Papst beschneidet Macht von Anführern geistlicher Bewegungen

Rotation der Führungsverantwortung gegen Missbrauch

Mit strikteren Regeln will der Vatikan die mitunter recht eigenwilligen neuen geistlichen Gemeinschaften einhegen. Personenkult, geistlicher und sexueller Missbrauch bei einigen Gruppen lassen den Papst handeln - das gefällt nicht allen.

Der Vatikan möchte geistliche Gemeinschaften besser kontrollieren / © Paul Haring (KNA)
Der Vatikan möchte geistliche Gemeinschaften besser kontrollieren / © Paul Haring ( KNA )

Wirklich überraschend kam der Schritt nicht. Mit einem am Freitag veröffentlichten Dekret hegt der Vatikan die Macht von Anführern internationaler katholischer Laienverbände ein. Künftig gelten in den zentralen Leitungsgremien strikte Amtszeitbegrenzungen. "Selbstreferenzialität" und "Missbrauch" sollen so vermieden werden. "Außerdem schafft eine schlechte Leitung unweigerlich Konflikte und Spannungen, die der Gemeinschaft schaden und die missionarische Dynamik schwächen", heißt es in dem Schreiben.

Wuchernde Gebilde der neuen geistlichen Gemeinschaften?

Die Regelung des Laiendikasteriums ist eine weiterer Versuch, die teils wild wuchernden Gebilde der neuen geistlichen Gemeinschaften einzuhegen. Schon unter Papst Benedikt XVI. gab es immer wieder Ordnungsrufe für diese recht eigenwilligen Gruppen innerhalb der katholischen Kirche. Sie sollten die Einheit mit den Bischöfen wahren, sich in Pfarreien eingliedern und liturgische Normen beachten, mahnte er etwa die Mitglieder des "Neokatechumenalen Wegs". Aber charismatische Führungspersönlichkeiten wie der spanische Künstler Kiko Argüello gingen mitunter eigene Wege. Und das nicht ohne Erfolg.

Führungspersönlichkeiten ohne Kontrolle

Ein weiteres Beispiel ist die Italienerin Chiara Lubich. Von 1943 bis zu ihrem Tod 2008 stand sie an der Spitze der Fokolarbewegung und baute so ein geistliches Imperium mit mehr als 100.000 Mitgliedern und Millionen Sympathisanten in aller Welt auf. Doch auch die neuen geistlichen Gemeinschaften, einst von Papst Johannes Paul II. (1978-2005) sehr gefördert, wurden vom kirchlichen Missbrauchsskandal erfasst.

Das mit den Legionären Christi eng verbundene Regnum Christi ist immer noch mit der Aufarbeitung der Vorfälle rund um den Gründer Marcial Maciel (1920-2008) befasst. Als eine Ursache gilt der Personenkult rund um den mexikanischen Priester, der jahrzehntelang unbehelligt schaltete und waltete.

Dekret gilt für über 100 Organisationen

Nicht zuletzt in diesem Kontext ist das nun erlassene vatikanische Dekret zu verstehen, das im September in Kraft tritt und mehr als 100 Organisationen betrifft. Es zielt zudem auf vielfältige Schwierigkeiten bei der Eingliederung charismatischer Gruppen in konventionelle kirchliche Strukturen ab. Eine "Rotation der Führungsverantwortung" werde dazu beitragen, eine allzu große Selbstbezogenheit zu verhindern, lautet einer der Reformansätze.

Das ist ganz im Sinne des amtierenden Papstes. Erst kürzlich warnte er bei einer Begegnung mit Vertretern der Fokolarbewegung: Selbstbezogenheit verhindere "das Erkennen von Fehlern und Unzulänglichkeiten" und bremse den Fortschritt. Um Probleme effektiv anzugehen, sei es ratsam, Empfehlungen der Kirche zu folgen. Dazu gehöre eine stärkere Orientierung am Prinzip der Synodalität, um zu gemeinsam getragenen Entscheidungen zu gelangen, sagte Franziskus im Februar.

In einem Kommentar im "Osservatore Romano" ergänzte Ulrich Rhode, Professor für Kirchenrecht an der Päpstlichen Universität Gregoriana, dass die Freiheit der Laienverbände bislang sehr groß, "vielleicht zu groß" gewesen sei. Dies gelte besonders mit Blick auf die Vergabe von Ämtern, Amtszeiten und das Einbeziehen von Mitgliedern bei Wahlen.

Höchstdauer der Amtsperioden

Der Vatikan führt daher genaue Vorgaben ein, unter anderem eine Höchstdauer der Amtsperioden aller Leitungsämter von fünf Jahren. Die Ausübung einer Funktion wird auf zwei aufeinanderfolgende Amtsperioden, also maximal zehn Jahre, begrenzt. Eine Wiederwahl ist dann nach einem Aussetzen von einer Amtszeit möglich. Etwas andere Regeln gelten speziell für Vorsitzende. Eine Ausnahme ist für Gründer möglich: Sie können - nach dem Ermessen des Laiendikasteriums - von den Beschränkungen ausgenommen werden. Zunächst gilt das neue Dekret allerdings ebenso für sie.

Ende einer Ära?

In den nächsten Monaten wird sich zeigen, wie die geistlichen Bewegungen auf die Anordnung aus Rom reagieren. Dass an einigen Stellen mit Widerstand zu rechnen ist, deutet sich bereits an. Vor allem konservative Katholiken äußern sich dieser Tage in einschlägigen Medien enttäuscht. Das italienische Online-Portal "La Nuova Bussola Quotidiana" resümiert: "Eine von Johannes Paul II. begonnene Ära geht zu Ende."

Alexander Pitz


Quelle:
KNA
Mehr zum Thema