht vom Zeitpunkt

Norbert Lüdecke, Professor für Kirchenrecht an der Universität Bonn, zeigte sich vom Zeitpunkt der Veröffentlichung von "Traditionis custodes" erstaunt. Für ihn ist aber klar, dass Papst Franziskus mit seinem Motu Proprio die Feier des tridentinischen Ritus sehr eingeschränkt hat.

"Franziskus hat mit diesem neuen Gesetz das, was Benedikt XVI. erweitert hat, ganz stark zurückgeschnitten und in die alleinige Verantwortlichkeit und Überwachung des Diözesanbischofs gestellt", sagte Lüdecke der der Katholischen Nachrichten-Agentur. Die Priester hätten sich nun an das zu halten, was der jeweilige Diözesanbischof bestimme, ansonsten seien Sanktionierungen möglich.

Kritik von Kardinal Burke

Der amerikanische Kurienkardinal Raymond Leo Burke bezeichnet das Schreiben des Papstes als zu hart. Das Internetportal "Rorate Caeli" spricht gar von einer "Kriegserklärung eines rachsüchtigen Papstes und zornigen Jesuiten". Bischöfe und Priester weltweit sollten das Motu proprio, das ein "offensiver Gewaltakt" sowie "anmaßend und beleidigend" sei, ignorieren und weiter nach dem tridentinischen Ritus feiern. Franziskus riskiere, "in den Abgrund zu sinken."

Zustimmung im "American Magazine"

Austen Ivereigh, Biograph von Papst Franziskus, lobt das Motu proprio in einem Beitrag der jesuitischen Zeitschrift "America Magazine" hingegen als einen "mutigen Schritt und prophetischen Akt". Bei vielen, die die tridentinische Messe gefeiert hätte, habe man "Arroganz und Überheblichkeit" gegenüber denen feststellen müssen, die die Liturgie gemäß den Beschlüssen des Zweiten Vatikanischen Konzils feierten, so Ivereigh.

Und tatsächlich schreibt im gleichen Magazin Redakteur Zac Davies, er habe sich in die "alte Messe" verliebt, aber: "Sie hat mich verbittert und arrogant gemacht. Sie hat mich glauben lassen, ich hätte den älteren, damit heiligeren und damit besseren Weg gefunden, meinen Glauben zu praktizieren." Auch er begrüßt daher das Motu proprio von Papst Franziskus.

Institut Philipp Neri: "Sehr unfreundlicher Akt"

Das Institut Philipp Neri kündigte an, trotz des Motu proprios vorerst weiter im tridentinischen Ritus zu zelebrieren. Die Priestergemeinschaft unterstehe nicht dem Erzbistum Berlin, sondern der Ordenskongregation in Rom, erklärte Propst Gerald Goesche, Leiter des Instituts. Den Erlass von Papst Franziskus bezeichnete Goesche als "sehr unfreundlichen Akt".


Quelle:
DR